Bertolt Brecht, „Der gute Mensch von Sezuan“ – „Textkenntnis“ in maximal 15 Minuten

Brecht, „Der gute Mensch von Sezuan“ – Textkenntnis in maximal 15 Minuten

  • Das ist ein hohes Ziel …
  • … und manche finden das auch provozierend.

Das Problem

  • Aber es gibt Situationen, da braucht man so etwas:
    • Zum einen, wenn man schnell einigermaßen Bescheid wissen soll bei einer Lektüre,
    • zum anderen, wenn man schnell wieder einsteigen will.

Unsere Lösung

  • Wir bieten einen Überblick über das Thema und seine inhaltliche Gestaltung – möglichst in etwa 10 Schritten.
  • Außerdem präsentieren wir dabei passende Textstellen. Von denen aus kann man dann weiterlesen.

Beispiel „Der gute Mensch von Sezuan“

Vorab-Info zum Stück
  1. Es handelt sich um ein Theaterstück von Bertolt Brecht, das zwischen 1938 und 1940 entstanden ist.
  2. Es ist eine Parabel: Die geht aus von einem realen Problem, nämlich der Frage, ob man als Mensch gut sein kann und gleichzeitig überleben.
  3. Dieses Problem wird aber in eine fremde Welt versetzt, nämlich die chinesische Provinz Sezuan und da durchgespielt.
  4. Dabei soll man zu Erkenntnissen kommen, die man dann auf die Ausgangssituation übertragen kann.
  5. Das Besondere: Brecht präsentiert das sogenannte „Epische Theater“ – eigentlich ein Widerspruch, denn im Theater, auf der Bühne, soll nicht erzählt, sondern präsentiert werden.
  6. Ziel ist aber, dem Zuschauer nicht irgendeine Bühnenillusion vorzusetzen, sondern ihn zum eigenen Nachdenken zu bringen.
  7. Dazu nutzt Brecht das Mittel der „Verfremdung“
    1. einmal eine seltsame Welt mit Göttern, die tüchtig eins auf die Mütze bekommen.
    2. Zum anderen ein Schluss, in dem ein Schauspieler dem Publikum erklärt, dass man leider keine Lösung für das Problem gefunden habe
Schritt 1: Ausgangssituation: „Beschluss“ u. Tabakladen-Experiment

(Vorspiel: EB5ff)

  • Drei Götter kommen auf die Erde, Klagen zu überprüfen, dass kein Mensch gut sein könne und gleichzeitig überleben.
  • Der „Beschluss“ und sein Ziel:
    die Welt kann bleiben wie sie ist, wenn genügend gute Menschen gefunden werden, die ein menschenwürdiges Dasein leben können.“ (EB08 = E-Book-Ausgabe des Reclam-Verlages)
  • Es sieht dann gleich nicht gut aus: Niemand will sie aufnehmen – bis auf eine Prostituierte namens Shen Te.
  • Sie bekommt dafür 1000 Silberdollar und mietet einen Tabakladen.
  • Damit beginnt das eigentliche Experiment: Kann sie gut sein und gleichzeitig leben.
Schritt 2: Das Experiment geht gleich am Anfang schief

(Szene 1; 15ff)

  • Auf den Laden stürzen sich zu viele Bedürftige, Shen Te hilft und kommt in Schwierigkeiten:
  • Sie klagt, der Laden sei ein „Nachen“ (hier: Rettungsboot) (EB25), er werde „in die Tiefe gezogen„, weil „zu viele Versinkende“ nach ihm greifen.
Schritt 3: Halbe Rettung durch einen harten „Vetter“

(Szene 2, EB28ff)

  • Shen Te bekommt den Tipp, sie könne doch ein Vetter auftreten lassen, der für Ordnung sorgt.
  • Den erfindet sie dann, taucht in seiner Gestalt auf.
  • Einige Ansprüche kann er abwehren, aber er kommt an seine Grenze, als die Hausbesitzerin eine zu hohe Mietkaution fordert.
  • Die nächste Lösungsidee kommt von einem Polizisten: Es soll ein wohlhabender Ehemann für Shen Te gesucht werden.
  • Shui Ta: „Mit Entsetzen sehe ich, wie viel Glück nötig ist, damit man nicht unter die Räder kommt! Wie viele Einfälle! Wie viele Freunde!“(EB39)
Schritt 4: Shen freundet sich mit dem „falschen“ Mann an

(Szene 3, EB40ff)

  • arbeitslos
  • braucht Geld für eine Fliegerstelle
  • Shen Te freundet sich mit ihm an,
  • verliebt sich sogar in ihn
Schritt 5: Shen Te ist glücklich, braucht aber immer noch Geld

(Szene 4, EB51ff)

  • Shen Te  erscheint und ist noch im Liebesrausch:
    „Ich sage euch, es entgeht euch viel, wenn ihr nicht liebt (…) Ich bin leichtsinnig heute. (…) und jetzt habe ich Lust, mir einen Shawl  zu kaufen.“ (52)
  • Shen Te gibt dem Mann sogar Geld, das ihr geliehen wurde.
  • Aber es fehlt immer noch was.
  • Deshalb soll Shui Ta noch einmal einspringen.

