Anders Tivag, Jeder verdient eine zweite Chance – wirklich jeder? (Anstoßtext, Mat303)

Ein Text, über den man diskutieren kann.

Unten gibt es eine Kopiervorlage.

Anders Tivag,

Jeder verdient eine zweite Chance – wirklich jeder?

Wohl jeder stimmt heute dem Satz zu, dass man eine zweite Chance bekommen sollte. Schwieriger wird es, wenn man sich Situationen vorstellt, in denen dieser Satz angewendet werden soll. Fangen wir mit einem berühmten Fall an, bei dem eine Kassiererin fristlos entlassen wurde, die Flaschenpfandbons an sich genommen hatte, die Kunden liegengelassen hatten. Mehrere Gerichte bestätigten die Entlassung zunächst, weil dadurch angeblich das Vertrauen zwischen der Firma und der Angestellten irreparabel zerstört worden sei. Erst das höchste deutsche Arbeitsgericht entschied anders und gab damit der Angestellten eine zweite Chance.

Schwieriger wird es schon, wenn jemand zu Recht eine Gefängnisstrafe bekommen hat und nach ihrer “Verbüßung” (übrigens ein interessantes deutsches Wort) wieder arbeiten möchte. Hier muss man wohl unterscheiden, ob jemand einen Kassierer einstellen kann, der schon mal Geld unterschlagen hat. Anders sieht es sicher aus, wenn jemand gegenüber dem Verführer seiner Freundin handgreiflich geworden ist und ernsthaft erklärt, daraus gelernt zu haben.

Was aber ist mit den vielen kleinen Fällen, die alltäglich passieren. Da rutscht jemandem eine Beleidigung heraus – und er entschuldigt sich gleich. Oder aber jemand sagt seine Meinung – und andere weisen ihn darauf hin, dass das als ausländerfeindlich oder als unmenschlich verstanden werden konnte. Darf so jemand sich wenigstens erklären und im Idealfall einsehen, dass er vorschnell geurteilt oder nicht an alles gedacht hat, was dazu gehört?

Wir haben genug echte Bösewichte in der Welt – sollten wir da nicht froh sein über jeden, der auf Kritik hört oder etwas sogar selbst einsieht?

 

Mögliche Aufgaben:

  1. Fasse zunächst mit eigenen Worten kurz zusammen, worum es in diesem Text geht.
  2. Was spricht dafür, Menschen eine zweite Chance zu geben?
  3. In welchen Fällen wird es schwierig oder geht gar nicht?
  4. Formuliere in einem kurzen Statement deine Meinung zu dem Vorschlag, am besten in der Form, dass du zunächst auf die Vorteile der Gegenmeinung eingehst („zwar …“) und dann deine eigene Meinung präsentierst und begründest.
  5. Überlege dir, wie du deine Meinung in einem Leserbrief bzw. in einem gut begründeten Forumseintrag formulieren könntest. Achte dabei auch auf einen Einstieg, der Interesse weckt.

Mat303 Anstoßtext Recht auf eine zweite Chance

Weiterführende Hinweise