Andreas Gryphius, „Grabschrift Marianae Gryphiae (Mat 4775)

Worum es hier geht:

Grabschrift Marianae Gryphiae
Brudern Pauli Töchterlein

  • Schon die Überschrift macht deutlich, dass es sich hier um ein ganz besonderes Gedicht handelt, nämlich ein sogenanntes Gelegenheitsgedicht. Dabei handelt es sich um einen poetischen Text, der dichterische Kennzeichen enthält, sich aber zunächst einmal auf einen konkreten Sachverhalt bezieht
  • In diesem Falle ist es die Inschrift auf dem Grabstein einer Tochter des Bruders von Andreas Gryphius.
  • Man kann gespannt sein, was ein solcher Dichter wie Andreas Gryphius aus dieser Situation macht.

Anmerkungen zu den Zeilen 1-4

  1. Geboren in der Flucht, umringt mit Schwert und Brand,
  2. Schier in dem Rauch erstickt, der Mutter herbes Pfand,
  3. Des Vatern höchste Furcht, die an das Licht gedrungen,
  4. Als die ergrimmte Glut mein Vaterland verschlungen.
  • Schon die erste Zeile macht deutlich, dass die Geburtsumstände bei diesem Mädchen äußerst ungünstig waren. Man kann davon ausgehen, dass es sich um eine Situation während des 30-jährigen Krieges gehandelt hat. Die Familie war offensichtlich auf der Flucht und wurde durch Kriege und Verwüstung bedroht.
  • Die nächste Zeile konkretisiert die Situation dann noch etwas weiter. Offensichtlich ist das Haus dieser Familien angesteckt worden und das Kind konnte aus dem Rauch nicht gerettet werden.
  • Es folgen zwei Zeilen, die aus Sicht zunächst der Mutter und dann des Vaters deutlich machen, welche Bedeutung dieses Kind für die Familie gehabt hat.
  • Die Anmerkung zur Mutter ist nicht sofort verständlich. Am besten nähert man sich über das Wort „Pfand.“ Das ist ja eine Leihgabe, die zurückgegeben werden muss. Im christlichen Sinne des 17. Jhdts könnte das so verstanden worden sein, dass ein Kind gewissermaßen eine Leihgabe Gottes darstellt, die man eben auch pfleglich behandeln soll.
  • Das Attribut „herb“ macht dann deutlich, dass das in diesem Falle nicht so einfach ist, weil dieses Kind eben nicht unter süßen, also positiven, nur erfreulichen Umständen zur Welt gekommen ist.
  • Wenn man das herausgearbeitet hat, versteht man auch besser, was mit der Furcht bei dem Vater gemeint ist. Zum einen natürlich tatsächlich die Sorge um das Kind, zum anderen, aber wohl auch das Gefühl der Pflicht, der Verantwortung gegenüber Gott.
  • Am Ende wird noch mal auf kunstvolle Art und Weise deutlich gemacht, was die besonderen Umstände der Geburt bedeutet: Da erblickt ein neuer Erdenbürger beziehungsweise eine Bürgerin, wie man so schön sagt, das Licht dieser Welt und dann wird sie maximal konfrontiert mit einer traurigen und gefährlichen Realität, die nicht nur den unmittelbaren Geburtsort bedroht. Man merkt hier schon, wie schwer es war, dieser Lage zu entfliehen.

Anmerkungen zu den Zeilen 5-8

  1. Ich habe diese Welt beschaut und bald gesegnet:
  2. Weil mir auf einen Tag all′ Angst der Welt begegnet.
  3. Wo ihr die Tage zählt; so bin ich jung verschwunden,
  4. sehr alt; wofern ihr schätzt, was ich für Angst empfunden!
  • Die zweite Hälfte des Gedichtes präsentiert dann aus der Sicht des Kindes eine sehr reife Einschätzung seines Lebens
  • Es betrachtet das tatsächlich als Glück, dass es in kurzer Zeit schon das Maximum möglichen Schreckens in der Welt erlebt hat
  • Damit ergibt sich jetzt die Situation, dass es jung vom Alter her gestorben ist, aber sehr alt, was die Summe der Erfahrungen angeht.

Zusammenfassung:

Insgesamt präsentiert das Gedicht aus der Sicht der Überlebenden Betrachtungen zum Tod eines jungen Menschen in schlimmen Zeiten.

Dabei wird besonders am Schluss deutlich, wie sehr das lyrische Ich versucht, die Perspektive des toten Kindes einzunehmen und auf dem Grabstein sichtbar zu machen.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos