5-Minuten-Tipp zu Annette von Droste-Hülshoff, „Das alte Schloss“ (Mat5596)

Das folgende Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff ist u.a. hier zu finden.

Das alte Schloss

  1. Auf der Burg haus‘ ich am Berge,
  2. Unter mir der blaue See,
  3. Höre nächtlich Koboldzwerge,
  4. Täglich Adler aus der Höh‘,
  5. Und die grauen Ahnenbilder
  6. Sind mir Stubenkameraden,
  7. Wappentruh‘ und Eisenschilder
  8. Sofa mir und Kleiderladen.
  • Das lyrische Ich beschreibt seine eigene Situation
  • Burg = Adelskontext? – unterstützt durch „Ahnenbilder“
  • Ansonsten romantische Umgebung
  • Betonung der Vertrautheit
  1. Schreit‘ ich über die Terrasse
  2. Wie ein Geist am Runenstein,
  3. Sehe unter mir die blasse
  4. Alte Stadt im Mondenschein,
  5. Und am Walle pfeift es weidlich,
  6. – Sind es Käuze oder Knaben? –
  7. Ist mir selber oft nicht deutlich,
  8. Ob ich lebend, ob begraben.
  • Veränderung der Situation ins Konkrete hinein
  • Auffällig den Selbst-Vergleich mit einem „Geist“
  • Signale „blasse“ „Alte“ -> vergangen?
  • Am Ende  deutliches Gefühl der Unsicherheit – zwischen „lebend“ und „begraben“
  • Fazit: Eindruck verstärkt sich, dass das lyrische Ich in einer abgelebten Zeit lebt, aber noch ein Rest an Leben in ihm ist.
  1. Mir genüber gähnt die Halle,
  2. Grauen Thores, hohl und lang,
  3. Drin mit wunderlichem Schalle
  4. Langsam dröhnt ein schwerer Gang;
  5. Mir zur Seite Riegelzüge,
  6. Ha, ich öffne, lass die Lampe
  7. Scheinen auf der Wendelstiege
  8. Lose modergrüne Rampe,
  • Weitere Signale des Nicht-Lebendigen, der Vergänglichkeit
  • In der zweiten Hälfte dann eine Art Selbst-Ermannung (oder auch „Selbst-Erfrauung“): Das lyrische Ich wird aktiv, geht auf Erkundung aus – Zeichen für den Beginn eines Sprungs weg aus der alten Welt.
  1. Die mich lockt wie ein Verhängniss,
  2. Zu dem unbekannten Grund;
  3. Ob ein Brunnen? ob Gefängnis?
  4. Keinem Lebenden ist’s kund;
  5. Denn zerfallen sind die Stufen,
  6. Und der Steinwurf hat nicht Bahn,
  7. Doch als ich hinab gerufen,
  8. Donnert’s fort wie ein Orkan.
  • Locken der Unterwelt
  • Fortsetzung der Unsicherheit
  • Dann Betonung des Eindrucks, der sich schon am Anfang ergeben hat, dass hier etwas zerfällt.
  • Unklar, was die donnernde Antwort ist bei der Prüfung der Tiefe. Das „Doch“ deutet hin auf einen Gegensatz.

 

  1. Ja, wird mir nicht baldigst fade
  2. Dieses Schlosses Romantik,
  3. In den Trümmern, ohne Gnade,
  4. Brech‘ ich Glieder und Genick;
  5. Denn, wie trotzig sich die Düne
  6. Mag am flachen Strande heben,
  7. Fühl‘ ich stark mich wie ein Hüne,
  8. Von Zerfallendem umgeben.
  • Das könnte hier die donnernde Antwort sein:
  • Dass dem lyrischen Ich die „Romantik“ des „Schlosses“, also seine Heimat „fade“ wird, also unangenehm.
  • Verstärkung des Gefühls des Verfalls, verbunden mit Gefährdung der eigenen Existenz.
  • Dann „Denn“ = die Begründung: Selbstbeschreibung als „Düne“ = „trotzig“ = bemüht um Widerstand gegen die Entwicklung,
  • Sie fühlt sich stark „wie ein Hüne“ – „von Zerfallendem“ umgeben.
  • Offen bleibt, wie der Schluss zu werten ist.
    • Kann das lyrische Ich dem Zerfall trotzen?
    • Wohl eher nicht, denn es macht sich nur Mut,
    • an den Verhältnissen ändert sich aber nichts.

Insgesamt ist dieses Gedicht am besten zu verstehen als Zeichen für das Selbstverständnis eines adligen Ichs (hier liegt die Nähe zur Autorin nahe), die erkennt, dass sie in einem alten und sogar verfallenden Schloss lebt, dies erkennt, sich dem aber nur mit Trotz entgegenstellen kann. Eine Lösung des Problems ist nicht sichtbar.

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