Der Text ist u.a. hier zu finden.
Wir präsentieren ein paar Überlegungen zum Inhalt und wenden uns dann dem Rhythmus zu.
Jardin des Plantes, Paris
Unter türkischen Linden, die blühen, an Rasenrändern,
in leise von ihrem Heimweh geschaukelten Ständern
atmen die Ara und wissen von ihren Ländern,
die sich, auch wenn sie nicht hinsehn, nicht verändern.
- In der ersten Strophe wird ein Eindruck von einem Park in Paris präsentiert,
- der gezeichnet ist von Blühen und Heimweh.
- Im Zentrum steht die „Ara“, wohl eine Papageienart, die angeblich von den Ländern, aus denen sie stammen, wissen, dass die sich nicht verändern.
- Das kann natürlich ironisch gemeint sein, weil das innere Bild, das sie von ihrer Heimat haben, sich nicht ändern, allenfalls verblassen kann.
- Zum Rhythmus:
Unter türkischen Linden, die blühen, an Rasenrändern,
Rot mariert sind die mehrsilbigen Wörter, die ja die Rhythmusstruktur prägen.
Wenn man die Betonung mal so aufzeichnet: XxXxxXxxXxxXxXx, - sieht man dass es Ansätze von Daktylen (Xxx) gibt, was aber nicht durchgehalten wird.
- Rein theoretisch könnte diese Rhythmusstörung etwas mit dem gestörten Leben der Tiere zu tun haben.
- Aber das ist wahrscheinlich überinterpretiert, weil Rilke hier eher auf inhaltsbezogene Sprachmusik setzt.
- Wenn man das Gedicht entsprechend liest, kann man natürlich eine gewisse Daktylik herausklingen lassen, vor allem, wenn man mit Pausen arbeitet.
- Wir versuchen das mal weiter unten.
Fremd im beschäftigten Grünen wie eine Parade,
zieren sie sich und fühlen sich selber zu schade,
und mit den kostbaren Schnäbeln aus Jaspis und Jade
kauen sie Graues, verschleudern es, finden es fade.
- Die zweite Strophe verstärkt den Eindruck, dass Rilke sich hier mit dem Schicksal von Tieren beschäftigt wie in dem Gedicht „Der Panther“.
- Diesmal besteht das Leiden darin, dass ihre Schönheit in diesem Umfeld nicht zum Tragen kommt.
Unten klauben die duffen Tauben, was sie nicht mögen,
während sich oben die höhnischen Vögel verbeugen
zwischen den beiden fast leeren vergeudeten Trögen.
- Hier verstärkt sich der unangenehme Eindruck.
- Denn es kommen noch duffe = glanzlose Tauben hinzu – im Kontrast zu dem Potenzial der Papageien.
- Auf die Tauben reagieren sie höhnisch.
- Das mit den Trögen bedeutet wohl, dass diese Tiere die Nahrung zumindest nicht für sinnvolle Tätigkeit brauchen.
Aber dann wiegen sie wieder und schläfern und äugen,
spielen mit dunkelen Zungen, die gerne lögen,
zerstreut an den Fußfesselringen. Warten auf Zeugen.
- Die letzte Strophe bringt dann wieder eine Veränderung.
- Die Vögel wechseln die Tätigkeiten, wohl aus Langeweile, was sollen sie auch tun.
- Das Lügen bedeutet vielleicht, dass diese Vögel gerne ihr Spiel machen würden, aber sie brauchen hier nicht konzentriert zu sein, weil es keine Aufgabe gibt.
- Der Schluss ist nicht ganz klar: Vielleicht meint das lyrische Ich, dass diese Tiere auf Zeugen ihres Elends warten, weil das sie vielleicht erleichtert.
- Man merkt hier, in welchem Ausmaß dieses Gedicht bestimmt ist von dem, was das lyrische Ich und indirekt der Dichter in diesen Tieren sieht.
Nun der Rhythmus-Check:
Es fällt auf, dass in der ersten Strophe noch relativ viele Störungen sind, während sich danach das Bild z.T. eindeutig Richtung Daktylen (Xxx) entwickelt.
Grün markiert sind diese Daktylen,
Orange die Trochäen.
Gelb scheinbare Trochäen am Versende, die aber so durchaus in ein Daktylus-Schema passen, wenn man am Ende eine Pause mitdenkt.