Karl Henckell, „Die Zwei“ (Mat4922)

Worum es hier geht:

Das Gedicht „Die Zwei“ von Karl Henckell  macht aufmerksam auf soziale Not und stellt sie in einen größeren Zusammenhang.

Auswertung Strophe 1

Sieh dort die Zwei! Er spielt die Flöte,
Und wollene Strümpfe strickt sein Weib,

    • Die ersten beiden Zeilen verweisen im Ton einer Aufforderung auf einen Mann und seine Frau
    • Die beiden versuchen wahrscheinlich, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
    • Er versucht, das durch Flötenspiel zu erreichen.
    • Seine Frau will wahrscheinlich Strümpfe flicken oder verkaufen.

Im Korbe ruhn zwei Dreierbröte
 Zur Nahrung für den siechen Leib.

    • Die nächsten beiden Zeilen zeigen, wie wenig diese Leute für ihre Ernährung haben.
    • Möglicherweise sind sie sogar obdachlos.

Flütüh, flütüh! – »Wer gibt ’nen Groschen?«
 Die Flöte lockt so flehend süß:
 »Ihr steckt ja in den Glücksgaloschen,
 Euch ist die Welt ein Paradies.

Auswertung Strophe 2

    • Die zweite Hälfte der Strophe deutet dann das Flötenspiel an, das mit der Bitte um ein Almosen verbunden wird.
    • Im Unterschied zu den meisten anderen vergleichbaren Fällen, wird dabei aber nicht die eigene Not herausgestellt, sondern das Glück der möglichen Spender.
    • Das mag nicht so ganz geschickt sein, denn eine mögliche Antwort wäre ja auch:
      „Also, so gut geht es mir auch nicht. Ich habe auch meine Probleme.“
      Und nichts ist es dann mit einer Spende oder sie fällt kleiner aus.
    • Aber vom dramatischen Aufbau des Gedichtes hat das, was der Mann da sagt, schon seine Funktion. Es zeigt nämlich den Kontrast zu dem, was vorher an Armut geschildert worden ist.

Flütüh, flütüh – schon humpelt weiter
Das eheliche Bettlerpaar,

    • Die zweite Strophe geht zunächst darauf ein, dass dieses Bettlerpaar weiterziehen muss.
    • So haben sie wahrscheinlich die Möglichkeit, neue oder andere Spender zu erreichen.

Ein einziger ist ihr Begleiter,
Treu bis zum Tode, Jahr für Jahr.

    • Anschließend baut sich im Gedicht Spannung auf, weil plötzlich von einem Begleiter die Rede ist, der sogar „treu“ ist und bei ihnen bleibt.

Sein Blick ist hohl, sein Gang gebrochen,
Von Schwären sein Gesicht entstellt,

    • Auch in den nächsten beiden Zeilen kann man als Leser noch glauben, dass es sich um einen weiteren armen Menschen handelt, der aus irgendeinem Grunde dem Ehepaar die Treue hält.

Er nagt an einem kahlen Knochen
Und heißt – das Elend dieser Welt.

    • Die letzten Zeilen bring dann die Auflösung:
    • Das Gedicht ist von der Ebene der Realität auf die Ebene der bildhaften Vorstellung übergegangen.
    • Gemeint war und ist nämlich das Elend in der Welt, das hier dem Tod ähnelt.

Insgesamt ein Gedicht,

  1. das in wenigen Zügen das Schicksal zweier Menschen andeutet.
  2. Das wird dann auch noch in einen größeren Zusammenhang allgemeinen Elends gestellt.
  3. Man merkt daran, dass es sich hier nur um ein Beispiel handelt, das für ein größeres Problem steht.
  4. Interessant ist die nüchtern distanzierte Betrachtung. Offensichtlich soll nur auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht werden. Alles Weitere bleibt dem Leser überlassen.
  5. Man könnte das Gedicht gut daraufhin überprüfen, ob es zur Epoche der neuen Sachlichkeit gezählt werden kann.
    1. Der Verfasser hat gelebt in der Zeit zwischen 1864 und 1929. Das würde vom Zeitrahmen zur Neuen Sachlichkeit passen.
    2. Am Anfang des Gedichtes gibt es aber den direkten Appell hinzuschauen – und das entspricht natürlich nicht der Normalität. In der Regel geht man vorbei, weil man sich in seinem eigenen Gleichgewicht befindet.
    3. Wenn man sich den Lebenslauf des Dichters anschaut, dann sieht das eher nach Engagement als nach kühler Distanz aus.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Henckell
    4. Von daher ist wohl eher anzunehmen, dass hier in scheinbarer Distanz doch Anteilnahme enthalten ist, die vor allem auch übertragen werden soll – aber eben durch das Aufzeigen der Realität.
    5. Ein interessantes künstlerisches Mittel ist auch der Bezug zwischen den beiden Strophenenden:
      „Euch ist die Welt ein Paradies.“
      gegen
      „Und heißt – das Elend dieser Welt.“

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos