Warum ist jeder Dichter mehr oder weniger beim Schreiben auch privat?

Die Frage nach dem „biografischen“ Hintergrund der Schriftstellerei

Ausgangspunkt ist die Frage, welche Rolle das Private im Sinne der eigenen Erfahrungen und Erlebnisse beim Schreiben von Schriftstellern ist.

Beispiele für verschiedene Varianten

Natürlich kann das im Einzelfall unterschiedlich ausfallen. Aber selbst wenn jemand sich sehr weit meint vom eigenen Leben entfernen zu können, spielt es doch immer mehr oder weniger hinein.

Der scheinbare große Abstand zur eigenen Biografie

Der Science-fiction-Schriftsteller wird ganz viel verarbeiten, was er gelesen hat – etwa im Bereich technischer Entwicklungen. Und er wird sich vor allem der Frage stellen müssen, warum er denn gerade SF-Literatur verfasst. Das dürfte schon viel mit seinem Leben, seinen Interessen und vielleicht auch Träumen zu tun haben.

Ähnliches gilt für die Verfasser von historischen Romanen: Die verwenden meistens viel Zeit auf die Recherche – und das tun sie sicher nur bei einem Thema, das ihnen irgendwie am Herzen liegt. Selbst wenn sie es nur für Geld tun: Warum tun sie sich denn das dann an? Auf jeden Fall müssen sie hier ein gewisses Talent haben, sonst geht das gar nicht.

Große Nähe von Biografie und Literatur

Oder nehmen wir die Verfasser von Gedichten: Es dürfte wohl immer so sein, dass ein Gedicht Ergebnis eines besonderen Erlebnisses oder eines entsprechenden Gedankens, eines Einfalls ist.
Sehr schön ist das übrigens in diesem Gedicht verarbeitet worden:
https://textaussage.de/lars-kruesand-gedicht-thema-finden-nicht-suchen
Etwas Ähnliches wird in einer Kurzgeschichte desselben Autors deutlich. Der hat sich gefragt, ob er nicht früher hätte versuchen sollen, über einen Verlag berühmt zu werden. Die Antwort hat er dann in einer Kurzgeschichte verarbeitet:
https://textaussage.de/lars-kruesand-spaete-erkenntnis

Ebene 1: Die großen Themen und das Leben der Schriftsteller

Wir müssen beim Privaten bzw. beim Biografischen also unterscheiden:

These: Man kann nur etwas „ausschreiben“, was „in“ einem ist.

      1. Das kann man selbst erlebt haben.
      2. Man kann es gehört haben.
        Ein berühmtes Beispiel findet man in der Anfangsszene des Spielfilms:
        „Die Braut, die sich nicht traut“.
        Da geht es zwar nur um eine Kolumne, aber das hätte auch zu einer Kurzgeschichte oder einem Roman führen können.
      3. Man kann es gelesen haben.
      4. usw.

Die kleinen Dinge, die der Schriftsteller aus seinem Leben holt

These: Das gilt aber nicht nur für die großen Themen, sondern auch für die kleinen Bausteine.
Die meisten Schriftsteller sind eigentlich den ganzen Tag mit einem (inneren) Notizbuch unterwegs. Sie sind auf der Suche nach etwas Besonderem, was sie im nächsten Werk unterbringen können.

Da unterhält sich ein Schriftsteller beim Zahnarzt mit der Mitarbeiterin, die die Zahnreinigung macht. Und die erzählt ihm, während sie etwas Salbe auf seine Lippen aufbringt, dass es bei Frauen häufig ein Problem mit dem Lippenstift gäbe. Der müsste dann erst mal entfernt werden, weil er sonst aus Versehen im ganzen Gesicht verteilt würde.
Was macht der Schriftsteller daraus? Er braucht einen Grund, warum eine Frau zu spät zu einer Verabredung kommt – und dann erzählt sie diese Zahnreinigungs-Lippenstift-Geschichte, malt sie vielleicht noch etwas aus – und schon ist wieder eine halbe Seite fertig – und zumindest die männlichen Leser des Romans sind ganz erstaunt, was es alles so gibt. Dabei müssten sie nur mit genauso offenen Augen durch die Welt gehen wie die Schriftsteller.

Wenn das Leben und die Werke eng verknüpft sind

Es gibt aber auch Schriftsteller, bei denen Dichtung und biografische „“Wahrheit“ enger miteinander verknüpft sind – und das ist sicher bei Goethe der Fall. Einer seiner Biografen hat sogar als Titel der Lebensbeschreibung gewählt: „Kunstwerk des Lebens„.

Was Schüler schon von diesem Thema haben könnten

Man kann sich nur Deutschlehrer wünschen, die ihre Schüler ermutigen, das selbst mal auszuprobieren: Wo erlebe ich was, das ich zu einem Text verarbeiten könnte.

So etwas wie Bertolt Brecht in seinem Gedicht „Radwechsel“ wird man doch wohl auch noch hinbekommen 😉