Schiller, Wilhelm Tell, III. Akt, Szene 3 Inhalt-Zitate-mp3 (Mat8010)

Was wir mit „hören-lesen-verstehen“ anbieten

Wir stellen hier im Folgenden die 3. Szene des III. Aktes von Schillers Drama „Wilhelm Tell“ vor.
Dabei geht es uns darum,
  • dass jeder schnell versteht, worum es geht,
  • die wichtigsten Textstellen kennt – und möglichst auch in der eigenen Ausgabe anstreichen kann,
  • was dadurch unterstützt wird, dass wir eine begleitende mp3-Datei bereitstellen, die man sich „auf die Ohren legen“ kann. Dann hat man die Augen und die Hände frei für den eigenen Text,
  • man sich klar darüber wird, welche Bedeutung diese Szene hat
  • und manchmal auch, was man mit dieser Szene machen könnte.

Übersicht über die Szene III,3: Der berühmte Apfel-Schuss

Thema der Szene:

Wie weit geht die Unterdrückung der Schweizer durch die Österreicher und wie kann man damit umgehen?

Voraussetzungen der Szene:
  1. Wilhelm Tell hat sich trotz der Warnungen seiner Frau mit seinem ältesten Sohn nach Altdorf aufgemacht, als wollte er das Schicksal herausfordern.
  2. Dort ist nach dem Willen des Vogts ein Hut aufgestellt worden, den die Schweizer genauso grüßen sollen wie den Vogt als Vertreter des Kaisers selbst.

Übersicht über die Abschnitte der Szene

  1. 1732ff:
    Friesshardt und Leuthold stehen als Wächter beim Hut und sprechen über ihre Aufgabe. Während der erstere keine Probleme damit hat, ist es dem zweiten doch recht peinlich und er erklärt in 1764:
    „Und du bist auch so ein dienstfertger Schurke,
    Und brächtest wackre Leute gern ins Unglück.
    Mag, wer da will, am Hut vorübergehn,
    Ich drück die Augen zu und seh nicht hin.“
  2. 1761:
    Frauen, die vorbeikommen, sind für die beiden Soldaten uninteressant. Friesshardt vertreibt sie mit den Worten (1768ff)
    „Wollt ihr vom Platz? Verwünschtes Volk der Weiber!
    Wer fragt nach euch? Schickt eure Männer her,
    Wenn sie der Mut sticht, dem Befehl zu trotzen.“
  3. Ab 1771:
    Dann taucht Wilhelm Tell mit seinem Sohn auf und der erkundigt sich erst mal, was es mit dem sogenannten „Bannwald“ auf sich hat.
    Er berichtet seinem Vater, was ihm ein Hirte erzählt hat:“WALTER zeigt nach dem Bannberg.
    Vater, ists wahr, dass auf dem Berge dort
    Die Bäume bluten, wenn man einen Streich
    Drauf führte mit der Axt?
    TELL.
    Wer sagt das, Knabe?
    WALTER.
    Der Meister Hirt erzählts – Die Bäume seien
    Gebannt, sagt er, und wer sie schädige,
    Dem wachse sein Hand heraus zum Grabe.“Wilhelm Tell macht dann klar, dass dieser Wald vor Eislawinen schützen soll.
    Daraufhin fragt sein Sohn noch, ob es eigentlich auch Gegenden ohne Berge gibt. Sein Vater bejaht das, beschreibt die Schönheit und Fruchtbarkeit dieser Gegenden, aber die Menschen sind dort nicht frei und müssen hohe Abgaben leisten.
    Ab 1809 wird dann deutlich, das bei diesen Menschen anders ist als bei ihnen als den Bewohnern der Berge:

    „WALTER.
    Sie können sich nicht mutig selbst beschützen?
    TELL.
    Dort darf der Nachbar nicht dem Nachbar trauen.
    WALTER.
    Vater, es wird mir eng im weiten Land,
    Da wohn ich lieber unter den Lawinen.
    TELL.
    Ja, wohl ists besser, Kind, die Gletscherberge
    Im Rücken haben, als die bösen Menschen.“

