Vergleich: Kanehl, „Sonnenuntergang“ und Brentano, „Wenn die Sonne …“ (Mat4708)

Worum geht es?

Hier geht es um zwei Gedichte, die mit dem Phänomen des Sonnenuntergangs ganz unterschiedlich umgehen.

Oskar Kanehl, „Sonnenuntergang“ im Vergleich mit Brentanos „Wenn die Sonne weggegangen“

Während Oskar 1929 gestorbene Oskar Kanehl im Zeichen des Expressionismus Zeichen von Tod und Weltuntergang sieht, geht es bei Brentanos Gedicht um die Liebe.

Die Natur dient nur dazu zu verdeutlichen, wie es dem Lyrischen Ich zumute ist, wenn die Liebe „weggegangen“ ist.

Kurzvorstellung des Gedichts:
Das Gedicht verbindet schon in der Überschrift ein Naturphänomen mit dem Gedanken des Untergangs. Dieser wird dann sehr militärisch präsentiert, von Natureindrücken ausgehend. Bald ist man dann bei Todes- und Krankheitsvorstellungen – in dieser Reihenfolge. Die zweite Hälfte zeigt dann den metyphysischen Background: Abgelehnt wird die Vorstellung eines lieben Gottes, der über den Menschen wacht. Stattdessen Dunkelheit, Tod und Apokalypse, d.h. Weltuntergang und Jüngstes Gericht.
Die letzte Zeile klingt dann ein bisschen nach „Weltende“ von Jakob van Hoddis, wobei das Verb auffallend ist: Die Menschen „brechen um“, das dürfte mehr sein als „zusammenbrechen“. Sie werden zum Gegenteil von dem, was sie eigentlich sind oder sein sollen.

Klausurbedeutung: @@@@
(Die Anzahl der @-Zeichen macht unsere Einschätzung der Klausurbedeutung sichtbar – wie die Sternchen bei Hotel-Bewertungen!)

Das Gedicht ist vor allem wegen des guten Verhältnisses von Kürze und Komplexität für Klausuren geeignet. Hilfreich wäre, wenn im Unterricht andere Weltende-Gedichte der Zeit behandelt worden wären.

Besonders interessant ist natürlich auch ein Vergleich mit einem romantischen Gedicht – siehe weiter unten.

Anregungen:
1. Wie schon angedeutet ist es vor allem reizvoll, sich das ungewöhnliche Verb der letzten Zeile genauer anzuschauen, vielleicht auch zu versuchen, den Vorgang anders, ausführlicher zu beschreiben.
2. Besonders die Zeile 07 zeigt den Unterschied zur Romantik, die noch von sehr christlichen Vorstellungen eines gütigen und behütenden Gottes geprägt war. Deshalb ist es sicher lohnend, dieses Gedicht mit einem von Clemens Brentano zu vergleichen, das ebenfalls vom Sonnenuntergang ausgeht, diesen aber stärker persönlich nimmt.

Schauen wir uns auch dieses Gedicht erst mal kurz an und machen uns dann ein paar Gedanken zum Vergleich.

Überlegungen zum Vergleich mit dem Gedicht von Kanehl:
1. Es liegt schon in der Überschrift die gleiche Tages- und Natursituation vor.

2. Statt der Kriegsmetaphorik gibt es bei Brentano den Gegensatz zwischen dem Schönen in der äußeren Welt und der Trauer beim Lyrischen Ich.

3. Die ist geprägt von einer Liebe, die „weggegangen“ ist. Hier bleibt unklar, ob es sich nur um eine räumliche oder auch eine innere Trennung handelt, vielleicht sogar im Extremfall den Tod.

4. Ein Höhepunkt ist die differenzierte Betrachtung der Nacht: Dunkelheit ermöglicht oder erzwingt eigentlich das Schweigen – aber „Mond und Sterne“ zeigen, wie es wirklich um den Menschen steht.

5. Die letzte Strophe ist vom Bezug her nicht ganz klar: Sie könnte bedeuten, dass das Lyrische Ich vielleicht auch nur nicht offen über seine Gefühle sprechen kann, aber „Blick und Tränen“ machen doch klar, dass „die Liebe nimmer ruht.“

6. Fazit: Bei Brentano geht es eher um ein persönliches Schicksal, das mit Hilfe der Natur erklärt wird. Bei Kanehl geht es um das ganz große Schicksal der Menschheit, allerdings verdeutlicht auch an Naturphänomenen.

7. Erklärungsbedürftig ist die Zeile 06, wo von einem „Mohrenkind“ die Rede ist. Das muss man hier nicht rassistisch verstehen. Vor dem Hintergrund der Zeitvorstellungen war ein „Morenkind“, also ein junger farbiger Mensch einfach jemand, der damals ausgegrenzt, nicht ernstgenommen wurde, allein war. Nichts mehr will Brentano hier aussagen. Interessant wäre zu versuchen, diese Zeile so zu gestalten, dass sie in die heutige Zeit passt, wo hoffentlich niemand mehr irgendetwas Negatives mit einem farbigen Kind verbindet.

Versuchen wir es einfach mal, wobei natürlich der Reimzwang zusätzliche Probleme bereitet:

05: Seit die Liebe weggegangen,
06: ich mich nicht mehr wiederfind.
07: Und die roten, frohen Wangen
08: Dunkel und verloren sind.

Kreative Anregung: Aus einem Sonnenuntergangsbild selbst ein Gedicht machen

Warum nicht mal selbst probieren.

Man holt sich einen Stuhl, setzt sich abends nach draußen, hält sicherheitshalber den Sonnenuntergang per Foto fest und lässt sich dann inspirieren.

Wir bieten hier mal ein entsprechendes Bild an – einmal in größerer Breite, einmal stärker im Detail. Hier ist auch spannend, wie sich dann die „Aussage“ des Bildes verändert.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos