Anstoßtext: Die beiden größten Feinde der Kommunikation – bzw. der Verständigung (Mat7100)

Lars Krüsand,

Die zwei größten Feinde der Kommunikation

  1. Im Folgenden geht es uns zwar um Kommunikation, aber nicht in dem Sinne, dass man mit einander geredet hat, sondern dass man sich „verstanden“ hat.
  2. Das ist von entscheidender Bedeutung, um zum einen Konflikte zu entschärfen oder noch besser: gar nicht entstehen zu lassen. Zum anderen ist Verständigung nötig, wenn man gemeinsam Ziele erreichen will.
  3. Nun gibt es zwei große Feinde für diese Aufgabe des Sich-Verstehens oder Sich-Verständigens: Zum einen neigt man heute dazu, Gedanken an Personen festzumaschen. Wenn jemand ein schlechtes Image hat, dann wird nicht mehr auf das geachtet, was er sagt, sondern die Sache gleich vom Tisch gefegt.
  4. Wer sich mit Institutionen und Organisationen auskennt, weiß, dass man erst mal eine bestimmte Position erreicht haben muss, damit die Gedanken überhaupt ernstgenommen werden – zumindest geht das leichter.
  5. Darum ist es sicher gut, wenn in bestimmten Brainstorming-Situationen einfach Ideen auf einen Zettel geschrieben und dann diskutiert werden – ohne dass man weiß, von wem sie kamen. Allerdings geht das nicht immer, darum sollte man sich angewöhnen, mehr auf den Gedanken zu achten als auf ihren Urheber.
  6. Es gibt aber noch ein zweites Problem und das wurde in einer Podiumsdiskussion im Scala Basel am 3.3.2018 von Thomas Meyer sehr deutlich formuliert. Anschauen kann sich jeder die entsprechende Passage auf Youtube  beginnend ab Minute 34,47:
    https://youtu.be/u730_dCSBzo
  7. Dort wird nämlich sehr gut herausgearbeitet, dass die Wörter, die wir verwenden, häufig eine Art politische oder kulturelle Bewertungsfarbe haben.
  8. Besonders gefährlich wird es, wenn diese Wörter dann sogar zu Reizwörtern werden. Denn das bedeutet, dass die Reaktion darauf schon absehbar ist.
  9. Es wird über die Dinge, die hinter diesen Wörtern stecken, nicht mehr nachgedacht.
  10. Thomas Meyer hat in diesem Zusammenhang auf die Arbeit des Übersetzers verwiesen: Wenn der nicht einfach entsprechend einer Wörterbuchliste ein Wort aus der einen Sprache durch eins ersetzen will, das in der Liste auf der anderen Seite steht, dann muss er zunächst einmal den Sinn des Gesagten ermitteln. Er ist dann gewissermaßen in einem Zwischenraum. Anschließend sucht er für den Gedanken, nicht mehr für das Ausgangswort, ein passendes in der Zielsprache.
  11. In der privaten Kommunikation ist das Problem noch größer, weil jeder Mensch seine individuellen Reizwörter hat, bei denen er sofort „zumacht“. Man spricht dann von Konnotationen, also den individuell mitschwingenden Bedeutungen.
  12. Jetzt haben wir also zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nicht nur diese individuellen Begriffsfärbungen gibt, sondern eben auch kollektive – entsprechend den vorherrschenden Auffassungen in einer bestimmten Zeit.
  13. Wer sich aber an die immer hält, kann eine Gesellschaft nicht weiterentwickeln.
  14. In dem Gespräch tauchte dann auch noch die Frage auf, ob neben solchen Zwischenraum-Gedanken, die sich von den Wörtern und ihren Färbungen gelöst haben, nicht auch die Poesie, also das Sprechen in sprachlichen Bildern eine Möglichkeit darstellen könnte, aus der Vor-Färbungs-Falle bei den Wörtern herauszukommen.
  15. Hier fällt einem besonders die Parabel ein, in der Leuten mit Denkblockaden eine Geschichte mit einer anderen, aber parallelen  Situation erzählt wird, die weit von ihnen weg ist. Wenn sie dann dort der neuen Erkenntnis zugestimmt haben, kann man den Rückflug antreten zum Ausgangsproblem.
    Näheres dazu zum Beispiel hier:
    https://www.schnell-durchblicken.de/durchblick-auch-in-deutsch/fragen-und-antworten/parabel/
  16. Was für die Parabel ganz besonders gilt, ist letztlich auch bei Gedichten, Kurzgeschichten oder Schauspielen gegeben: Auch dort wird etwas präsentiert, was in der Aussage in der Regel nicht gleich festgelegt ist. Wenn man Aussage und Sinn erst mal selbst herausfinden muss, ist man schon mal jenseits der Vor-Färbungs-Falle der Sprache.
  17. Halten wir also fest:
    1. Kommunikation im Sinne von Verständigung ist extrem wichtig für das Vermeiden von unnötigen Konflikten und für das gemeinsame Erreichen von Zielen.
    2. Als erstes sollte man Äußerungen möglichst erst mal unabhängig von dem bewerten, der sie äußert.
    3. Als zweites sollte man sein Reiz-Reaktions-Organ im Kopf abschalten und versuchen herauszufinden, was der jeweilige Sprecher mit Wörtern und Sätzen wirklich meint.
    4. Ggf. kann man auch nachfragen, bevor man reaktionsmäßig „zuschlägt“.
    5. Und wenn alles nicht hilft, dann sollte man nach Parabel-Beispielen suchen, die es ermöglichen, zu einer Erkenntnis zu kommen, bevor man feststellt, ob sie einem gefällt oder nicht.

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