  4. Ab 1815 geht es dann um den Hut auf der Stange:
    Tell will wie immer keinen Streit:
    1816: „Was kümmert uns der Hut? Komm, lass uns gehen.“
    Aber da ist es schon zu spät: Es ist Friesshardt, der 1819 feststellt:
    „Ihr habts Mandat verletzt, Ihr müsst uns folgen.“
    Es gibt dann eine heftige Diskussion, an der immer mehr Menschen teilnehmen. Die Soldaten kommen in Schwierigkeiten, da erscheint der Vogt ab 1850 mit vielen Bewaffneten.
  5. Ab 1850 wird dem Vogt berichtet, was vorgefallen ist.
    Ab 1865 kommt es dann zum direkten Gespräch Tells mit dem Vogt:“GESSLER nach einer Pause.
    Verachtest du so deinen Kaiser, Tell,
    Und mich, der hier an seiner Statt gebietet,
    Dass du die Ehr versagst dem Hut, den ich
    Zur Prüfung des Gehorsams aufgehangen?
    Dein böses Trachten hast du mir verraten.
    TELL.
    Verzeiht mir, lieber Herr! Aus Unbedacht,
    Nicht aus Verachtung Eurer ists geschehn,
    Wär ich besonnen, hieß ich nicht der Tell,
    Ich bitt um Gnad, es soll nicht mehr begegnen.
    Anmerkung: Hier zeigt sich Tell noch nicht als Widerstandskämpfer.
    GESSLER nach einigem Stillschweigen.
    Du bist ein Meister auf der Armbrust, Tell,
    Man sagt, du nähmst es auf mit jedem Schützen?
    WALTER TELL.
    Und das muss wahr sein, Herr – ’nen Apfel schießt
    Der Vater dir vom Baum auf hundert Schritte.
    Anmerkung: Interessant ist hier, dass es der Junge ist, der den Vogt erst auf den gefährlichen Gedanken bringt.
    GESSLER.
    Ist das dein Knabe, Tell?
    TELL.
    Ja, lieber Herr.
    GESSLER.
    Hast du der Kinder mehr?
    TELL.
    Zwei Knaben, Herr.
    GESSLER.
    Und welcher ists, den du am meisten liebst?
    TELL.
    Herr, beide sind sie mir gleich liebe Kinder.
    GESSLER.
    Nun, Tell! weil du den Apfel triffst vom Baume
    Auf hundert Schritte, so wirst du deine Kunst
    Vor mir bewähren müssen – Nimm die Armbrust
    Du hast sie gleich zur Hand – und mach dich fertig,
    Einen Apfel von des Knaben Kopf zu schießen –
    Doch will ich raten, ziele gut, dass du
    Den Apfel treffest auf den ersten Schuss,
    Denn fehlst du ihn, so ist dein Kopf verloren.
    Anmerkung: Hier wird Tell vor die schlimmstmögliche Alternative gestellt: Er muss nicht nur schießen, sondern er muss auch noch richtig treffen. Sonst ist er auf jeden Fall verloren.
  6. Ab 1896 wird es noch schlimmer:
    „TELL.
    Ich soll
    Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt
    Des eignen Kindes zielen – Eher sterb ich!
    GESSLER.
    Du schießest oder stirbst mit deinem Knaben.“
    Anmerkung: Hier wird die abgründige Willkürherrschaft des Vogts besonders deutlich, denn das Kind kann ja nun nichts für die Tat des Vaters.
  7. Ab 1900 verhöhnt der Vogt dann noch Tell, als dieser es nicht verstehen kann, dass man einem Vaters so etwas zumuten kann:
    „GESSLER.
    Ei, Tell, du bist ja plötzlich so besonnen!
    Man sagte mir, dass du ein Träumer seist,
    Und dich entfernst von andrer Menschen Weise.
    Du liebst das Seltsame – drum hab ich jetzt
    Ein eigen Wagstück für dich ausgesucht.
    Ein andrer wohl bedächte sich – Du drückst
    Die Augen zu, und greifst es herzhaft an.“
  8. Ab 1910 greift Berta ein, die wir ja schon als eine Adlige kennengelernt haben, die gegen die Unterdrücker der Schweizer ist:
    Sie versucht, den Vogt zu besänftigen:“BERTA zum Landvogt.
    Lasst es genug sein, Herr! Unmenschlich ists,
    Mit eines Vaters Angst also zu spielen.
    Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben
    Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott!
    Er hätte jetzt zehnfachen Tod empfunden.
    Entlasst ihn ungekränkt in seine Hütte,
    Er hat Euch kennen lernen, dieser Stunde
    Wird er und seine Kindeskinder denken.“
  9. Ab 1930
    Der Vogt lässt sich aber nicht beeindrucken und bleibt bei seiner Linie, ja lässt sogar den Spruch los (1938):
    „Das Ziel ist würdig und der Preis ist groß!“
    Anmerkung: Hier wird regelrecht um ein Menschenleben gespielt.
  10. Ab 1943 wirft sich Tells Schwiegervater, der Großvater des Jungen, um dessen Leben es geht, vor dem Vogt nieder, bietet ihm seinen ganzen Besitz an.
    Aber der Vogt muss dazu gar nichts sagen, weil der Junge Vertrauen zu seinem Vater hat.
  11. Ab 1967 zeigt sich Melchthal mal wieder hitzig, möchte am liebsten mit Gewalt gegen den Vogt vorgehen. Aber es sind zu viele Soldaten anwesend.
    Ab 1980 wird es besonders dramatisch, weil Tells Hand angesichts der ungeheuren Anspannung zittert.
    Da greift ab 1993 Rudenz ein, der sich im Gespräch mit Berta ja schon innerlich auf die Seite der Schweizer gestellt hat, aber noch im Gefolge des Vogts ist.
    Ab 2003 erklärt er ganz offen, wofür er jetzt steht, ist sogar bereit, dem Vogt als Ritter den Fehdehandschuh hinzuwerfen und sich mit dem Schwert durchzusetzen.
    Dies hat Tell genutzt, um sich zu beruhigen, und mit der Armbrust den Apfel durchschossen.
  12. Alle sind begeistert, sogar Gessler erkennt den Meisterschuss an.
    Ab 2049 kommt dann noch eine Wende.
    Eigentlich könnte Tell jetzt frei gehen, aber der Vogt hat gesehen, dass er einen zweiten Pfeil bereitgelegt hat, und will nun wissen, was das sollte.
    Da er in 2056 dem Tell verspricht, ihm nicht ans Leben zu gehen, sagt der die Wahrheit:“TELL.
    Wohlan, o Herr,
    Weil Ihr mich meines Lebens habt gesichert,
    So will ich Euch die Wahrheit gründlich sagen.
    Er zieht den Pfeil aus dem Goller und sieht den Landvogt mit einem furchtbaren Blick an.
    Mit diesem zweiten Pfeil durchschoss ich – Euch,
    Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte,
    Und Eurer – wahrlich! hätt ich nicht gefehlt.“Daraufhin lässt der Vogt ihn verhaften:
    „GESSLER.
    Wohl, Tell! Des Lebens hab ich dich gesichert,
    Ich gab mein Ritterwort, das will ich halten –
    Doch weil ich deinen bösen Sinn erkannt,
    Will ich dich führen lassen und verwahren,
    Wo weder Mond noch Sonne dich bescheint,
    Damit ich sicher sei vor deinen Pfeilen.“
  13. Ab 2070: Als der Vogt darauf hingewiesen wird, dass er damit die Freiheitsrechte der Schweizer verletzt, antwortet der nur cool (2078ff)GESSLER.
    Wo sind sie? Hat der Kaiser sie bestätigt?
    Er hat sie nicht bestätigt – Diese Gunst
    Muss erst erworben werden durch Gehorsam.
    Rebellen seid ihr alle gegen Kaisers
    Gericht und nährt verwegene Empörung.
    Ich kenn euch alle – ich durchschau euch ganz –
    Den nehm ich jetzt heraus aus eurer Mitte,
    Doch alle seid ihr teilhaft seiner Schuld.
    Wer klug ist, lerne schweigen und gehorchen.“
  14. Den Schluss bildet ab 2086 ein Wortwechsel zwischen dem verhafteten Tell und seinem Schwiegervater und Stauffacher:“WALTER FÜRST in heftigem Schmerz.
    Es ist vorbei, er hats beschlossen, mich
    Mit meinem ganzen Hause zu verderben!
    STAUFFACHER zum Tell.
    O warum musstet Ihr den Wütrich reizen!
    TELL.
    Bezwinge sich, wer meinen Schmerz gefühlt!
    „STAUFFACHER.
    O nun ist alles, alles hin! Mit Euch
    Sind wir gefesselt alle und gebunden!
    LANDLEUTE umringen den Tell.
    Mit Euch geht unser letzter Trost dahin!
    LEUTHOLD nähert sich.
    Tell, es erbarmt mich – doch ich muss gehorchen.Den Schluss bildet Tells Ratschlag an seinen verzweifelten Sohn: (2096)
    „TELL hebt die Arme zum Himmel.
    Dort droben ist dein Vater! den ruf an!“

    Und als Stauffacher fragt, was er Tells Frau sagen soll, bekommt er zur Antwort (2098)
    „Der Knab ist unverletzt, mir wird Gott helfen.“

Die dramatische Situation am Ende der Szene:

  1. Wie seine Frau es befürchtet hat, hat Tells Gedankenlosigkeit ihn und seinen Sohn in eine tödliche Gefahr gebracht.
  2. Er kann sein Leben und das seines Sohnes zwar durch einen Meisterschuss retten.
  3. Ist dann aber wieder so unbedacht, dem Vogt die Wahrheit zu sagen, was den zweiten Pfeil angeht.
  4. So kann er doch noch verhaftet werden und fällt als wichtige Figur bei einem möglichen Aufstand erst mal aus.
  5. Erstaunlich ist, dass Tell im Gegensatz zu allen anderen freiheitsliebenden Schweizern anscheinend kein Problem mit dem Grüßen des Hutes hat.

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