Georg Trakl, „Dämmerung“ – die nur noch negative Sicht (Mat 4728)

Worum es hier geht:

Trakts Gedicht „Dämmerung“ geht weit über das hinaus, was man normalerweise darunter versteht.

Es ist zwar noch der Zeitpunkt, wenn der Tag langsam endet, aber was dann geschildert wird, sind Varianten von Krankheit und Zerfall, aus denen es kein Entkommen zu geben scheint.

Der Text des Gedichtes mit Erläuterung

Georg Trakl

 Dämmerung

01: Im Hof, verhext von milchigem Dämmerschein,
02: Durch Herbstgebräuntes weiche Kranke gleiten.
03: Ihr wächsern-runder Blick sinnt goldner Zeiten,
04: Erfüllt von Träumerei und Ruh und Wein.

  • Die erste Strophe beschreibt offensichtlich den Hof eines Krankenhauses, in dem sich Patienten an bessere Zeiten erinnern.
  • Betont wird eine Dämmerung, die dem lyrischen Ich „verhext“ vorkommt.

 

05: Ihr Siechtum schließt geisterhaft sich ein.
06: Die Sterne weiße Traurigkeit verbreiten.
07: Im Grau, erfüllt von Täuschung und Geläuten,
08: Sieh, wie die Schrecklichen sich wirr zerstreun.

  • Die zweite Strophe verstärkt den düsteren Eindruck und bezieht hier sogar die Sterne mit ein.
  • Am Ende die Anrede des Lesers, der darauf aufmerksam gemacht wird, wie die kranken Menschen sich zerstreuen.
  • Das Ganze kommt dem lyrischen Ich schrecklich und „wirr“ vor.

 09: Formlose Spottgestalten huschen, kauern
10: Und flattern sie auf schwarz-gekreuzten Pfaden.
11: O! trauervolle Schatten an den Mauern.

  • Die dritte Strophe bringt eine Kombination von Verachtung und Trauer.
  • Das ist eine ziemlich genaue Beschreibung eines gemischten Gefühls, das man beim Anblick von Kranken mit diesen Symptomen haben kann.

 12: Die andern fliehn durch dunkelnde Arkaden;
13: Und nächtens stürzen sie aus roten Schauern
14: Des Sternenwinds, gleich rasenden Mänaden

  • In der letzten Strophe wird noch auf eine spezielle Gruppe verwiesen, die flieht und dann auf bedrohliche Art und Weise wiederkommt.
  • Das kann real gemeint sein, könnte aber auch eine nachträgliche Angstfantasie sein.
  • Die Anspielung auf die Mänaden bezieht sich auf die rasenden und betrunkenen Begleiterinnen des antiken Weingottes Dionysos, der auch für Orgien zuständig war.

Das Besondere dieses Gedichtes besteht darin, dass es von einem wahrscheinlich gegebenen konkreten Anlass aus sich in wilden Spekulationen ergeht, die es mit diesen kranken Menschen und ihrem Verhalten verbindet.

Zu Form und Bedeutung des Sonetts

Gedichtform mit vier Strophen – besonders im Barock beliebt, aber auch in anderen Epochen zu finden.

  • Zwei Quartette – mit jeweils vier Verszeilen
  • Zwei Terzette – mit jeweils drei Verszeilen.
  • Häufig enthalten die Quartette eine Situationsbeschreibung
  • und die Terzette ziehen darauf die Konsequenz.

Anwendung auf dieses Gedicht:

  • Die Quartette enthalten vorwiegend eine Beschreibung der Situation.
  • Die Terzette werten das dann, zum einen im Sinne von Mitgefühl („trauervolle Schatten“), dann aber auch mit einem gewissen Schauder, wenn von „rasenden Mänaden“ die Rede ist.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

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