Georg Heym, Umbra vitae – der sichere Weg zur Interpretation (Mat2317)

Das Gedicht „Umbra vitae“ ist besonders gut zum Einstieg in das Thema „Expressionismus“ geeignet, weil es den Einbruch des Ungeheuren in die Welt der Menschen am Beispiel eines Kometen deutlich macht.

Wir zeigen, welche Akzente dabei gesetzt werden und welcher Eindruck sich am Ende ergibt.

Anmerkungen und Beobachtungen:

  1. Schon der Titel gibt einen ersten Hinweis: Hier fällt ein Schatten auf das Leben – oder er wird sichtbar.
  2. Ausgangspunkt ist das Erscheinen eines Kometen: Die damit verbundenen Irritationen haben wir gelb markiert.
  3. Grün sind die scheinbar sicheren Dinge der Menschen, mit denen man so einem Phänomen begegnen kann – oder zumindest meint, es zu können.
  4. Rot markiert ist dann alles, was sich als realer Untergang herausstellt.
  5. Schaut man sich den Ablauf an, fällt Folgendes auf:
    1. Alles beginnt mit einer besonderen Erscheinung, die potenziell als bedrohlich wahrgenommen wird (Strophe 1), vor allem aber erst mal untersucht werden soll (Strophe 2).
    2. Die dritte Strophe zeigt dann wie im Mittelalter Krankheit und Tod, was mit der Himmelserscheinung in Verbindung gebracht wird.
    3. Die Strophen 4-6 beschäftigen sich mit Selbstmördern, zeigen ihr Leiden und ihren Tod – unter ziemlich schlimmen Umständen.
    4. Die Strophen 7 und 8 zeigen am Beispiel der Meere und der Natur, dass alles in Unordnung geraten ist, nicht mehr funktioniert.
    5. Die vorletzte Strophe wendet sich dann dem Sterben der Menschen zu.
    6. Die letzte Strophe geht noch einmal auf das menschliche Leben ganz allgemein ein – auch unabhängig von solch einem extremen Zeitpunkt. Hier wird der Titel noch mal aufgenommen. Das Leben der Menschen ist „überschattet“, bleibt bedrückt.
    7. Nur die letzte Zeile deutet an, dass es sich bei all dem, was im Gedicht beschrieben wurde, möglicherweise nur um einen Albtraum gehandelt hat, den man beim Erwachen abstreifen kann. Ein bedrückender Erinnerungsrest bleibt aber wohl bestehen.
  6. Insgesamt zeigt das Gedicht, wie ein besonderes Ereignis plötzlich schlimme Folgen zeigt, alles durcheinander bringt. Möglicherweise ist der Komet aber auch nur so eine Art Katalysator, der das kurzzeitig zum Vorschein und ins Bewusstsein gilt, was man normalerweise verborgen hält.
    Der Schluss kann dann so verstanden werden, dass man diesen kurzen Moment der Einsicht in die Wirklichkeit wieder abstreift, aber nicht völlig verschwinden lassen kann.

An dieser Stelle kann man eine Doppelzeile aus dem Gedicht „Was kommt ihr, weißen Falter“ desselben Autors heranziehen:

„Weh dem, der sterben sah! Er trägt für immer
Die weiße Blume bleiernen Entsetzens.“

Hier wird ganz klar, dass man existenzielle Erlebnisse von Vergänglichkeit und Tod nie mehr ganz wieder abstreifen und vergessen kann.

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