Worum es hier geht:
Vorstellung von: Wolf Biermann, „Ballade vom Briefträger William L. Moore“
- Am Anfang sollte man sich immer Gedanken zum Titel machen:
- Ballade = Erzählgedicht mit dramatischem Inhalt
- Briefträger = einfacher Arbeitnehmer
- der allerdings Kontakt zu vielen Leuten hat und letztlich auch für sie wichtig ist.
- Name klingt englisch-amerikanisch.
- Strophe 1
- Einordnung in eine historische Situation – der immer noch vorhandenen Rassentrennung in den USA, 1963 schon zur Zeit Kennedys
- Wenn man „Rassentrennung USA 1963“ googelt, ist man schnell bei Präsident Kennedy, der die Rassentrennung 1964 aufhob.
https://www.deutschlandfunk.de/50-jahre-gleichberechtigung-die-aufhebung-der.724.de.html?dram:article_id=290732 - Auf der Seite
https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerrechtsbewegung
kann man sich sehr gut über die Vorgeschichte informieren, dort ist vor allem von einer Strategie zivilen Ungehorsams die Rede, die es genau in der im Gedicht erwähnten Zeit gab. - Hier geht es um einen Briefträger namens William L. Moore, von dem vier Dinge erwähnt werden: Seinen Umzug in die Südstaaten der USA, in denen die Rassentrennung noch galt. Dann geht es um seinen Protest, bei dem er erschossen wurde. Hier deutlich gemacht, dass gezielt auf ihn geschossen wurde. Der oder die Täter werden nicht erwähnt.
- In der zweiten Strophe gibt es dann einen Rückblick auf das Leben des Briefträgers. Hervorgehoben werden der Sonntag als Ruhetag, seine Armut und sein Wohnort in Baltimore. Das Haus wird wohl nicht ihm gehört haben oder er war trotzdem arm.
- In der dritten Strophe geht es dann um seinen Aufbruch in den Protest hinein, ihm geht es um eine gleichberechtigte Vereinigung von Schwarz und Weiß – und er ist ein Einzelkämpfer.
- Die vierte Strophe macht deutlich, dass er im Zug unterwegs Zustimmung bekommt. Wahrscheinlich ist er noch in den Nordstaaten mit mehr Gleichberechtigung.
- Die fünfte Strophe sieht ihn schon in Alabama, also in den Südstaaten, dort ist erst mal sein einziges Problem, dass ihm die Füße weh tun. Da er aber auch dort sein Schild hochhält, ahnt man schon, dass es Probleme geben wird.
- In der sechsten Strophe dann deuten sich die Probleme an, ein Vertreter der Staatsgewalt und wohl auch der herrschenden Weißen im Süden, die den Sheriff gewählt haben, äußert Unverständnis und deutet auch eine Warnung an: „Junge, bedenke den Preis“. Dass dann die Sprüche auf dem Plakat am Ende der Strophe stehen, macht deutlich, dass dieser Briefträger bei seiner Meinung bleiben wird.
- In der siebten Strophe findet er einen Freund, aber nur einen Hund. Beide werden schon von Steinwürfen getroffen, aber das Plakat bleibt.
- In der 8. Strophe wird er mit einem Getränk und heimlicher Zustimmung unterstützt.
- Dann heißt es lakonisch „Last Day“ und auch hier wird ganz nüchtern und scheinbar beschönigend sein Tod dargestellt: „Blühten drei rote Nelken blutrot / Auf seiner Stirne“. Das Schild bleibt und hervorgehoben wird „und er starb ganz allein“.
- Am Ende heißt es „und er bleibt nicht allein“. Das soll wohl darauf hinweisen, dass andere ihm folgen – in den Tod? Die Ballade bleibt hier am Ende sehr offen.
Anmerkungen zu der Ballade
- Die Ballade lässt einen ziemlich ratlos zurück.
- Alles wird sehr distanziert, nüchtern erzählt.
- Hervorgehoben wird nur
- die Selbstverständlichkeit seiner Aktion
- ziemlich viel Zustimmung, im Zug und sogar von der Frau in den Südstaaten
- und dann doch die Kugeln.
- Angedeutet wird vom Sheriff, dass für solch eine Aktion ein Preis gezahlt werden muss, in diesem Falle sogar das Leben.
- Ansonsten bleibt offen, ob der Sheriff ihn auch erschossen hat oder irgendwelche anderen Leute.
- Das erscheint uns doch als ein erster Schwachpunkt, weil die Motive völlig außen vor bleiben.
- Ebenso problematisch ist die Unklarheit am Schluss.
- Letztlich sagt das Gedicht nicht viel aus, hier wird nur ein Zufallssplitter aus dem großen Ganzen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung herausgegriffen.
- Alles wirklich Wichtige muss man außerhalb des Gedichtes suchen.
- Bei aller Wertschätzung für Wolf Biermann ist man über diese Selbstbeschränkung einer dichterischen Aussage doch sehr irritiert.