Sarah Kirsch, Bei den weißen Stiefmütterchen – mit einem Kommentar von Ulla Hahn (Mat4363)

Worum es hier geht:

Wir stellen das Gedicht „Bei den weißen Stiefmütterchen“ von Sarah Kirsch vor und verweisen zugleich auf einen Beitrag der Frankfurter Anthologie. Da interpretiert und kommentiert auf sehr persönliche Weise eine anerkannte Schriftstellerin das Gedicht.

http://www.planetlyrik.de/ulla-hahn-zu-sarah-kirschs-gedicht-bei-den-stiefmuetterchen/2018/10/

Anmerkungen zu Strophe 1

  • Die erste Strophe zeigt jemanden, der einen Auftrag ausführt.
  • Offensichtlich eine Frau – in Erwartung eines Mannes.
  • Anscheinend vergeblich, jedenfalls ergibt sich nur ein Gespräch mit einer Weide, die selbst so aussieht, wie die versetzte Frau sich wahrscheinlich fühlt.
  • Von dort wird dann auch die unangenehme Wahrheit der Enttäuschung verkündet.

Anmerkungen zu Strophe 2

  • Die Frau nimmt den Mann in Schutz,
  • Denkt sich alle möglichen Dinge aus, die ihn aufgehalten oder verhindert haben.
  • Am Ende dann ein krönender Abschluss, der die Situation aus Sicht des lyrischen Ichs ganz deutlich macht.
    • Der Mann ist verheiratet, man wollte sich also heimlich treffen.
    • Und er kann der Frau nicht entkommen – die ist also stärker als er.
  • Am Ende dann noch mal ein Versuch, sich in eine allgemeine Weisheit zu retten und die Situation damit zu erleichtern.

Anmerkungen zu Strophe 3

  • Die Weide setzt noch einen drauf und deutet den schlimmstmöglichen Grund an: Der Mann könnte auch tot sein.
  • Dabei wird auf ein früheres Treffen angespielt, bei dem Mann angeblich „blaß“ aussah.
  • Die besondere Küss-Situation zeigt die Schwierigkeit der Beziehung und die damit verbundene Heimlichkeit.
  • Das lyrische Ich wägt das ab und entschließt sich dann zu der Hoffnung, dass der Mann aus dem zwar schlimmen Grund der Nicht-mehr-Liebe das Treffen verpasst hat.
  • Aber er wäre dann wenigstens noch am Leben: Offensichtlich sinnt das lyrische Ich nicht auf Zorn oder gar Rache. Ihre Liebe scheint so groß zu sein, dass sie lieber das Ende der Liebe auf der anderen Seite in Kauf nimmt, als dem geliebten Menschen etwas Schlechtes zu wünschen.

Zusammenfassung

Insgesamt ein wunderbares Gedicht, das auf bezaubernde Weise zum einen die misslichen Umstände von Affären zeigt und dan im fiktiven Gespräch mit einem Natur-Lebewesen zu einer guten Lösung kommt.

Was eine Schriftsteller-Kollegin dazu sagt

Man kann hier schön einen Beitrag aus der Frankfurter Anthologie ergänzend heranziehen, der ein paar interessante Akzente setzt und im übrigen die obige Interpretation bestätigt:

Sehr hilfreich zunächst, dass eine gestandene und erfolgreiche Schriftstellerin zugibt, das Gedicht am Anfang auch gar nicht ganz verstanden zu haben. Wie schön wäre es doch, wenn das zum ganz normalen Umgang mit Literatur auch in der Schule gehören würde – und man – es nur darauf anlegt, gemeinsam damit weiterzukommen – ganz ohne den Notendruck des einsamen Kampfes mit dem Text.

Dann merkt man deutlich, dass die Verfasserin des Beitrags sich vorstellen kann, was es für eine Frau bedeutet, versetzt zu werden.

Umso mehr hebt sie völlig zu Recht das Selbstbewusstsein und die Großzügigkeit hervor, die in diesem Falle den Umgang mit allen Wechselfällen der Liebe erleichtert.

Vielleicht zeigt sich ja in diesem Falle wirklich eine echte Liebe, die alle egoistischen Wünsche übersteigt und das Wohlergehen der geliebten Person an erste Stelle stellt.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos