Schnell durchblicken: Johann Martin Miller, „Lied eines Gefangnen“ (Mat4956)

Worum es hier geht:

Zu finden ist das Gedicht u.a. hier.

Anmerkungen zu Strophe 1

  1. Hier lieg‘ ich, und der Bube ruht
  2. In seiner Huren Arm!
  3. Trinkt, Freiheit, sich in deinem Blut
  4. Zu neuen Lüsten warm!
  • Beginn mit einer Situationsbeschreibung des Gefangenen
  • Kontrast zwischen dem eigenen Leid und dem „Buben“, im Sinne von Schurken, der im Arm einer Hure liegt.
  • Seine Freiheit hat was mit dem Blut des Gefangenen zu tun
  • Perspektive = weitere lustvolle Untaten

Anmerkungen zu Strophe 2

  1. Klirr, Fessel, nur! Du klagest nicht
  2. Vor meinem Gott mich an!
  3. Nicht Donner werden am Gericht
  4. Mich rächerisch empfahn!
  • Behauptung der eigenen Unschuld
  • die aber nur vor Gott
  • und damit beim Jüngsten Gericht zählt
  • Offensichtlich rechnet der Gefangenen nicht mit seiner Freilassung auf Erden

Anmerkungen zu Strophe 3

  1. Von euch, ihr Leidenden, gesandt,
  2. Trotzt‘ ich des Fürsten Wut;
  3. Sprach kühn für dich, o Vaterland,
  4. Und für der Unschuld Blut.
  • Der Gefangenen sieht sich als ein Vertreter von Menschen, die leiden
  • und zwar unter der Wut eines Fürsten
  • Er hat sich für das Vaterland eingesetzt und für Gerechtigkeit.

Anmerkungen zu Strophe 4

  1. Du, Fluch der Seufzer, schalltest ihm
  2. Wie Donner in sein Ohr;
  3. Da schwoll in wildem Ungestüm
  4. Sein niedres Herz empor.
  • Beschrieben wird der Ärger, der wohl den Fürsten erfasst hat, als ihm das Leiden seiner Untertanen vorgetragen wurde.
  • Zu erwarten ist irgendeine zornige Tat.

Anmerkungen zu Strophe 5

  1. Ha! Fessel, du der Wahrheit Lohn,
  2. Hier kettest du mich an,
  3. Wo hundert Freiheitssöhne schon
  4. Dem Schwert entgegen sahn.
  • Der Gefangene spricht direkt seine Fesseln an
  • und sieht sie als „der Wahrheit Lohn“
  • Angedeutet wird, dass die Gefangenschaft sogar in eine Hinrichtung münden könnte – wie bei vielen Freiheitskämpfern vorher.

Anmerkungen zu Strophe 6

  1. O Geister der Erwürgten, eilt
  2. Aus eurer Gruft empor!
  3. Umzingelt seine Ruh, und heult
  4. Ihm eure Flüche vor!
  • Der Gefangene bittet die Geister der Getöteten darum, dem Fürsten die Ruhe zu nehmen
  • indem sie ihn verfluchen.

Anmerkungen zu Strophe 7

  1. Zurück! Im blut’gen Kleid erwacht
  2. Das düstre Morgenrot,
  3. Vollendet meine letzte Nacht,
  4. Und weissagt meinen Tod!
  • Der Morgen erscheint
  • und der Gefangene erwartet seinen Tod.

Anmerkungen zu Strophe 8

  1. O leite du, Religion,
  2. Mich an den Blutaltar!
  3. Da reicht mir deine Tochter schon,
  4. Die Freiheit, Palmen dar!
  • Der Gefangene möchte von der Religion zur Hinrichtungsstätte begleitet werden.
  • Er wendet sich hier wohl Gott.
  • Er erwartet dann im Tod seine Freiheit.

