Schnell durchblicken: Yvan Goll, „Reise ins Elend“ (Mat4694)

Worum es geht:

Es geht um das Gedicht „Reise ins Elend“ von Yvan Goll. In ihm geht es um die Erfahrung der Einsamkeit – das Scheitern aller Versuche, von Lebewesen zu Lebewesen Kontakt aufzunehmen.

Das Gedicht findet sich zum Beispiel hier.

Kurze Beschreibung der inhaltlichen Abschnitte

01: Klage über Einsamkeit
02/3: Alles wendet sich von einem ab und wird einem fremd.
04/05: Sogar ein Bahnhof stößt einen zurück – mit samt seinen Güterwagen
06-08: Sehnsucht nach Vertrautheit mit einem Pferd auf einem Acker.
09-11: Sogar das Wasser erkennt nicht unser Interesse an ihm.
12: Fazit: Man lässt alles allein zurück
13-15: In „unerfüllter Liebesdemut“
16/17: In Erwartung der Stadt und einer traurigen Nacht im Hotel

Hinweise zur Interpretation:

Reise ins Elend

  • Titel ruft erste Assoziationen hervor.

Wie aber schmerzt die Menscheneinsamkeit,
wenn Landschaften mit gleichem Leid wie du sich von dir wenden
und in sich selbst versinken, dir so fremd!

  • Das Gedicht beginnt mit einer Klage, wobei ein ungeklärter Anschluss an einen Vorgedanken präsentiert wird. Das „aber“ deutet ja an, dass es vorher noch etwas anderes gab. Hier könnte man am Ende der Interpretation Überlegungen anstellen, worauf dieses „aber sich beziehen könnte.
  • Ganz eindeutig ist: Es geht um Einsamkeit, die sofort spezifiziert wird, es geht nicht um die Einsamkeit einer Landschaft oder eines Tieres, es geht um „Menscheneinsamkeit“.
  • Dann werden die Umstände angedeutet, dabei wird Leid wird seltsam personifiziert im Vergleich („mit gleichem Leid wie du“). Eigentlich müsste es heißen: „wie du es hast“ – die Verkürzung verstärkt die Gleichsetzung von „Leid“ und „du“, was sich auf das Lyrische Ich bezieht.
  • Im folgenden geht es nicht um eine hochmütige Abwendung, sondern eine untergehende oder sich auf sich selbst zurückziehende, auf jeden Fall bleibt am Ende der Eindruck: „fremd“.
  • Wenn klein ein Bahnhof dich in kalten Regen stößt,

ein Güterwagen leer und ohne Zukunft dich anbettelt.

  • Hier findet sich mit dem Gütenwagen ein Beispiel mit seltsamer Detail-Assoziation.
  • Dass ein Bahnhof personifiziert wird zu etwas, was einen ausstößt, kann man noch verstehen.
  • Aber wieso ein leerer Güterwagen das lyrische Ich anbetteln soll, Fragen über Fragen.
  • Am besten kann man das so verstehen, dass das Lyrische Ich sich allem in der Umgebung nahe fühlt, gar nicht mehr genau hinschaut, ob es um „Menscheneinsamkeit“ geht – oder um eine Einsamkeit sogar der unbelebten Natur.

Da kriecht ein fahler Gaul auf dunklem Acker,
oh, wenn der wüsste, daß du existierst
und du ihn liebst, ihm würden Flügel blau zum Himmel wachsen.

  • Wenn man als Leser diesen größten Schock überwunden hat, rudert das Gedicht etwas zurück,
  • beim Blick nach draußen geht es jetzt um belebte Natur, ein Pferd wohl bei der Pflüge-Arbeit.
  • Hier taucht ein zweites Mal das Motiv der Kontaktaufnahme auf.
  • Eben war es das „Anbetteln“, jetzt ist es eine unerklärte Liebe, die das Lyrische Ich sogar einem wildfremden Arbeitspferd entgegenbringt..
  • Es kommt aber eben zu keiner wirklichen Gefühlsverbindung, umso fantastischer ist die Vorstellung von dem, was möglich wäre, wenn es denn stattfinden würde: Aus dem Arbeitstier, an den Acker gebunden, würde ein Fabelwesen, das sogar zum Himmel aufsteigen könnte.

Manchmal schaut Wasser auf zu dir mit großen Augen,
und weil es nicht dein Lächeln sah,
fällt freudlos es und schal in sich zurück.

  • Jetzt gibt es eine Gegenbewegung, das Wasser schaut den Sprecher an,
  • aber auch hier misslingt die Gefühlskommunikation.

So lässt du alles dort allein. Es reißt dein Schicksal dich dahin.

  • Das ist eindeutig eine Zusammenfassung alles bisher Präsentierten.

Die alte Bucklige am Damm wird ewig nach dir blicken,
untröstlich steht das schreiende Plakat am schiefen Giebel.

  • Zwei traurige Beispiele werden geboten,
  • zum einen ein Mensch mit geringen Chancen, positiv auf sich aufmerksam zu machen –
  • dann das Produkt von Menschen, eine Sache, die hier personifiziert erscheint.

So lässt du alles dort allein in unerfüllter Liebesdemut
und weißt es doch, dass, Einsamer, dich eine Stadt erwartet,

  • Weitere Zusammenfassung mit positivem Ausblick?
  • Interessant ist das Kompositum „Liebesdemut“. Gemeint ist da wohl eine sehr urtümliche, nicht auf Besitz ausgerichtete, sondern eine, die alle Lebewesen in ihrer Endlichkeit verbindet.
  • Gegen ein positives Verständnis des Schlusses mit der „Stadt“ spricht natürlich der Titel: „Reise ins Elend.“
  • Vielleicht soll das bedeuten, dass auf der Reise schon vielfältige Mini-Erlebnisse des Scheiterns erlebt werden, die werden sich ausweiten zu einer die ganze Stadt und damit praktisch schon die Menschheit umfassende Variante des „Elends“.

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