August von Platen, „Luca Signorelli“ – die Liebe eines Malers zu seinem toten Sohn (Mat4971)

Worum es hier geht:

In diesem Gedicht geht es um das ungewöhnliche Verhalten eines berühmten Malers. Bei der Nachricht vom Todes seines Sohnes ist es sein einziges Interesse, ihn noch einmal zu malen. Die Beerdigung überlässt er der Kirche.

Das Gedicht ist u.a. hier zu finden.

Anmerkungen zum Titel:

  • Es ist sicherlich sinnvoll, die in dem Titel angesprochenen Namen zu recherchieren und in die Interpretation mit einzubeziehen.
  • Der Artikel in der Wikipedia macht deutlich, dass es sich um einen wichtigen Maler der Renaissance handelt.
  • Es gibt sogar ein Gemälde, das die entscheidende Situation versucht deutlich zu machen.
  • In einer Biografie des Malers findet man den folgenden Hinweis:
    „Man erzählt, daß Luca, als ihm in Cortona ein Sohn getötet wurde, der schönen Angesichts und Körpers war und den er sehr liebte, in seiner tiefen Betrübnis ihn entkleiden ließ und mit größter Seelenstärke, ohne eine Träne zu vergießen, abmalte, damit er, so oft er wolle, durch seiner eigenen Hände Arbeit das schauen könne, was die Natur ihm gegeben, ein feindliches Schicksal aber geraubt hatte.“

Anmerkungen zu Strophe 1:

  1. Die Abendstille kam herbei,
  2. Der Meister folgt dem allgemeinen Triebe;
  3. Verlassend seine Staffelei,
  4. Blickt er das Bild noch einmal an mit Liebe.
  • In der ersten Strophe geht es offensichtlich um einen Maler, der noch einmal das aktuelle Bild liebevoll anblickbt, bevor er geht.

Anmerkungen zu Strophe 2

  1. Da pocht es voll Tumult am Haus,
  2. Und ehe Luca fähig ist zu fragen,
  3. Ruft einer seiner Schüler aus:
  4. Dein einziger Sohn, o Meister, ist erschlagen!
  • Die zweite Strophe bringt dann eine dramatische Wendung des Geschehens
  • Denn der Maler muss zur Kenntnis nehmen, dass sein einziger Sohn erschlagen worden ist.

Anmerkungen zu Strophe 3

  1. In holder Blüte sank dahin
  2. Der schönste Jüngling, den die Welt erblickte:
  3. Es war die Schönheit sein Ruin,
  4. Die oft in Liebeshändel ihn verstrickte.
  • Die dritte Strophe deutet dann Hintergründe der Tat an.
  • Dieser Sohn ist nicht nur sehr schön gewesen, sondern er war auch häufig Teil von Liebeshändeln.
  • Darunter sind Auseinandersetzungen zu verstehen, die etwas mit Liebe zu tun haben.
  • Meistens kommt es zu so etwas, wenn mehrere Männer sich um eine Frau streiten.

Anmerkungen zu Strophe 4

  1. Vor eines Nebenbuhlers Kraft
  2. Sank er zu Boden, fast in unsrer Mitte;
  3. Ihn trägt bereits die Brüderschaft
  4. Zur Totenkirche, wie es heischt die Sitte.
  • Die 4. Strophe spricht auch von einem Nebenbuhler, also einem anderen Mann, der sich um die gleiche Frau bemüht.
  • Angedeutetwird ein Kampf, den der Sohn des Malers verloren hat
  • Dazu kommt die Information, dass der junge Mann wohl Angehöriger einer Gruppe ist, die ihn jetzt zur Totenkirche trägt.

Anmerkungen zu Strophe 5

  1. Und Luca spricht: O mein Geschick!
  2. So lebt ich denn, so strebt ich denn vergebens?
  3. Zunichte macht ein Augenblick
  4. Die ganze Folge meines reichen Lebens!
  • Diese Strophe zeigt die Reaktion des Malers. Für ihn ist alles, was er bisher geleistet hat, damit zu Nichte gemacht worden.