 

Schritt 6: Die Zwischenspiele als Kommentarebene

(2. und 3. Zwischenspiel: EB48ff/59ff)

  • Zu Brechts Konzept des epischen Theaters gehören auch die Zwischenspiele, die in den normalen Handlungsablauf eingestreut sind.
  • Typisch für die dort ablaufende Kommunikation zwischen dem Wasserverkäufer Wang und den Göttern ist das zweite Zwischenspiel.
  • Deutlich wird das, was von Anfang an und bis zum Schluss das Stück bestimmt, nämlich dass das Leben schön sein kann, aber immer wieder vor allem an finanzielle Grenzen stößt.
  • zu Shen Te
    • „Sie hat mir ihren Freund gezeigt.
    • Es geht ihr wirklich gut (…)
    • Sie tut so viel Wohltaten, als sie kann“ (EB48)
  • Aber diese  Wohltaten „laufen ins Geld“ (EB48)
  • Kritik der Götter am Auftreten des Vetters
  • Götter: „Was haben Geschäfte mit einem rechtschaffenen und würdigen Leben zu tun?“ (EB50)
  • Shen Te reagiert auf ihre Situation mit dem Lied von der „Wehrlosigkeit der Götter und Guten“
  • Götter sollten mit kriegerischer Gewalt eine bessere Welt schaffen:
    Appell:
  • „Warum stehen sie den Guten nicht bei mit Tanks (Panzern) und Kanonen
    Und befehlen: Gebt Feuer! Und dulden kein Dulden?“ (EB59)

 

Schritt 7: Das zweifache Problem der Liebe

(Szene5, EB61ff)

  • In dieser Szene werden die beiden völlig unterschiedlichen Vorstellungen der beiden deutlich, die vorgeben oder gar glauben, sich zu lieben
  • Gegenüber Shui Ta erklärt Sun, für ihn habe Shen Te keine Vernunft!“) die „Macht der Liebe“ (EB66) will er nur für seine Zwecke benutzen.
  • Die als Shui Ta verkleidet Shen Te  ist verzweifelt:
    Eine Schwäche und man ist abserviert. Wie soll man sich von allen Schwächen frei machen, vor allem von der tödlichsten, der Liebe?“ (EB67)
  • Als Sun kommt, kann er die inzwischen umgezogene Shen Te wieder auf seine Seite ziehen. Shen erklärt: Te:
    „Ich will nicht nachdenken, ob es gut ist.
    Ich will nicht wissen, ob er mich liebt.
    Ich will mit ihm gehen, den ich liebe.“ (EB74)

Schritt 8: Kritik an Sun und Kampf für Ihr Kind

Szene 6+7; EB76ff / EB88ff)

 

  • Die Hochzeit endet in einer „Blamage“ (EB84), weil Shen Te das geliehene Geld zurückgeben will und kein neues Geld mehr beschaffen kann.
  • Shen Te sieht, dass Sun „schlecht“ ist, fühlt sich von den „Verletzlichen“ (EB82)geschützt:
  • Shen Te bleibt aber in ihrer Liebe und als sie ein anderes Kind aus der Mülltonne essen sieht, will sie wenigstens ihr eigenes Kind (Sie ist inzwischen von Sun schwanger)“verteidigen und müsste ich / Zum Tiger werden„. (EB 95)
  • Deshalb will sie noch einmal Shui Ta auftreten lassen

 

Schritt 9: Tabakfabrik und Strenge als Lösung?

(Szene 8, EB102ff)

  • Shui Ta hat eine Tabakfabrik gegründet: „Hinter Gittern, entsetzlich zusammengepfercht“ (EB102)

    • Suns Mutter: Ihr Sohn dank Shui Ta’s „Gnade: „aus einem verkommenen Menschen in einen nützlichen verwandelt“ (EB102); Vergleich mit einer „Glocke“ (EB108) , die man schlagen muss, damit sie tönt.
  • In Wirklichkeit verfolgt Sun aber nur wieder seine Karriere mit allen Mitteln.
  • Das „Lied vom achten Elefanten“ (EB106) zeigt ihn als Antreiber.
  • Als er von dem gemeinsamen Kind erfährt, stellt er sich auch gegen Shui Ta.
  • Immer mehr Leute fragen, wo Shen Te geblieben ist. Darüber kommt es zu einer Gerichtsverhandlung.

Schritt 10: Der Schluss: keine richtige Lösung, aber ein Appell

(Szene 10 u. Epilog; EB123ff / EB133ff)

 

  • Die Götter haben das Richteramt übernommen.
  • Shui Ta verwandelt sich in Shen Te und die fasst ihre Erfahrungen zusammen:
    • „Euer einstiger Befehl / Gut zu sein und doch zu leben / Zerriss mich (…)in zwei Hälften.“
    • „Etwas muss falsch sein an eurer Welt.“
    • „Zu viel Not zu viel / Verzweiflung!“ (EB130)
  • Götter machen sich auf einer rosigen Wolke davon.
  • Shen Te darf einmal im Monat auf Shui Ta zurückgreifen.
  • Typisch für episches Theater:
    • In einem Epilog erklärt ein Schauspieler gegenüber dem Publikum
    • kein rechter Schluss“und „alle Fragen offen.“ (EB133)
    • Zuschauer sollen selbst Lösung finden.
    • Notwendigkeit: „muss, muss, muss“ (EB134)

Was das Stück trotzdem deutlich macht

  1. Reine Güte hat in dieser Welt große Probleme, sich selbst zu erhalten.
  2. Gewisse Möglichkeiten liegen im Glück, in Einfällen und in der Unterstützung durch Freunde.
  3. Auch gute Menschen müssen den Konflikt zwischen Güte und Härte leben und aushalten.
  4. Unklar bleibt, wie reich geworden Menschen wie der Barbier in ihrem Umfeld zumindest etwas Besserung und vor allem Aufstiegsmöglichkeiten schaffen können. Zu befürchten ist allerdings, dass durch den Kampf um persönliches Vorankommen wie bei Sun auch eher Rücksichtslosigkeit und Schlechtigkeit gefördert werden.
  5. Zu Opfern können vor allem Menschen werden, die auf Liebe setzen und in dem Zusammenhang zu wenig auf die Vernunft hören.

Weiterführende Hinweise