Anders Tivag, „Mauerloch-Spiele“ – oder Ermutigung, einfach „sein Ding“ zu machen (Mat5631)

Worum es hier geht:

Mit dieser Geschichte sollen Schülerinnen und Schüler ermutigt werden, im Deutschunterricht einfach mal eigene Akzente zu setzen.

Anders Tivag

Ronny und seine kleinen Mauerloch-Spiele

Sie nannten ihn Ronny. Er war nicht gut in Deutsch – aber er hatte Lust auf den einen oder anderen kleinen Sieg. Also probierte er einfach hin und wieder das aus, was ein großer chinesischer Stratege so formuliert hatte:

„Jeder hat eine Chance, wenn er die Lücke in der Mauer des Gegners sieht und sie lächelnd grüßend durchschreitet.“

Für ihn war die Mauer zum Beispiel der Deutschunterricht.

Dahinter stand der Gegner mit seinem Plan.

Und bevor jetzt Kritik kommt: Gegner bedeutet nicht Feind – sonst gäbe es beim Tischtennis zum Beispiel keine Verlierer, sondern Tote – und das wollen wir nicht.

Bleibt die Frage, was unter der Lücke zu verstehen ist.

Natürlich die in der Vorbereitung der Lehrkraft.

Also musste man sich etwas überlegen, was den Gegner überraschte und man musste dabei lächeln und gerne auch ehrerbietig den Kopf neigen.

Also dann: Sie sollten die dritte Szene des I. Aktes von Kabale und Liebe lesen.

Der Inhalt ist hier jetzt mal egal. Denn Ronny wollte ja die Lücke nutzen.

Und die bestand darin, dass Luise, so hieß die unglücklich als Bürgerstochter einen jungen Adligen Liebende ihren Vater beruhigte und sagte – er hatte das mal für sich so kurz zusammengefasst:

  1. Ach Vater, ich will diesen Ferdinand ja gar nicht für dieses Leben.
  2. Mir reicht es, an ihn zu denken.
  3. Aber dann – wenn Gott kommt und die Standesgrenzen verschwinden – dann zählen die ganzen Adelstitel nicht mehr, dann kommt es nur noch auf die Herzen an.
  4. Wir sind uns dann gleich und können gemeinsam Hand in Hand in die Ewigkeit der Liebe eingehen.

Er fand diese Rede ganz schön originell – obwohl er seine Hoffnungen noch nicht aufs Jenseits richten wollte.

Und jetzt kam die Lücke in der Mauer des Gegners: Diese Luise war ja nicht viel älter als sie selbst und hatte noch ein ganzes Leben vor sich.

Also würde er die Frage stellen:

„Gehören zu einem solchen Verzicht auf die Liebe in diesem Leben nicht immer zwei? Kennt diese Luise ihren Ferdinand überhaupt ein bisschen und kann davon ausgehen, dass er bei diesem Wartespiel mitmacht?“

Und er hatte sich fest vorgenommen, dabei unschuldig zu lächeln. Er war eigentlich weniger auf die Antwort der Lehrkraft gespannt als auf die erstaunten, vielleicht sogar entsetzten Gesichter seiner Mitschüler und vor allem Mitschülerinnen. Denn von denen hieß es ja, sie seien beziehungsmäßig 2 Jahre weiter. Es würde auf jeden Fall spannend werden.

Mat5631 Anders Tivag Mauerloch-Spiele

Weitere Infos, Tipps und Materialien