Kafka, „Die Verwandlung“ – Interpretation der ersten Textsignale

Die Ausgangssituation

  1. „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“
    • Man sieht hier, dass es möglicherweise eine Vorgeschichte gibt, die zu „unruhigen Träumen“ führt.
    • Wichtig dann noch der klare Hinweis des Erzählers, dass dieser Mensch sich „zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“ sieht.
    • Später wird man sich möglicherweise fragen, ob diese Verwandlung sich nicht schon früher entwickelt hat, hier aber jetzt plötzlich die Erkenntnis über Samsa hereinbricht.
  2. „»Was ist mit mir geschehen?«, dachte er. Es war kein Traum.“
    • Interessant ist, dass Samsa hier einmal die entscheidende Frage stellt, sie später aber nicht mehr aufgreift, sondern sich einfach mit seinem Schicksal abfindet und versucht, so zu tun, als wäre alles normal.
  3. Ein Bild, das ihm in die Augen fällt „stellte eine Dame dar, die mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob.
    • Möglicherweise wird hier etwas von dem wahren Leben sichtbar, das Samsa sich immer oder schon seit längerem wünscht.“
  4. Samsa denkt dann: „Wie wäre es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten vergäße«, dachte er, aber das war gänzlich undurchführbar, denn er war gewöhnt, auf der rechten Seite zu schlafen, konnte sich aber in seinem gegenwärtigen Zustand nicht in diese Lage bringen“
    • Hier beginnt der Versuch, sich nicht mit seiner wirklichen Lage auseinanderzusetzen, deshalb spricht er von „Narrheiten“.
  5. „»Ach Gott«, dachte er, »was für einen anstrengenden Beruf habe ich gewählt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen sind viel größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!«“
    • Hier wird deutlich, wie unzufrieden Samsa mit seinem Beruf ist.
  6. „»Dies frühzeitige Aufstehen«, dachte er, »macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muss seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zurückgehe, um die erlangten Aufträge zu überschreiben, sitzen diese Herren erst beim Frühstück. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich würde auf der Stelle hinausfliegen. Wer weiß übrigens, ob das nicht sehr gut für mich wäre. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, ich hätte längst gekündigt, ich wäre vor den Chef hin getreten und hätte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt.“
    • Deutlich wird hier, dass Samsa nicht nur seinen Beruf nicht liebt, sondern sich auch gegenüber anderen in der schlechteren Position sieht.
    • Wichtig auch, dass Samsa sich hier so versteht, dass er sich für seine Eltern opfert.
  7. „Nun, die Hoffnung ist noch nicht gänzlich aufgegeben; habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen – es dürfte noch fünf bis sechs Jahre dauern – , mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der große Schnitt gemacht. Vorläufig allerdings muss ich aufstehen, denn mein Zug fährt um fünf.«“
    • Am Ende dieses Abschnittes macht er sich Mut und glaubt an eine Erlösung. Die hat natürlich nichts mit seiner gegenwärtigen „Ungeziefer“-Situation zu tun.
    • Eine zentrale Wendung ist „der große Schnitt“, der sein Leben völlig verändern soll. Er lebt offensichtlich ein falsches Leben.
    • Am Ende dann das völlig fehlende Bewusstsein seiner wirklichen Situation.