5-Min-Tipp zu Storm, „Über die Heide“: Wie überprüft man eine Deutungshypothese? (Mat5196)

Worum es hier geht:

Es geht darum, ein Gedicht und seine Aussage möglichst schnell zu verstehen und dabei mit einer Deutungshypothese zu arbeiten:

Zu finden ist der Text z.B. hier.

Nach dem ersten Lesen kommt man auf die Idee, dass das Gedicht den Umgang eines Menschen mit vergangenem Glück deutlich machen soll.

Theodor Storm

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.

  • Doppel-Situation: Über der Erde = das lyrische Ich
  • Darunter eine andere Welt, man weiß nicht, welche Bedeutung das hat.
  • Nachtrag: Angedeutet werden sollen die Dinge, die das lyrische Ich bedrückt und/oder traurig stimmen.
  • Das Dumpfe steht also für die gesamte Situation.
  • Zur Deutungshypothese:
    „Dumpf“ zeigt eine unangenehme, evtl. gefährliche Situation

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –
Gab es denn einmal selige Zeit?

  • Wechsel zu den Jahreszeiten
  • Und bange Frage, ob es eine „selige Zeit“ gegeben hat, jetzt, wo die schönen Jahreszeiten zu Ende sind und es lange dauert, bis sie wiederkehren.
  • Zur Deutungshypothese:
    Konkretisierung: Ausgangspunkt ist der Wechsel der Jahreszeiten mit dem aktuellen Schwerpunkt auf dem Herbst – als dem Übergang vom Sommer zum Winter. Die Infragestellung, ob es eine „selige Zeit“ gegeben habe, zeigt, dass es wohl um mehr als Sonne und Wärme geht.

Brauende Nebel geisten umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.

  • Diese Strophe unterstreicht die beunruhigende, wenig schöne Atmosphäre der Gegenwart.
  • Interessant die Verbindung von „brauend“ = da braut sich was zusammen und Nebel = Ungewissheit -> Angst
  • Zur Deutungshypothese:
    Hier wird die Situation genauer beschrieben bzw. veranschaulicht, die weit von „seligen“ Zeiten entfernt ist.

Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe – wie flog es vorbei!

  • Rückblick auf den Wonnemonat
  • Und nicht ganz überzeugende Reue, wenigstens damals etwas Schönes erlebt zu haben.
  • Zur Deutungshypothese:
    Am Ende dann die entscheidende Aussage: Das lyrische Ich ist jahreszeitlich bedingt in einer etwas niedergeschlagenen, düsteren, melancholischen Verfassung.
  • Was zunächst einmal die Liebe angeht, die steht sicher im Vordergrund.
  • Aber die wird mit dem Leben verbunden.
  • Die Deutungshypothese, dass das Gedicht den Umgang eines Menschen mit vergangenem Glück deutlich machen soll, hat sich bestätigt und zugleich konkretisiert. Das vergangene Glück wird nicht mehr als Wert begriffen, sondern nur aus der Perspektive der Gegenwart betrachtet, ja sogar rückwirkend infragegestellt.

Anregung::
Insgesamt eine gute Gelegenheit, darüber zu diskutieren, wie traurig man sein soll, wenn etwas Schönes in der Vergangenheit liegt.
Ist die Erinnerung nicht besser als nichts?

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