Trakls Gedicht „Der Herbst des Einsamen“ – Versuch in Hoffnung? (Mat4727)

Worum es hier geht:

Dieses Gedicht ist besonders interessant, weil es zum einen bereits im Titel die Elemente Herbst (= Niedergang, Verfall) und Einsamkeit miteinander verknüpft. Dazu kommt der Versuch, sich in dieser Situation so etwas wie eine Parallelwelt des Besseren, der „alten Sagen“ oder auch des „still Bescheiden“(s) zu bewahren, was aber am Ende scheitert.

Das Gedicht bearbeitet

Kurzvorstellung des Gedichts:

Schon im Titel werden zwei zentrale Elemente des Expressionismus benannt, zum einen der Herbst als Jahreszeit des Niedergangs, Abschieds. Zum anderen ist da die Einsamkeit bzw. genauer gesagt: die Vereinzelung der Menschen.
Insgesamt ist interessant, wie zurückhaltend die negativen Eindrücke und Assoziationen präsentiert werden. Statt dessen zeigen die blau umrandeten Textstellen positive, ja zum Teil transzendente Ansätze. „Blauer Flügel“ erinnert an die Romantik – und auch die Hinweise auf das Wirken der „Engel“ passt dazu. Am Ende steht aber das „knöchern Grauen“ und das passt wenig zu den Sehnsuchtserwartungen früherer Zeiten.

Anmerkungen zum Titel und zu Strophe 1

 Der Herbst des Einsamen

  • Zwei Akzente, zum einen der Herbst als Jahreszeit der Ernte, aber auch des Niedergangs, Vorbereitung des Winters.
  • Dann der Hinweis auf einen einsamen Menschen, dessen Perspektive auf den Herbst gezeigt wird.
  1. Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
  2. Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
  3. Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
  4. Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
  5. Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
  6. Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.
  • Das Gedicht beginnt mit einer Aufzählung von Elementen, die zum Herbst gehören.
  • Hervorgehoben werden die Fülle der Früchte, die Erinnerung an alte Sagen, das Gefühl, Antworten auf viele Fragen zu bekommen.
  • Insgesamt wird also eher eine positive Sicht präsentiert.

Anmerkungen zu Strophe 2

 

  1. Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
  2. Im roten Wald verliert sich eine Herde.
  3. Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
  4. Es ruht des Landmanns ruhige Geberde.
  5. Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
  6. Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.
  • Die zweite Strophe setzt dann diese Beschreibung fort, ohne dass es einen besonderen neuen Schwerpunkt gibt.

Anmerkungen zu Strophe 3

  1. Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
  2. In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
  3. Und Engel treten leise aus den blauen
  4. Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
  5. Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
  6. Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.
  • Die letzte Strophe blickt dann nach vorne,
    • betont zum einen eine zunehmende Müdigkeit, einen Rückzug in Bescheidenheit
    • und etwas, was bei Liebenden zu einer Besänftigung des Leidens beiträgt.
  • Am Ende dann allerdings der ernüchternd Hinweis auf ein Grauen, das als knöchern bezeichnet wird.
  • Das dürfte eine eindeutige Vorausdeutung auf den Tod sein.
  • Damit wird das eingelöst, was der Titel angedeutet hat, eine sehr spezielle Perspektive, wo aus Einsamkeit eben auch ganz bestimmte Wahrnehmungen, Gefühle und Einstellungen erwachsen.

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Insgesamt ein Gedicht, dass viele Aspekte des Herbstes hervor hebt, beginnend mit der Ernte, dann mit vielen Signalen der Beruhigung, die zu dieser Jahreszeit gehört. Schließlich gibt es auch einige schöne Ausblicke, vor allem für Liebende, aber auch den Hinweis, auf den mit dem Herbst verbundenen Zumindest vorübergehenden Tod des natürlichen Lebens.

 

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Klausurbedeutung:

Das Folgende haben wir aus einem EBook übernommen, das wir hier mit Erlaubnis des Verfassers nutzen dürfen. Da werden noch mehr wichtige Gedichte des Expressionismus vorgestellt und jeweils im Hinblick auf den möglichen Einsatz bei einer Klausur bewertet.

Zu bekommen ist es u.a. hier.

 

Klausurbedeutung: @@@@@
(Die Anzahl der @-Zeichen macht unsere Einschätzung der Klausurbedeutung sichtbar – wie die Sternchen bei Hotel-Bewertungen!)

Sehr hoch, weil hier gerade nicht mit dem Holzhammer gearbeitet wird, sondern Sorgen und Ängste eher nebenbei erwähnt und zum Teil in ein Umfeld von Resthoffnungen gestellt werden. Wichtig für eine Klausur wäre hier, dass zum Beispiel stark kontrastive Gedichte im Unterricht behandelt worden sind, so dass ein Vergleich möglich wird. Dazu passt etwa „Im Winter“ von Trakl, wo auf fast schon zynische Weise das Sterben von Tieren thematisiert wird.

Anregungen:

  1. Ganz allgemein kann man „Einsamkeit“ thematisieren und in eine heutige Situation versetzen. Reizvoll, wenn auch besonders traurig wäre dabei, wenn die mitten in scheinbar freundlicher Gesellschaft zu finden wäre. Im Roman „Homo Faber“ von Max Frisch gibt es eine Szene in New York, wo die Hauptfigur mitten in äußerlich fröhlicher Geselligkeit bekümmert, vielleicht auch zornig feststellt, dass man bei soviel Lustigkeit hier sterben könnte, ohne dass es jemand merkt.
  2. Interessant ist auch die Verbindung von realer Verdüsterung der Außenwelt und dem Rückgriff auf die „alten Sagen“ (04), die vielleicht zumindest „sanfter leiden“ (16) lassen. Hier könnte diskutiert werden, wie groß die Möglichkeit für Menschen ist, sich einen geschützten Innenraum zu schaffen.
  3. Konkret ausgestalten könnte man auch mal, wie ein Leben aussieht, das durch „ein still Bescheiden“ (14) gekennzeichnet ist.

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