Zusammenfassung

  1. Das Gedicht präsentiert die Gedanken und Gefühle eines Gefangenen,
  2. der für andere beim Fürsten – wohl in der Zeit des Absolutismus – eingetreten ist.
  3. Damit erregte er dessen Ärger, wurde eingekerkert und muss seine Hinrichtung am nächsten Tag erwarten.
  4. Betont wird die eigene Unschuld.
  5. Beklagt wird, dass der „Bube“, wahrscheinlich der Fürst, davonkommt und noch Spaß mit seiner Geliebten hat.
  6. Der Gefangene rettet sich in die Bitte, dass die Seelen der anderen unschuldig Hingerichteten dem Fürsten die Ruhe rauben
  7. und verlässt sich für seine letzten Stunden auf die Religion
  8. und eine Zukunft in Freiheit. Man kann davon ausgehen, dass zur Zeit der Entstehung des Gedichtes damit der Himmel gemeint ist – zumal ja auch vom Gericht Gottes die Rede ist.
  9. Ein Problem des Gedichtes ist, dass es sehr unkonkret bleibt – sowohl was die Untaten des Fürsten angeht als auch die Vorwürfe, die ihm gemacht worden sind.
  10. Das Gedicht bleibt seltsam auf einer Berichtsebene, die zwar mit Gefühlen verbunden ist, aber letztlich den Leser kaum erreicht.
    Man vergleiche das etwa mit der Szene aus dem Drama „Kabale und Liebe“, wo der Fürst für Geld Männer seines Landes an die Engländer verkauft, damit sie als Soldaten gegen die aufständischen Amerikaner kämpfen sollen. Dort ist wirkliche Emotion zu spüren – und auch die konkrete Situation wird sehr viel klarer.

Auszug aus Schillers Drama „Kabale und Liebe“

  • Zum Kontext: Die Lady Milford, die Geliebte des Herzogs, bekommt von einem Diener Schmuck überreicht
  • und erfährt dann, dass das Geld aus dem Verkauf von Soldaten nach Amerika stammt.
  • Als dagegen protestiert wird, werden die entsprechenden Soldaten einfach erschossen.
  • Die Lady ist empört und gibt den Schmuck zurück mit dem Auftrag, ihn zu verkaufen und das Geld an Notleidende zu verteilen.
  • Sie selbst packt ihre Sachen und verlässt den Herzog.

Nun die entscheidende Stelle:

  • [Das Geschenk des Herzogs für seine Geliebte]
    „KAMMERDIENER. Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Mylady zu Gnaden, und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen soeben erst aus Venedig.
  • LADY hat das Kästchen geöffnet und fährt erschrocken zurück. Mensch! was bezahlt dein Herzog für diese Steine?
  • KAMMERDIENER mit finsterm Gesicht. Sie kosten ihn keinen Heller.
  • LADY. Was? Bist du rasend? Nichts? – und Indem sie einen Schritt von ihm wegtritt. du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest – Nichts kosten ihn diese unermeßlich kostbaren Steine?
  • [Hinweis auf die Bezahlung des Geschenks durch Verkauf von Landeskindern]
  • KAMMERDIENER. Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort – Die zahlen alles.
  • LADY setzt den Schmuck plötzlich nieder und geht rasch durch den Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener. Mann, was ist dir? Ich glaube, du weinst?
  • KAMMERDIENER wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimm, alle Glieder zitternd. Edelsteine wie diese da – Ich hab auch ein paar Söhne drunter.
  • LADY wendet sich bebend weg, seine Hand fassend. Doch keinen Gezwungenen?
  • [Schilderung der Reaktion des Herzogs auf Proteste]
  • KAMMERDIENER lacht fürchterlich. O Gott – Nein – lauter Freiwillige. Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch vor die Front[780] heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? – aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster sprützen, und die ganze Armee schrie: Juchhe nach Amerika! –
  • LADY fällt mit Entsetzen in den Sofa. Gott! Gott! – Und ich hörte nichts? Und ich merkte nichts?
  • [Die vor diesem Hintergrund unmenschliche Genusswelt des Hofes im Kontrast zur Situation der einfachen Menschen]
  • KAMMERDIENER. Ja, gnädige Frau – warum mußtet Ihr denn mit unserm Herrn gerad auf die Bärenhatz reiten, als man den Lärmen zum Aufbruch schlug? – Die Herrlichkeit hättet Ihr doch nicht versäumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkündigten, es ist Zeit, und heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wütende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajonetten zu spießen, und wie man Bräutigam und Braut mit Säbelhieben auseinanderriß, und wir Graubärte verzweiflungsvoll dastanden und den Burschen auch zuletzt die Krücken noch nachwarfen in die neue Welt – Oh, und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte beten hören –
  • [Mitgefühl der Lady – und Schlussperspektive auf das Geschehen mit Andeutung auf das Jüngste Gericht]
  • LADY steht auf, heftig bewegt. Weg mir diesen Steinen – sie blitzen Höllenflammen in mein Herz. Sanfter zum Kammerdiener. Mäßige dich, armer alter Mann. Sie werden wiederkommen. Sie werden ihr Vaterland wiedersehen.
  • KAMMERDIENER warm und voll. Das weiß der Himmel! Das werden sie! – Noch am Stadttor drehten sie sich um und schrien: »Gott mit euch, Weib und Kinder! – Es leb unser Landesvater – am Jüngsten Gericht sind wir wieder da!« –“
  • [Reaktion der Lady – sie lässt das Geschenk des Herzogs an andere Opfer geben]
  • LADY mit starkem Schritt auf und niedergehend. Abscheulich! Fürchterlich! – Mich beredete man, ich habe sie alle getrocknet, die Tränen des Landes – Schrecklich, schrecklich gehen mir die Augen auf – Geh du – Sag deinem Herrn – Ich werd ihm persönlich danken. Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm ihre Goldbörse in den Hut. Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest –
  • KAMMERDIENER wirft sie verächtlich auf den Tisch zurück. Legts zu dem übrigen. Er geht ab.
  • LADY sieht ihm erstaunt nach. Sophie, spring ihm nach, frag ihn um einen Namen. Er soll seine Söhne wiederhaben. Sophie ab. Lady nachdenkend auf und nieder. Pause. Zu Sophien, die wiederkommt. Ging nicht jüngst ein Gerüchte, daß das Feuer eine Stadt an der Grenze verwüstet, und bei vierhundert Familien an den Bettelstab gebracht habe? Sie klingelt.
  • SOPHIE. Wie kommen Sie auf das? Allerdings ist es so, und die mehresten dieser Unglücklichen dienen jetzt ihren Gläubigern als Sklaven, oder verderben in den Schachten der fürstlichen Silberbergwerke.
  • BEDIENTER kommt. Was befehlen Mylady?
  • LADY gibt ihm den Schmuck. Daß das ohne Verzug in die Landschaft gebracht werde! – Man soll es sogleich zu Geld machen, befehl ich, und den Gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand ruiniert hat.
  • [Die Bereitschaft der Lady, die höchste „Ungnade“ des Herzogs in Kauf zu nehmen – bereitet damit ihren Abschied vor]
  • SOPHIE. Mylady, bedenken Sie, daß Sie die höchste Ungnade wagen.
  • LADY mit Größe. Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren tragen? Sie winkt dem Bedienten, dieser geht. Oder willst du, daß ich unter dem schrecklichen Geschirr solcher Tränen zu Boden sinke? – Geh, Sophie – Es ist besser, falsche Juwelen im Haar, und das Bewußtsein dieser Tat im Herzen zu haben.
  • SOPHIE. Aber Juwelen wie diese! Hätten Sie nicht Ihre schlechtern nehmen können? Nein, wahrlich, Mylady! Es ist Ihnen nicht zu vergeben.
  • LADY. Närrisches Mädchen! Dafür werden in einem Augenblick mehr Brillanten und Perlen für mich fallen, als zehen Könige in ihren Diademen getragen, und schönere –“

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