Wie man einem König die Wahrheit sagt – Parabel (Mat516)

Die Geschichte von dem König, der sein eigenes Urteil sprach

Diese Geschichte ist eine moderne Nacherzählung der Geschichte aus dem Alten Testament der Bibel, in dem ein König Opfer seiner eigenen Urteilskraft wird. Man kann an ihr sehr gut zeigen, was eine Parabel ist und wie sie funktioniert.

In der Bibel ist die Vorlage zum Beispiel hier zu finden.

Diese moderne Adaption soll mögliche Widerstände gegenüber dem alten Text aus der Bibel gar nicht erst aufkommen lassen. Es wäre einfach zu schade, wenn die „Mutter aller Parabeln“ nicht mehr einfach im Unterricht zu nutzen wäre.

Die modernisierte Textvorlage

Die Geschichte von dem König, der sein eigenes Urteil sprach …

Es war einmal ein König, der war gerecht, aber auch ein bisschen eigensinnig. Eines Tages führte er mal wieder Krieg und schickte seinen besten General in die Schlacht. Er selbst blieb zu Haus und dachte über die Zukunft des Landes nach. Es gab so viel zu regeln, so viel Unordnung, ja sogar Verbrechen. Dagegen wollte er in Zukunft härter vorgehen.

Bis in die Nacht arbeitete er an seinen Plänen – als er am späten Vormittag des nächsten Tages erwachte, stieg er erst mal aufs flache Dach des Hauses und – traute seinen Augen nicht. Auf dem Dach des Nachbarhauses sonnte sich eine Frau – kaum bekleidet. Der König konnte seine Augen fast nicht abwenden und schickte gleich seinen Sekretär los, um herauszubekommen, wer die Frau war. Bald wusste er Bescheid – es war die Frau seines Generals, die während der Abwesenheit ihres Mannes bei ihrer Schwester untergekommen war.

Was tun – von Tag zu Tag nagte die Leidenschaft mehr an diesem König. Schließlich fasste er einen verhängnisvollen Entschluss. Er ließ einen Befehl an den Stellvertreter des Generals formulieren. Er sollte dafür sorgen, dass beim nächsten Angriff – führende Offiziere kämpften damals noch ganz vorne mit – plötzlich sich alle Soldaten zurückzogen, so dass der General ganz allein dem Feind gegenüberstand. Den Rest würde sich dann schon selbst erledigen.

Und so geschah es denn auch. Der General war tot – seine Frau frei. Ein bisschen gewartet – dann machte der König der Witwe einen Heiratsantrag. Königin zu werden war ein ausreichend attraktives Angebot.

Jetzt hätte alles gut sein können.

Aber da gab es diesen Richter, dem der Stellvertreter des Generals alles erzählt hatte. Was tun? Nun damals lernte man in der Schule noch Dinge, mit denen sich etwas anfangen ließ: Also dachte sich der Richter eine Geschichte aus, mit der er dafür sorgen wollte, dass sich der König im Netz der eigenen Gedanken verfing.

Der König hatte sich wieder riesig geärgert über die wachsende Kriminalität im Land und war so richtig in Todesstrafenstimmung. Und jetzt hörte er die Geschichte von einem reichen Vielzüchter, der Tausende von Schafen besaß. Soviel hatte er vor allem, weil er sich angewöhnt hatte, einfach anderen die ihre Schafe wegzunehmen, wenn er Besuch bekam und die Tafel gedeckt werden musste.

Diesmal traf es seinen armen Nachbarn, der nur ein einziges Schaf besaß. Alles Jammern half nichts – es landete am Grillspieß des reichen Mannes.

Der König konnte kaum noch an sich halten, als er davon hörte. Hatte er nicht noch vor kurzem gedroht, die besonders zu bestrafen, die ihre Macht und ihren Einfluss missbrauchten. Es brach aus ihm heraus: „Der Mann ist ein Mann des Todes – bring ihn mir gleich her.“

Schon wollte er sich abwenden und das Todesurteil unterschreiben – die Formulare lagen fertig auf dem Tisch, als der Richter ihn noch einmal ansprach: „Ist das nicht zu hart – immerhin geht es hier nur um ein Schaf!“ Damit kam er aber gar nicht bei dem König an: „Es geht nicht um das Schaf, es geht um die Gemeinheit, einem armen Mann das Einzige wegzunehmen, was er hat. Es bleibt dabei – die Hinrichtung ist morgen früh.“

Der Richter ging und ließ sich ein Bild des Königs bringen, wie es in den Amtsstuben des Reiches überall hing.

Als er beim König eintrat, war dieser sehr erstaunt, als er statt des Verbrechers nur ein Paket sah, das der Richter unter dem Arm trug. Er nahm es, zerriss die Verpackung und … erstarrte.

„Was soll das?“ Zunehmende Wut war im Gesicht des Königs zu sehen – er hatte schließlich noch anderes zu tun, als solchen Späßen zuzuschauen.

Der Richter sagte nur: „Dieser Mann hat dem General das Liebste genommen, das er hatte.“ Dann ging er.

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