Stadler, „Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht“ (Mat1734)

Worum es hier geht:

Stadlers Gedicht „Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht“ zeigt auf beeindruckende Weise, wie in der Zeit des Expressionismus Technik erlebt wurde.

Wir zeigen auf dieser Weise, wie man die wichtigsten Signale sicher findet und zu einer überzeugenden Interpretation verarbeiten kann.

Das Gedicht

Ernst Stadler

Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht

01: Der Schnellzug tastet sich und stößt die Dunkelheit entlang.
02: Kein Stern will vor. Die ganze Welt ist nur ein enger, nachtumschienter Minengang,
03: Darein zuweilen Förderstellen blauen Lichtes jähe Horizonte reißen: Feuerkreis
04: Von Kugellampen, Dächern, Schloten, dampfend, strömend . . nur sekundenweis . .
05: Und wieder alles schwarz. Als führen wir ins Eingeweid der Nacht zur Schicht.
06: Nun taumeln Lichter her . . verirrt, trostlos vereinsamt . . mehr . . und sammeln sich
. . und werden dicht.
07: Gerippe grauer Häuserfronten liegen bloß, im Zwielicht bleichend, tot – etwas muss
kommen . . o, ich fühl es schwer
08: Im Hirn. Eine Beklemmung singt im Blut. Dann dröhnt der Boden plötzlich wie
ein Meer:
09: Wir fliegen, aufgehoben, königlich durch nachtentrissne Luft, hoch übern Strom.
O Biegung der Millionen Lichter, stumme Wacht,
10: Vor deren blitzender Parade schwer die Wasser abwärts rollen. Endloses Spalier, zum
Gruß gestellt bei Nacht!
11: Wie Fackeln stürmend! Freudiges! Salut von Schiffen über blauer See! Bestirntes Fest!
12: Wimmelnd, mit hellen Augen hingedrängt! Bis wo die Stadt mit letzten Häusern ihren
Gast entlässt.
13: Und dann die langen Einsamkeiten. Nackte Ufer. Stille. Nacht. Besinnung. Einkehr.
Kommunion. Und Glut und Drang
14: Zum Letzten, Segnenden. Zum Zeugungsfest. Zur Wollust. Zum Gebet. Zum Meer.
Zum Untergang.

Unsere fünf entscheidenden Verständnispunkte

Das Folgende haben wir aus einem EBook übernommen, das wir hier mit Erlaubnis des Verfassers nutzen dürfen. Da werden noch mehr wichtige Gedichte des Expressionismus vorgestellt und jeweils im Hinblick auf den möglichen Einsatz bei einer Klausur bewertet.

Zu bekommen ist es u.a. hier.

VP1: Den Titel muss man wohl im Zusammenhang mit der ersten Verszeile sehen: Es geht um ein Technik-Erlebnis, das wohl durch die Nacht-Situation noch verstärkt wird.

VP2: Am Anfang zeigt sich eine beklemmende Atmosphäre,

VP3: die mit einer düsteren Erwartung verbunden ist.

VP4: Ab Zeile 08 gibt es eine Wendung ins Positive, Freudige, was mit den äußeren Umständen der Fahrt (Man verlässt den „Minengang“) zusammenhängt.

VP5: Den Schluss bilden dann Reflexionen und sehr unterschiedliche Erwartungen, die zum Teil religiöse Bezüge haben.

Anregungen:

Das Gedicht ist im Hinblick auf die präsentierte Stufe der Technik recht alt. Von daher taucht die Frage auf, wo es auch heute noch diese Faszination gibt. Man könnte etwa an Computerspiele denken mit ihren virtuellen Welten. Am Ende könnte man auch einen Bruch zeigen, weil es zum Beispiel im wirklichen Leben nicht die Möglichkeit des „second life“ gibt. Wer hier zuviel riskiert, geht wirklich unter.

Klausurbedeutung: @@@@

(Die Anzahl der @-Zeichen macht unsere Einschätzung der Klausurbedeutung sichtbar – wie die Sternchen bei Hotel-Bewertungen!)

Das Gedicht ist recht anspruchsvoll, enthält aber auch viele wesentliche Elemente des Expressionismus – bis hin zu dem Bruch am Ende („Untergang“).

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos