Berühmte Geschichten weiterdenken: Anders Tivag, Die Ringparabel, Teil 2 – oder: Woran Lessings Richter nicht gedacht hat … (Mat5112)

Worum es hier geht:

Wir denken die berühmte Ringparabel aus Lessings Theaterstück „Nathan der Weise“ mal einfach weiter – und bekommen dabei noch tiefere Einblicke in sein Religionsverständnis.

Die können wirklich hilfreich sein beim Umgang der Religionen miteinander.

Inzwischen gibt es auch ein Video, in der diese Fortsetzung vorgestellt wird:

Videolink

Hier die Dokumentation:
Mat5112 vf Fortsetzung der Ringparabel

Hier nun die Schaubilder der Dokumentation, die die echte Ringparabel vorstellen:

 

 

 

 

Hier nun die Fortsetzung in Textform

Anders Tivag,

Die Ringparabel, Teil 2 – oder: Woran Lessings Richter nicht gedacht hat …

 

  1. Als der Richter geendet hatte, schauten sich die drei Brüder an. Es arbeitete sichtlich in ihnen. Dankbar verabschiedeten sie sich und machten sich gemeinsam auf den Heimweg. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Einig waren sie sich nur darüber, dass nichts von dem Gehörten nach außen dringen dürfe.
  2. Als der Älteste seiner Frau (Anm1) zu Hause erzählte, was sie beim Richter erlebt hatten, reagierte die zornig. Das willst du dir gefallen lassen? Dein Vater wusste, was sich gehört. Du bist jetzt das Oberhaupt der Familie. Verhalte dich auch so.
  3. Also machte er gleich am nächsten Tage die Runde bei allen wichtigen Leuten, knüpfte oder verstärkte das Geflecht der Beziehungen und traf allerlei Absprachen.
  4. Der Zweitälteste, der als Zwilling nur wenige Minuten nach dem ersten den Bauch der Mutter verlassen hatte, war erstaunt, als er vorwiegend auf Verzögerungen und Vertröstungen stieß, was seine Interessen anging. Bald ahnte er, was sich ihm in den Weg legte. Als er seinem besten Freund sein Leid klagte, kam der bald auf eine Idee. Er sorgte dann dafür, dass bald allerlei Geschichten über den Ältesten erzählt wurden, die ihn nicht gut aussehen ließen. Niemand wusste, woher die Gerüchte kamen. Niemand prüfte sie auch. Aber man war vorsichtig und die Geschäfte des Ältesten wandten sich ins Mühsame.
  5. Der Jüngste hatte gleich am nächsten Morgen sein Pferd gesattelt. Er wusste, dass er am wenigsten Chancen hatte sich durchzusetzen. Also suchte er sein Heil am Hof des Sultans und stieg dort rasch auf. Schließlich wurden ihm die Finanzen des Reiches anvertraut – und schon bald bekamen seine beiden älteren Brüder Besuch von Beamten, die recht unangenehme Fragen stellten und schließlich sogar die Häuser durchsuchen ließen. Dabei wurde einiges gefunden, was die Besitzer sich nicht erklären konnten. Wenige Stunden später saßen sie im Gefängnis. Ihre ganze Hoffnung war jetzt ihr jünster Bruder – und der enttäuschte sie wirklich nicht: Er setzte sich beim Sultan für sie ein – und so wurden sie bald entlassen und nur des Landes verwiesen.
  6. Alles, was sie besaßen, wurde jetzt vom Dritten der Brüder verwaltet – und alle waren sich einig: Er hatte ganz offensichtlich den echten Ring bekommen – und der hatte ihm wirklich Glück gebracht.

Anm1: Natürlich kann man das auch aus weiblicher Perspektive umdrehen – aber in dieser Fortsetzung wird von den Verhältnissen und Vorurteilen der Lessing-Zeit ausgegangen – oder sogar einer noch weiter zurückliegenden, schon fast märchenhaften Epoche.

Hierzu gibt es auch eine Hörfassung:

textaussage.de/audio5112

Weitere Infos, Tipps und Materialien

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