Worum es hier geht:
Das Wesen und die Eigenart eines Gedichtes wird natürlich noch klarer, wenn man es mit einem anderen vergleicht, das ein Thema auf ähnliche Weise behandelt.
In diesem Falle geht es um das berühmte Gedicht „Weltende“ von Jakob van Hoddis und das weniger berühmte von Alfred Lichtenstein mit dem Titel „Der Sturm“.
Als erstes versuchen wir mal, einen ersten Eindruck grafisch festzuhalten: Alles, was eindeutig nach Gefahr und Untergang aussieht, haben wir entsprechend rot markiert. Alles, was noch normal aussieht oder Verharmlosung ermöglicht, wurde gelb markiert.
Genauere Betrachtung der beiden Texte:
Vergleich der beiden Gedichte – was einem gleich auffällt:
- Da ist zunächst einmal die unterschiedliche Überschrift: die linke ist sehr viel extremer, beschreibt das Ende, während die rechte nur eine Gefahrensituation mit offenem Ausgang beschreibt.
- Das Gedicht links geht von einer. Einzelsituation aus.
- Dafür setzt das Gedicht rechts gleich einen Neologismus („Windbrand“) als Akzent. Die Beschreibung „knistern“ passt wieder zu der offenen Situation des Anfangs. Die Katastrophe ist noch nicht erreicht.
- Die dritte Zeile bringt dann eine deutliche Parallele: Links wird auf besondere Weise das Schicksal abstürzender Handwerker beschrieben, so als wären sie Geräte. Die Situation rechts ist realistischer dargestellt, man kann sich vorstellen,dass bei einem Orkan oder Tornado tatsächlich Menschen auseinandergerissen werden. Das sind aber Feinheiten, die große Richtung beider Gedichte stimmt hier überein.
- Während das Gedicht links sich dann zusammenfassend einer allgemeinen Gefahrenbeschreibung zuwendet („steigt die Flut“), lässt sich der Sprecher rechts von dem davonfliegenden Mädchen zu einer Übersteigerung anregen oder auch verleiten, bei der er ein Auto bis „nach Ithaka“, also nach Griechenland fliegen lässt. Diesen Ort muss man ggf. nachschlagen oder er wird einem vom Lehrer erläutert. Mit Ithaka wird aber auch eine mythologische Dimension angesprochen, nämlich die Reisen des Odysseus.
- Das Gedicht von van Hoddis nimmt dann den Gedanken des Sturms auf, mit dem das Gedicht rechts beginnt. Dieses wendet sich dann auf doppeldeutige Weise der Frage der Orientierung zu. Auf der Ebene des Realen mag man im Sturm das Gefühl haben, dass tatsächlich Wege keine Richtung mehr haben. Im übertragenen Sinne kann es sich auch auf orientierungslos gewordene Menschen beziehen.
- Dass es hier um eine größere Dimension geht, wird auch in der nächsten Zeile deutlich: Das Wort “Sterne“ wird ja im allgemeinen Sprachgebrauch sehr positiv verwendet, Hier verlieren sie aber Ihre normale Position und möglicherweise auch Funktion („ausgekratzt“)
. - Dann aber hat man den Eindruck, als sei dem Gedicht rechts die klare Linie ausgegangen. Mit dem „Irrenhäusler“ und dem „Mond“ werden relativ beliebige Signale des Zufälligen und Absurden gesetzt.
- Das Gericht links setzt hier einen sehr viel deutlicheren Akzent, indem die kleinen Unpässlichkeiten der Menschen betont werden „Schnupfen“, die weit entfernt sind von den realen Katastrophen, wie sie die letzte Zeile präsentiert. Sie stellt eine eindeutige Steigerung der dritten Zeile dar – einfach von den anzunehmenden Opferzahlen her, aber auch durch den Zusammenbruch der Infrastruktur, also des Bereichs, der normales Leben überhaupt erst möglich macht.