Worum es hier geht:
Im Folgenden wollen wir zeigen, wie man ein Gedicht der Barockzeit schnell verstehen kann.
Es geht um das Gedicht „Die Muscat-Hyazinthe“ von Barthold Heinrich Brockes.
Es ist u.a. hier zu finden.
Schauen wir uns das Gedicht mal genauer an:
Die Muscat-Hyazinthe
- Über die Blume, um die es hier geht, kann man sich z.B. hier informieren.
Du fast von Farb‘ und Form‘ entblößtes Frühlings-Kind,
—
Anm: Die Blume wird direkt angesprochen – und zwar in einer Situation, in der sie ihre Schönheit verloren hat. Die hatte sie nur im Frühling – und der ist jetzt vorbei.
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An welchem ich nichts, als ein falbes Grau,
Ein schmutzig grünlichs Braun, ohn‘ allen Zierrat, schau,
Du unansehnliche Muscaten-Hyacinth!
—
Anm: Hier wird die Hässlichkeit der aktuellen Erscheinung angesprochen, schmutziges Grün-Braun, ohne schöne Verzierungen – im Sinne von Details.
Jetzt ist die Blume für das lyrische Ich unansehnlich.
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Du siehst, im bunten Blumen-Reich,
Kaum einer Blume gleich,
Und dennoch bricht aus dir
Ein recht balsamischer Geruch herfür,
Der dem Ceylonischen Gewürtze fast nicht weicht,
Und holdem Ambra selbst an süßer Stärke gleicht.
—
In diesen Zeilen wird diese spezielle Blume als Mitglied eines ganzen Reiches betrachtet und da steht sie ganz am Rande.
Dann der Gegensatz, nämlich der Hinweis auf den besonders intensiven Geruch dieser Blume, die als Balsam, also als schön empfunden wird.
Verglichen wird er mit Gewürzen aus Ceylon, die Europäern besonders duftintensiv erschienen.
Gleichgesetzt wird es dem Ambra, was süße Stärke angeht.
—
Du dienest mir, zu GOTTES Preise,
Zum unumstößlichen Beweise
Der nicht zu zählenden Veränd’rung der Figuren
In seinen schönen Kreaturen,
Und dies vermehrt des Schöpfers Ehre.
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Typisch für die Barockzeit wird jetzt ein religiöser Bezug hergestellt. Die Blume wird erwähnt, weil sie und ihre Besonderheit für etwas steht – nämlich der vielfältigen Wandlungen in der Schöpfung. Letztlich wird damit der Schöpfer noch größer und hat man ihn noch mehr zu verehren.
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Im weltlichen gibst du mir diese Lehre:
Man lasse sich den äußerlichen Schein
Doch keinen Fall-Strick sein!
Denn ein geflicktes Kleid und schmutz’ger Mantel decket
Gar oft ein Herz, in welchem Weisheit stecket.
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Nachdem der himmlische Bereich abgehandelt worden ist, kommt eine Erkenntnis , eine Lehre, für diese Welt:
Man soll sich nicht zu sehr an Äußerlichkeiten halten – und das wird dann auf soziale Verhältnisse bezogen: Äußere Zeichen der Armut können durchaus mit einem weisen Herzen einhergehen.
—
Insgesamt ein Gedicht, das ein Phänomen der Natur herausgreift, um zum einen die Größe des Schöpfers hervorzuheben. Zum anderen plädiert dieses Gedicht für ein genaueres Hinsehen bei Mitmenschen, wobei der äußere Glanz nicht so wichtig ist wie das Herz.
Das ist eine Vorstellung, die einen schon an die Zeit des Sturm und Drang erinnern kann – dort würde dieser Aussagekern aber wohl sehr prägnanter, um nicht zu sagen: explosiver präsentiert werden.
Das könnte man einfach mal ausprobieren – einfach typische Sturm- und Drang-Gedichte lesen – und deren Ton dann auf die Aussage dieses Gedichtes übertragen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
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https://amp.mein-schoener-garten.de/pflanzen/traubenhyazinthen