Schnell durchblicken: Die literarische Erörterung – mit und ohne Textvorlage (Mat555)

Worum es hier geht:

Vorstellung verschiedener Varianten der „literarischen Erörterung“ – mit und ohne zusätzlichen Sachtext

Die Anleitungen für Schüler sind im Zusammenhang mit der Besprechung von Goethes „Faust“ entstanden – vieles lässt sich aber auch unabhängig von diesem konkreten Bezug nutzen.

Einen Sachtext mit Bezug auf einen literarischen Text erörtern (Aufgabenart IIIb)

Worum geht es? Teil: 1: Was heißt „literarische Erörterung“?

  1. Erörterung = umfassende Klärung einer Entscheidungs- oder Problemfrage (Schuluniform: Ja oder Nein; Wie kann man die Selbstständigkeit von Schülern fördern?)
  2. Neben solchen Sachfragen gibt es auch Interpretationsfragen im Hinblick auf literarische Texte
    1. Ohne Zusatztext: Einfachster Fall: Wie ist eine Textstelle zu verstehen?
      Faust: Prolog im Himmel: „Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, / Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“ Bedeutet das, dass Mephisto ohne jede Chance ist?
    2. Ohne Zusatztext: Umfassender Fall: „Ist Faust ein Versager?“: Dann muss man selbst klären, was ein Versager ist, und überprüft dann seine Handlungsweise und deren Ergebnisse.
    3. Mit Zusatztext: „Juristische Erörterung“: Es werden einem Kriterien gegeben (wie z.B. Menschenbild der Antike und Menschenbild der Neuzeit): Die muss man auf ein Werk, z.B. Goethes Faust anwenden.
    4. Mit Zusatztext: „Thesen-Erörterung“: Man bekommt einen Sachtext geliefert, in dem eine These vertreten wird: Zum Beispiel: „Goethes Faust ist überholt und hat uns heute nichts mehr zu sagen.“

Worum geht es? Teil: 2: Welche Teilleistungen müssen erbracht werden?

  1. Zunächst einmal muss der Sachtext ausgewertet werden mit dem Ziel, Thema=Problemfrage und Position/These des Autors herauszubekommen, mit der zugehörigen Argumentation
  2. Am Ende sollte eine akzentuierende Zusammenfassung stehen (Intention)
  3. Weil man im Fach Deutsch immer auch auf das „Wie“, die Darstellungsweise eingehen sollte, sollte man auch dazu etwas sagen: Wie sachlich oder polemisch ist der Text? Inwieweit wird mit berechtigten oder auch problematischen rhetorischen Mitteln gearbeitet?
  4. Dann braucht man eine Überleitung zum literarischen Text
  5. Anschließend muss man prüfen, inwieweit der Ausgangstext etwas beiträgt zum Verständnis des literarischen Textes
  6. Zusätzlich sollte man eigene Überlegungen einbringen – leicht fällt das, wenn der Ausgangstext Gegenargumente weggelassen hat.
  7. Zusammenfassung der Problemklärung am Ende, ggf. noch einmal mit explizitem Rückgriff auf den Ausgangstext („Hat wenig beigetragen!“, „Hat in die Irre geführt.“ „Hat eine wertvolle Anregung geliefert, die aber noch ergänzt/präsentiert werden musste.“ Usw. Hier kann auch noch mal auf die sprachlich-rhetorische Eigenart des Sachtextes eingegangen werden.
  8. Evtl. weiterführende Überlegungen, auf die im Rahmen der Klausur nicht mehr eingegangen werden kann – z.B. weil man recherchieren müsste.

Worum geht es? Teil: 3: Worauf sollte man achten?

  1. Nicht gleich losschreiben, sondern erst mal eine Stoffsammlung/Gliederung anlegen – möglichst mit Zeitplanung
  2. Methodisches Vorgehen sichtbar machen, zum Beispiel durch Verdeutlichung entsprechender Gelenkstellen
  3. Auf Texttransparenz achten: Es muss immer klar sein, worauf man sich bezieht (Zitate, Verweise): Vorsicht: kein Zitat spricht für dich, immer erläutern!
  4. Absätze zur besseren Übersicht
  5. Vermeidung von bloßen Paraphrasen, also die reine Wiedergabe eines Textes in eigenen Worten, ohne auf seinen Aufbau, seine Argumentation oder seine Sprache genauer einzugehen. Tipp: Analyse nicht streng am Text entlang, sondern nach Aspekten gliedern und Gelenkstellen der Analyse deutlich machen (s.o.)

Checkliste für die Erörterung eines Sachtextes mit Bezug auf einen literarischen Text (A IIIb)

Vorbemerkung: Die folgende Checkliste sieht sehr umfangreich aus – „Leute mit Ahnung“ brauchen sich aber eigentlich nur die fett markierten Stellen anschauen. Wenn es dazu noch Fragen gibt, kann man auf die Erläuterung mit Beispiel zurückgreifen.

 

  1. Einleitung
    1. Ist in der Einleitung auf Autor, Titel, Textsorte, Erscheinungsjahr und -sofern möglich- Publikationsort (Buch, Sammelband, Zeitschrift eingegangen worden.
      Wichtig ist dabei vor allem, wie alt/überholt ist der Text und wie sieht es mit der Kompetenz aus? (Germanistikprofessor müsste davon mehr haben als z.B. ein Blogger).
    2. Ist das Thema des Sachtextes als Frage bzw. Problemstellung formuliert worden?
      z.B. Menschenbild der Moderne im Vergleich zu dem der Antike zwischen Begrenztheit und Autonomie
    3. Ist die grundsätzliche Position des Textes benannt worden? (Die Intention des Autors sollte man auch bei Sachtexten lieber beiseitelassen, vielleicht wollte er primär Geld verdienen 😉
      z.B. Die Vorstellung von einem selbstbewussten, sein eigenes Schicksal dynamisch gestalteten Menschen, der damit die Rolle einnimmt, die früher Gott hatte.
  2. Analyse des Sachtextes
    1. Ist der Gedankengang bzw. das Gedankengebäude des Textes vorgestellt worden?
      Wenn ein Text gut aufgebaut ist, dann Gedankengang
      Wenn ein Text chaotisch ist, dann eher zeigen, wie die Bausteine sich zu einem Gebäude zusammenfügen lassen (wie bei einem Puzzle)
    2. An welchen Stellen sieht man, dass der Dreischritt der „paraphrasefreien“ Erläuterung eingehalten worden ist: Textzeilenbezug, Funktion des Abschnitts, Inhalt mit eigenen Worten
      z.B. In den Zeilen 1-12 wird verdeutlicht, dass das Menschenbild einer Zeit von ihr abhängig ist, was auf Veränderungen hinausläuft.)
    3. Gibt es Hinweis auf die Gelenkstellen der Klausurlösung? Nachdem … soll nun …
    4. Sind die Ausführungen am Text belegt? Abschnittsgrenzen; Verweise nur als Beleghinweise, wörtliche Zitate, wenn die Formulierung eine besondere Bedeutung hat.
    5. Ist darauf eingegangen worden, inwieweit die sprachliche Darstellung die Klarheit der Gedanken und die Überzeugungskraft der Argumente unterstützt? (Also nicht irgendwelche Stilmittel auflisten, sondern prüfen, inwieweit die Darstellung eine wichtige Funktion hat! Ist sie polemisch? Verliert sie sich in Einzelheiten? Ist sie systematisch aufgebaut? usw.)
  3. Gibt es eine abschließende Zusammenfassung des Sachtextes und eine Überleitung zur Erörterung mit Blick auf den literarischen Text?
    Z.B: Nachdem der Autor die „Entgrenzung“ des modernen Menschen, ja seine Gottgleichheit entwickelt hat, soll geprüft werden, inwieweit Goethes Faust tatsächlich ohne Grenzen agiert und mehr oder weniger an die Stelle Gottes tritt, also allmächtig ist und sich seine eigenen Gesetze gibt. (Damit hätte man auch schon methodische Hinweise, wie man das Problem der Klärung lösen will).
  4. Erörterung
    1. Sind die entscheidenden Gedanken des Ausgangstextes im Hinblick auf den literarischen Text geprüft worden? (Ist Faust grenzenlos? Macht er sich selbst zum Herrn der Welt, des Lebens, wie ein Gott? Ist er autonom, also selbstbestimmt?
    2. Sind eigene Überlegungen in die Klärung der Frage eingeflossen, auf die der Sachtext nicht eingegangen ist?
    3. Gibt es im darstellerische Highlights in der Klausur, z.B. „Bei der Frage der Autonomie Fausts hört man innerlich schon das Lachen Mephistos“ ;-). Oder : Mit der Gottgleichheit Fausts kann es nicht weit her sein, wenn er im Prolog im Himmel als „Knecht“ bezeichnet wird. Allerdings darf Faust mit Mephisto zusammen schon einiges anstellen in Faust I. Am Ende wird aber schon angedeutet, wer letztlich das Sagen hat „Ist gerettet!“
  5. Fazit am Ende: Inwieweit leistete der Ausgangstext etwas zur Klärung der Problemfrage? (Zustimmen, ablehnen, ergänzen, differenzieren)
    Ist herausgestellt worden, was die eigene Zusatzleistung ist – über das im Sachtext Gebotene hinaus?