Welche Bedeutung hat der Chip in Juli Zehs Roman „Corpus Delicti“?

Das Folgende ist ein Beispiel, wie man systematisch eine Frage zu einem literarischen Text beantwortet:

Frage:

Welche Bedeutung hat der Chip in Juli Zehs Roman „Corpus Delicti“?

  1. Als erstes geht man allgemein auf die Bedeutung des Chips ein und nutzt dabei die entsprechenden Textstellen:
    1. S. 52: Erstaunlicherweise wird der Chip nur zweimal erwähnt – aber das ist möglicherweise auch bezeichnend. Auf der S. 52 gehört es zur Verhandlung vor Gericht, dass die aktuellen Daten, die im Chip gespeichert sind, eingelesen werden. Dabei geht es im Diktatur-Reich der „Methode“ vor allem um die Frage von Verstößen gegen die strengen Gesundheitsregeln.
    2. Das zweite Mal wird der Chip erwähnt, als Mia, nachdem sie gefoltert worden ist, von Kramer besucht wird. Hier lässt sie ihn gar nicht ausreden oder irgendeinen Vorschlag machen, sondern geht gleich in die Offensive. Das bedeutet, dass sie ihn aus einem Versteck im Fußboten eine Nadel herausholen und sich geben lässt. Mit ihr holt sie sich aus dem Oberarm den Chip heraus.
  2. Dann geht man genauer auf die Textstellen und ihren Kontext ein:
    1. Das gehört wohl zum „Erwachsensein“ dazu, das sie sich selbst zuspricht, während sie Kramer als eine Art Muttersöhnchen der „Methode“ sieht, auf die er allerdings in einer Art Selbstüberhebung herabsehen will.
    2. Den blutigen Chip überreicht sie Kramer: „Nehmen Sie. Das bin ich. Ihr rechtmäßiger Besitz […] Der Rest bleibt hier und gehört niemandem mehr […] Vollkommen ausgeliefert, also vollkommen frei. Ein heiliger Zustand. Gehen Sie jetzt. Der Rest möchte ruhen.“
    3. Am Ende erringt Mia zumindest einen Teilsieg über ihren Kontrahenten. Der stellt nämlich fest: „Der Stolz der Märtyrerin.“ Der Erzähler kommentiert das allerdings von seiner höheren Warte aus mit: „Der Verachtung, die er in diese Worte legt, scheint er aber selbst nicht ganz zu trauen.“
  3. Fazit: Der Chip hat im Roman eine doppelte Bedeutung:
    1. Zum einen ist er ein Zeichen von Macht, Kontrolle und letztlich auch Unterdrückung.
    2. Mia zeigt sich allerdings in der besprochenen Episode als jemand, der sich davon befreit und sich dann auch auf eine ganz eigene Weise „frei“ fühlt – ganz gleich, was jetzt noch mit ihr gemacht wird.

Wer noch mehr möchte