Anmerkungen zu Strophe 6

  1. Was half es, dass in Farb und Licht
  2. Als Meister ich Cortonas Volk entzückte,
  3. Mit meinem jüngsten Weltgericht
  4. Orvietos hohe Tempelhallen schmückte?
  • Als Beispiel führt der Maler zwei seiner Werke auf, die er jetzt seltsamerweise für wertlos hält
  • Offensichtlich ist für ihn nicht das entscheidend, was am Ende hergestellt worden ist. Vielmehr steht für ihn seine Beziehung zu den jeweiligen Werken im Vordergrund –
  • und die sieht er aktuell als zerstört an.

Anmerkungen zu Strophe 7

  1. Nicht Ruhm und nicht der Menschen Gunst
  2. Beschützte mich und nicht des Geistes Feuer:
  3. Nun ruf ich erst, geliebte Kunst,
  4. Nun ruf ich dich, du warst mir nie so teuer!
  • Hier macht der Maler deutlich, dass es ihm nie um Ruhm und Anerkennung gegangen ist.
  • Auch ist für ihn nicht entscheidend gewesen, welche großartigen Ideen er kunstvoll verwirklicht hat.
  • Dann die überraschende Wendung:
    Der Maler wendet sich jetzt an die Kunst und will anscheinend irgendeine Art von Ersatz schaffen
  • Als Leser vermutet man, dass es um irgendein neues Werk geht, das für diesen Maler wieder eine persönliche Bedeutung hat.

Anmerkungen zu Strophe 8

  1. Er spricht’s, und seinen Schmerz verrät
  2. Kein andres Wort. Rasch eilt er zur Kapelle,
  3. Indem er noch das Malgerät
  4. Den Schülern reicht, und diese folgen schnelle.
  • Der Maler geht auch gleich ans Werk.
  • Das soll anscheinend in der Totenkirche entstehen,
  • Seine Schüler folgen ihm, wie es für diese Malerschulen der Renaissance typisch war.

Anmerkungen zu Strophe 9

  1. Zur Kirche tritt der Greis hinein,
  2. Wo seine Bilder ihm entgegentreten,
  3. Und bei der ewigen Lampe Schein
  4. Sieht er den Sohn, um den die Mönche beten.
  • In der Kirche sieht der Maler frühere Bilder, die er gemalt hat.
  • Dazu jetzt die aufgebahrte Leiche seines Sohnes.

Anmerkungen zu Strophe 10

  1. Nicht klagt er oder stöhnt und schreit,
  2. Kein Seufzer wird zum leeren Spiel des Windes,
  3. Er setzt sich hin und konterfeit
  4. Den schönen Leib des vielgeliebten Kindes.
  • Hervorgehoben wird, dass jetzt Trauerund Schmerz zurücktreten
  • Und der Maler sich ganz auf seine Arbeit konzentriert.

Anmerkungen zu Strophe 11

  1. Und als er ihn so Zug für Zug
  2. Gebildet, spricht er gegen seine Knaben: [die Malerschüler]
  3. Der Morgen graut, es ist genug,
  4. Die Priester mögen meinen Sohn begraben.
  • Die Ballade endet etwas unspektakulär.
  • Entscheidend für diesen Maler ist anscheinend nur, dass sein letzter Eindruck von seinem Sohn bildlich festgehalten wird.
  • Das Begräbnis selbst interessiert ihn nicht, das überlässt er den Priestern.

Insgesamt eine Ballade,

  • die eine außergewöhnliche Beziehung eines Malers zu seinen Werken und zu seinem Sohn deutlich macht.
  • Man kann sicherlich darüber diskutieren, wie man mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen kann.
  • Denn die Trauer ist die eine Seite, die Fortsetzung des eigenen Lebens ist eine andere und sehr notwendige .
  • Offen bleibt die Frage, wie der Maler mit seinen weiteren Werken umgehen wird.
  • Am Anfang ist ja deutlich geworden, dass er offensichtlich wirklich eine innere Beziehung hat zu seinen Bildern.
  • Von daher ist zu erwarten, dass es hier in dieser Ballade nur um einen sehr originellen Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschen geht.
  • Diesem Maler ist anscheinend zumindest noch eine Liebe geblieben.
  • Fraglich bleibt, warum er alles bisher Geschaffene infrage stellt.
    • Möglicherweise soll hier entweder eine Rangordnung verdeutlicht werden.
    • Oder aber es geht lediglich um den Ausdruck eines momentanen Schmerzes in einer solchen Verlustsituation.

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