Anders Tivag, „Fürsorgliche Schutzbestimmung“

Wir präsentieren im Folgenden eine satirisch angehauchte Kurzgeschichte, die sich mit der Frage des Datenschutzes im Internet, aber auch zum Beispiel bei Restaurantbesuchen beschäftigt.

Video und Dokumentation

Dazu gibt es auch ein Video.

https://youtu.be/BCugh0kYwhw

Die Dokumentation dazu kann hier angeschaut bzw. heruntergeladen werden.

Mat4135 Mo2015 Anders Tivag, Fürsorgliche Schutzbestimmung

Audio-Präsentation der Kurzgeschichte

Wer möchte, kann sich die Kurzgeschichte hier auch anhören.

Der Text der Kurzgeschichte / Satire / Parabel

Anders Tivag

Fürsorgliche Schutzbestimmung

  1. Nennen wir ihn Harry. Er kochte gern  und anscheinend sehr gut. Jedenfalls sagten das alle, die er mal zum Essen eingeladen hatte.
  2. Da lag es doch nahe, ein eigenes kleines Restaurant zu eröffnen. Es lief auch ganz gut an, die Gäste waren glücklich und er kam erst mal über die Runden. Alles andere würde sich ergeben.
  3. Dann eines Tages der Schrecken. Im Briefkasten die Abmahnung eines Anwalts. Der bedankte sich zunächst für das ausgezeichnete Essen. Dann kam er schnell zur Sache. Es tue ihm leid, dass er sich jetzt diese Arbeit mit diesem Brief machen müsse. Aber auf dem Nachhauseweg sei ihm aufgefallen, dass er beim Eintritt überhaupt nicht diese Erklärung habe unterschreiben müssen. Jeder Gast musste sich doch jetzt erst mal einverstanden erklären, dass jede Menge Daten von ihm erhoben wurden, sobald er das Restaurant betrat.
  4. Jeder in dem Lokal wusste dann doch, wie er aussah, ob er sich wohlfühlte, welche Kleidung er gewählt hatte und vieles mehr.
  5. Es tue ihm leid, so der Anwalt, dass er sich mit diesem Eingriff in die Welt seiner informationellen Selbstbestimmung überhaupt beschäftigen müsse. Von daher seien die 500 € auf jeden Fall berechtigt, die er mit diesem Brief in Rechnung stellen müsse.
  6. Am Schluss wurde unserem frischgebackenen Restaurantbesitzer noch empfohlen, diesen Mangel möglichst schnell abzustellen. Es wäre doch schade, wenn eine solche Bereicherung des Stadtteils bald den Betrieb einstellen müsste. Das Geld sollte doch lieber weiterhin in gute Zutaten investiert werden und nicht in unnötige Kosten.
  7. Harry war die Sache sehr peinlich. Er beschloss den Anwalt anzurufen.
  8. Nach kurzer Suche im Internet hatte er die Kontaktdaten. Am anderen Ende die Sekretärin. Kaum hatte er seinen Namen gesagt, große Begeisterung. Sie beglückwünschte ihn zu seinem Restaurant. Ihr Chef habe sie auch sofort dorthin eingeladen. Dann könnte man bei der Gelegenheit doch auch gleich einen Termin machen.
  9. Harry meinte nur, er brauchte jetzt erst mal ein paar Tage, um wichtige Dinge zu erledigen. Schließlich musste das mit dem Formular ja geklärt werden.
  10. Aber am nächsten Wochenende müsste sich das arrangieren lassen. Er notierte sich den Termin für Samstag, 19:00 Uhr. Dann wurde sein Anruf an den Anwalt weitergeleitet.
  11. Dem war die Sache offensichtlich immer noch ein bisschen unangenehm. Jedenfalls zeigte er Mitgefühl. Harry hätte das doch eigentlich wissen müssen. Dann der Hinweis auf die Cookie-Auswahlboxen für Internetseiten. Die seien zwar durchaus etwas nervig. Aber man müsse eben Akzente setzen. Datenschutz sei wichtig. Außerdem könnte man doch froh sein, wenn diese Fürsorglichkeit beim Umgang mit Privatem jetzt auch auf Restaurants u.ä. ausgeweitet werde.
  12. Dann der augenzwinkernde Rat: Für diese Cookie-Hinweise gebe es doch inzwischen professionelle Hilfe, sicher auch für Restaurantbesitzer. Er könne ihn da gerne anwaltlich beraten.
  13. Harry war nicht mehr recht bei der Sache. Der Anwalt hatte ihn auf eine Idee gebracht. Er sagte nur noch. „Danke für den Tipp. Ich werde meine Kochkünste auch ins Internet verlagern – so online-shop-mäßig. Da kann ich ja auf schon vorhandene Hilfen für Webseiten zurückgreifen.
  14. Aber das dauert natürlich ein bisschen. Dafür können Sie das Essen mit Ihrer Sekretärin dann leicht online bestellen und haben mehr Zeit für Ihre anwaltliche Tätigkeit.
  15. Bis dahin empfehle ich das Drive-in-Restaurant an der nächsten Kreuzung, kann man von meinem Restaurant aus schon sehen. Aber nicht vergessen, vor dem Anhalten Strumpfmaske aufzusetzen.. Dann sind Sie optimal geschützt.“
  16. Der Gedanke gefiel ihm so, dass er kurz auflachen musste. Dann legte er auf.

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