Schnellkurs Gedichtanalyse: 08: Das Zusatz-Problem der künstlerischen Mittel (Mat6033)

 

Als wenn „Verknappung“ und „Verrätselung“ noch nicht genug wären …

Das Hauptkennzeichen von Gedichten ist die Versform.

Die wiederum zieht einige „Probleme“ nach sich:

Da ist zum einen die Verknappung – ein Vers umfasst eben weniger als eine ganze normale Zeile.

Dazu kommt die Neigung zur Verrätselung, die sich zum Teil durch die Verknappung, zum Teil auch durch bewusstes Nur-Andeuten ergibt.

Dann gibt es da auch noch Reim und Rhythmus, die zum Teil dazu führen, dass die Verszeilen ziemlich extrem im Satzbau umgestellt werden.

Damit sind wir schon beim ersten „künstlerischen“ Mittel, nämlich der sogenannten „Inversion“, der Umstellung des normalen Satzbaus. Beispiele dazu und zu anderen künstlerischen Mitteln gibt es im nächsten Abschnitt.

 

Wir gehen weiter unten noch einmal genauer auf das Schaubild ein.

Da kommen noch die „künstlerischen Mittel“ hinzu

Was sind künstlerische Mittel überhaupt?

Grundsätzlich sollte man sich erst mal klarmachen, was ein künstlerisches Mittel überhaupt ist: Am besten geht man vom Begriff aus: Es handelt sich zum einen um ein „Mittel“, in diesem Fall also etwas, was das unterstützt, was das Gedicht aussagen soll.

Außerdem ist es „künstlerisch“, d.h. etwas Besonderes, das von der Normalität abweicht.

Für die Schule wichtig ist weniger, dass man die ganzen Fachbezeichnungen kennt, sondern dass man überhaupt sieht, dass da etwas Besonderes ist und es in eine Beziehung setzt zu dem, was dadurch erreicht werden soll. Deshalb beschränken wir uns im Folgenden auch auf einige Beispiele – schließlich wollen wir die 90 Minuten im Auge behalten 😉

Wir beginnen mit den Mitteln, die man auch aus anderen literarischen Texten her kennt:

Metapher

Beginnen wir mit der Metapher, dem sprachlichen Bild. Das könnte zum Beispiel „die bleiche Sichel“ sein und für den Mond stehen. Hier wird direkt etwas gleichgesetzt, was eigentlich zu ganz unterschiedlichen Bereichen gehört.

Vergleich

Weniger direkt gleichgesetzt wird im Vergleich: „Du singst wie eine Nachtigall“.

Personifizierung

Dann gibt es auch noch die Personifizierung: „Die Planken stöhnten angesichts der Wucht der Wogen.“

Alliteration

Hier ist auch noch gleich ein weiteres Mittel erkennbar, nämlich das der Alliteration: Dabei wiederholen sich die Anlaute, vereinfacht gesagt: die ersten Buchstaben von Wörtern (Wucht der Wogen).

Anapher

Wegen des Versaufbaus von Gedichten spielt natürlich die Wiederholung von Wörtern am Zeilenanfang eine besondere Rolle, man spricht hier von der „Anapher“:

„Es singt der Wind sein einsam Lied.“

„Es tönt ein Ruf aus weiter Ferne.“

Parallelismus

Zugleich hat man hier einen sogenannten Parallelismus, den parallelen Aufbau von Verszeilen.

Chiasmus

Das kann man aber auch umdrehen – und dann hat man eine sogenannte Kreuzstellung. Ein berühmtes Beispiel ist:

„Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben.“

Aus der Abfolge Subjekt – Prädikat wird das Gegenteil Prädikat – Subjekt.

Inversion

Zugleich sieht man hier auch das für Gedichte typische Mittel der Inversion, der Umstellung der normalen Wortfolge: Statt „Der Wind singt sein einsames Lied“ heißt es eben: „Es singt der Wind sein einsam‘ Lied.“ Hintergrund dafür ist natürlich der Rhythmus: Während man im ersten Falle die folgende Abfolge von Hebungen und Senkungen (betonten und unbetonten Silben hat):

Der Wind singt sein einsames Lied.

s     H       s      s       H  s  s      H

hat man im zweiten Falle:

Es singt der Wind sein einsam Lied.

s   H     s     H      s      H   s      H

Und damit hat man eine regelmäßige Abfolge von Senkung und Hebung, also einen (vierhebigen) Jambus. Die Anzahl der Betonungen wird gerne miterwähnt, weil man dann ein Gefühl bekommt für die Länge der Zeilen, die kann ja durchaus variieren.

 

Zur Erklärung des Schaubildes:

  1. Das Gedicht hat als Besonderheit, dass es an einer Sache erkannt werden kann, nämlich an der Einteilung in Verszeilen.
  2. Das ist noch harmlos – aber dann haben sich die Dichter noch zwei weitere Sachen überlegt: Die eine, nämlich die Verkürzung, ergibt sich schon ein bisschen aus der Zeilenverkürzung zu Versen.
  3. Die andere aber hängt mit dem kultisch-religiösen Hintergrund der ersten Gedichte: Es handelte sich immer auch ein bisschen um geheimnisvolle Dinge, die zum Teil nur angedeutet werden.
  4. Außerdem werden sie möglichst besonders künstlerische ausgedrückt. Wir haben mal ein paar besonders wichtige Beispiele zu Gruppen zusammengefasst, so dass man sie sich gut merken kann:
    1. Das erste ist die Bildlichkeit: Metaphern, Vergleiche und auch Personifizierung – denn da wird ja ein Baum zum Beispiel als Mensch präsentiert.
    2. Dann die Wiederholungen, zum Beispiel der Anlaute: „mit Mann und Maus“ – oder auch mit Wiederholung des Versanfangs: „Ich kam, ich sah, ich siegte.“
    3. Dann ist man nicht weit vom Parallelismus entfernt: „Alle kommen / viele begeistert / manche aber auch skeptisch.“
    4. Dem entgegen steht die Kreuzstellung, der Chiasmus: „Die Kunst ist lang / doch kurz das Leben.“
    5. Eine Sonderstellung nimmt die Inversion ein, die Umstellung des Satzbaus, meistens, um im Rhythmus zu bleiben oder aber ein schwieriges Reimwort in den unproblematischen Innenraum des Verses zu ziehen.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos