Theodor Däubler, „Der Atem der Natur“ (Mat4690)

Theodor Däubler, „Der Atem der Natur“

Das Gedicht „Der Atem der Natur“ von Theodor Däubler vergöttlicht geradezu die Natur und macht zugleich deutlich, wie sehr entsprechende Vorstellungen zu einem Antrieb für den Menschen werden können.

Der Text ist zum Beispiel hier zu finden.

Theodor Däubler

Der Atem der Natur

Der Atem der Natur, der Wind, die Phantasie der Erde,
Erträumt die Götterwolken, die nach Norden wehn.
Der Wind, die Phantasie der Erde, denkt sich Nebelpferde,
Und Götter sehe ich auf jedem Berge stehn!

  • Die erste Strophe schreibt dem Wind, der als „Atem“ der Natur verstanden wird, ja sogar als „Phantasie der Erde“ allerlei Tätigkeiten bzw. Fähigkeiten zu, die normalerweise zum Menschen gehören.
  • Man hat den Eindruck, dass das lyrische Ich sich aus irgendeinem Grunde hinter einer Art Mittelsmann versteckt.

Ich atme auf und Geister drängen sich aus meinem Herzen.
Hinweg, empor! Wer weiß, wo sich ein Wunsch erkennt!
Ich atme tief: ich sehne mich, und Weltenbilder merzen
Sich in mein Innres ein, das seinen Gott benennt.

  • In der zweiten Strophe bekennt sich das lyrische Ich dann zu sich selbst als dem Betreiber.
  • Es hat große Ziele, die aber sehr nebulös bleiben.
  • Auch sonst wirkt das Gedicht sehr gewollt und käme wohl heute bei einem Schreibwettbewerb junger Autoren gut an.
  • Zu groß ist die Künstelei – es lohnt sich wohl, diese Strophe so umzuschreiben, dass das Gewollte auch wirklich klar erscheint.

Probieren wir es kurz aus:

Der Wind, er macht mir Mut auch meinen Geist zu öffnen.
Nur zu – ich ahne, wo mein Wunsch mir klar wird.
Es sind wohl Weltenbilder, die mein Inneres formt.
Ich fühl mich einem Gotte gleich, der schafft.

 

Natur! nur das ist Freiheit, Weltalliebe ohne Ende!
Das Dasein aber macht ein Opferleben schön!
Oh Freinatur, die Zeit gestalten unsere Werkzeugshände,
Die Welt, die Größe, selbst die Überwindungshöhn!

Ein Wald, der blüht, das Holz, das brennend, wie mit Händen, betet,
Wir alle fühlen uns nur durch das Opfer gut.
Oh Gott, oh Gott, ich Mensch habe alleine mich verspätet,
Wie oft verhielt ich meine reinste Innenglut!

  • Hier sprengt die Fantasie jeden Rahmen der Vernunft, denn brennendes Holz, das betet – darauf muss man erst mal kommen.
  • Am Ende dann Hinweise, die wenigstens andeuten, wo das Problem dieses lyrischen Ichs liegt:
  • Offensichtlich hat es zu wenige Opfer gebracht, die im Zurückhalten der eigenen „Innenglut“ bestanden.
  • Bei einem Schriftsteller könnte es das Gefühl sein, dass er zu wenig von seinem poetischen Innenleben veröffentlicht hat, was durchaus ein Opfergang sein kann, verbunden mit Anstrengung oder gar Leiden.

Im Tale steigt der Rauch, als wie aus einer Opferschal,
So langsam und fast heilig, überm Dorf empor.
Ich weiß es wohl, die Menschen opfern selbst von ihrem Mahle,
Da eine Gottheit sich ihr Herdfeuer erkor!

  • Am Ende dann eine gewisse Zurücknahme in Richtung nachvollziehbare Sachlichkeit.
  • Offensichtlich vergleicht das lyrische Ich sich mit einer Opfersituation, wie sie für die Antike zum Beispiel typisch war.
  • Man opferte etwas von dem, was man essen konnte
  • im Gefühl, dass man das einer Gottheit schuldig war.
  • Das lyrische Ich sieht sich selbst als ein Gott, dem es eben gewisse Opfer schuldet.
  • Am einfachsten ist wirklich die Vorstellung vom Schöpfergott – und das lässt sich auf den Schriftsteller oder den Künstler allgemein übertragen.

Kurzauswertung

Im Zentrum steht der Gedanke des Opfers, das man gerne und notwendig bringe.

Das Lyrische Ich selbst kritisiert die eigene Verspätung bei dieser Leistung.

Erläuterung des Schaubildes und weitere Infos und Anregungen

Inzwischen gibt es für wenig Geld ein E-Book, in dem auch dieses Schaubild näher erklärt wird. Dazu gibt es ca. 50 weitere Gedichte, die ebenfalls vorgestellt werden – auch im Hinblick auf ihre Klausurbedeutung.

Bekommen kann man das E-Book zum Beispiel hier.