Schnell durchblicken: Bertolt Brecht, Schlechte Zeit für Lyrik (Mat4976)

Worum es hier geht:

Im Folgenden stellen wir das Gedicht „Schlechte Zeit für Lyrik“ von Bertolt Brecht vor, das sich mit der Frage beschäftigt, wie man dichterisch auf Zeiten der Gefahr oder der Not reagieren kann.

Dazu kann man gut ein Gegengedicht schreiben.

Das Gedicht ist u.a. hier zu finden:
https://www.deutschelyrik.de/schlechte-zeit-fuer-lyrik-1939.html

Anmerkungen zum Titel

  • Das lyrische Ich behauptet, dass es für Lyrik, also Gedichte, eine schlechte Zeit sei oder gebe.
  • Man ist gespannt, wie das im Gedicht begründet wird.

Anmerkungen zu Versgruppe 1

  • Das Gedicht beginnt mit einer These, der man nicht unbedingt zustimmen muss.
  • Behauptet wird, dass nur glückliche Menschen beliebt sind.
  • Das gilt natürlich nur bis zu einem bestimmten Punkt: Menschen können mit der Verkündung ihres Glücks auch nerven. Schließlich gibt es so etwas wie Neid.
  • Akzeptiert man aber die Aussage, dann könnte das im Hinblick auf den Titel bedeuten, dass man jetzt in unglücklichen Zeiten lebt und dementsprechend wird man auch nicht gerne gehört.
  • Auch hier gilt, dass ein unglücklich Liebender durchaus getröstet werden kann, wenn ein anderer vergleichbaren Schmerz wunderbar oder zumindest nachvollziehbar ausgedrückt hat.
  • Aus dem Drama „Torquato Tasso“ von Goethe stammt der Satz:
    „Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, / Gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide.“
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Dramen/Torquato+Tasso/5.+Akt/5.+Auftritt

Anmerkungen zu Versgruppe 2

  • In dieser Strophe geht es um Ungerechtigkeit, die jemandem zugefügt wird, der an seinem schlechten Aussehen keine Schuld trägt.
  • Unklar bleibt hier die letzte Zeile. Das lyrische Ich scheint der Beschimpfung zuzustimmen.
  • Brecht als Verfasser kann das nicht entschuldigen mit dem Hinweis darauf, gegen den Grund für das schlechte Aussehen hätte der Baum was tun können – da ist das sprachliche Bild genau falsch gewählt, während Menschen größere Möglichkeiten haben, ihr Äußeres positiv darzustellen.

Anmerkungen zu Versgruppe 3

  • Hier präsentiert das lyrische Ich seine verengte Perspektive: Offensichtlich hat es Mitgefühl mit einem Fischer, dessen Netz zerrissen ist.
  • Die nächsten beiden Zeilen machen dann deutlich, dass es dem lyrischen Ich anscheinend darum geht, Dinge, die nicht schön sind, offen anzusprechen.
  • Das wäre dann eine Erklärung für die These der ersten Strophe und für den Titel.
  • Etwas überraschend drückt das lyrische Ich seine Freude über die wie immer warmen Brüste von Mädchen aus.
  • Offensichtlichwill das lyrische Ich hier auf andere Themen verweisen, die besser ankommen.

Anmerkungen zu Versgruppe 4

  • Hier geht es dem lyrischen Ich um die Schönheit eines von ihm geschriebenen Liedes.
  • Er lehnt das offensichtlich ab – getreu dem Motto: Wenn ich schon Hässliches beschreibe, dann sollte die Beschreibung nicht schön sein.
  • Das wäre übrigens eine interessante Gegenposition zum poetischen Realismus des 19. Jhdts. Dessen Vertreter wollten ja gerade eine künstlerische Absicherungslinie gegenüber allem Hässlichen beachten, es gewissermaßen „aufhübschen“.

Anmerkungen zu Versgruppe 5

  • Am Ende macht das lyrische Ich deutlich, dass sich in ihm zwei Elemente der Außenwelt streiten:
    • Der Apfelbaum steht dabei für alles Schöne, bsd. in der Natur.
    • Der Anstreicher ist Brechts Anspielung auf Hitler. Der hatte sich in seiner Jugend als Maler Geld verdient – aber als Maler von Postkarten.
  • Es wäre zu prüfen, ob Brecht hier ein Versehen unterlaufen ist – oder ob er einen bewussten Akzent setzen will – nach dem Motto: Da streicht einer die Realität in seinem Sinne.
  • Entscheidend ist, dass das lyrische Ich in den Zeiten, in denen es lebt, sich nicht um Naturschönheit kümmern und sie beschreiben will. Sondern ihm geht es offensichtlich darum, politische zu schreiben, um etwas zu verhindern, was er für ein Verhängnis hält und was sich dann ja auch so präsentiert hat – zwischen Auschwitz und Stalingrad.

Zusammenfassung: Ausage

  • Offensichtlich dient dieses Gedicht der Selbstvergewisserung und vielleicht auch Verteidigung.
  • Man kann sich gut eine Kommunikationssituation vorstellen, in der es gefragt worden ist: „Kannst du nicht auch mal was Schönes schreiben?“
  • Für das lyrische Ich und indirekt wohl auch den Schriftsteller Brecht wäre das eine falsche Akzentsetzung:
    Es/Er lebt nicht in einer Zeit des Glücks – warum dann ein kleines, weniger wichtiges Glück beschreiben?
  • Deutlich wird, dass das Interesse des lyrischen Ichs in erster Linie denen gilt, die in Not oder in anderen Schwierigkeiten sind.
  • Daraus zieht es/er die Konsequenz, auch ein Gedicht nicht allzu schön aussehen zu lassen.
  • Es/Er macht deutlich, dass es/er sich durchaus an der Schönheit der Natur erfreuen kann, aber das Schreiben soll wichtigeren Zwecken dienen.

Zusammenfassung: Kritik und Kreativität

  • Man kann das die Position eines Dichters natürlich akzeptieren.
  • Aber wie oben schon angedeutet worden ist: Wer am offenen Grabe einer befreundeten Familie sein eigenes Glück beschreibt, kommt wohl weniger gut an als jemand, der von seinem eigenen Erleben aus Mitgefühl zeigt.
  • Die besten Beispiele stammen aus Notzeiten, in denen Dichter die Betroffenen ermutigt haben. Soll man in Zeiten des Mangels nicht den Tisch dekorieren? Soll man sich nicht für ein kleines freudiges Ereignis im Sturm schlimmer Ereignisse möglichst schön kleiden?
  • Hier nur eine kleine Sammlung von Sprüchen, die Mut machen sollen:
    https://majowis.de/magazin/kraftgebende-sprueche-und-zitate/
    Aus dem einen oder anderen könnte man bestimmt ein richtiges Gedicht machen.
  • Damit sind wir eigentlich schon im Bereich der Kreativität – denn zu der im Gedicht von Brecht formulierten Situation und Position könnte man bestimmt ein Gegengedicht schreiben.
  • Vielleicht lohnt sich auch ein Gedicht, das die Perspektive des verkrüppelten Baums aufnimmt und daraus etwas Ermutigendes macht.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos