Worum es hier geht:
Vorgestellt wird ein Gedicht von Brecht, in dem er über die Bezeichnung des „Emigranten“ kritisch nachdenkt.
Zu finden ist das Gedicht u.a. hier.
Anmerkungen zu Strophe 1
- Das Gedicht beginnt mit der Ablehnung der Bezeichnung Emigranten durch das lyrische Ich.
- Das wird etymologisch erklärt, indem die lateinische Herkunft überprüft wird. Das führt zur Unterscheidung zwischen
- Menschen, die freiwillig und mit viel Hoffnung in ein anderes Land umziehen,
- und solchen, die vertrieben wurden und fliehen mussten.
- Anschließend wird deutlich gemacht, welche Einstellung diese vertretenen Menschen zu dem Land haben, das sie aufnimmt. Es ist eben nicht als neue Heimat gedacht, sondern als ein vorübergehender Zufluchtsort.
- Insgesamt fällt auf, dass diese erste Strophe zumindest im ersten Teil formuliert ist wie ein sachtext.
- Aber an einigen Stellen merkt man doch die künstlerische Formung der Sprache:
„Wanderten doch nicht aus, nach freiem Entschluß / Wählend ein andres Land. “
oder am Ende: „Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns da aufnahm.“
statt:
Und das Land, das uns aufnahm, soll kein Heim sein, sondern eben ein Exil.
Anmerkungen zu Strophe 2
- Zu Beginn der zweiten Strophe wird dann genauer eingegangen auf die Gefühle und die Haltung, die diese vertriebenen Menschen in ihrer neuen Heimat präsentieren.
- Es geht vor allem um die Frage der Rückkehr, verbunden mit der Erinnerung an all das, was einem selbst und anderen angetan worden ist
- Es wird dann noch genauer auf das Leiden der Verfolgten eingegangen und auch auf die schwierige Lage der Geflüchteten.
- Wichtig ist noch die deutliche Kritik an dem, was im Heimatland geschehen ist: Es wird ganz eindeutig als Schande betrachtet.
- Der Schluss enthält dann zwei Elemente:
- Zum einen den deutlichen Willen, zurückkehren.
- Es folgt eine Kombination von Erwartung und vielleicht auch Drohung, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist – und das könnte auch zumindest so etwas wie Aufarbeitung, wenn nicht sogar Vergeltung mit einschließen.
Zusammenfassung
- Insgesamt ein Gedicht im Übergangsbereich zwischen Sachtext und künstlerisch geformter Versform.
- Inhaltlich mach das Gedicht die Infragestellung des Begriffs Emigranten deutlich, darüber hinaus gibt es Verweise auf das Leiden in der Heimat und zum Teil auch noch in der Verbannung.
- Am Ende dominiert die Erwartung einer positiven Veränderung, verbunden mit der Rückkehr und einer noch zu erwartenden Auseinandersetzung mit den Geschehnissen.
Weiterführende Anmerkungen
- Das Gedicht hat natürlich recht mit seinem Hinweis auf die Problematik des Begriffs Emigranten.
- Die ergibt sich aber nur, wenn man über den Begriff und seine Etymologie nachdenkt und nicht einfach akzeptiert, dass dieser Begriff sich eingebürgert hat für bestimmte Menschen, die eben fliehen mussten und woanders aufgenommen wurden.
- In der Sache gibt es wohl keine Missverständnisse, allerdings ist dieses Gedicht im Hinblick auf den Begriff eben genauer, was das Leiden dieser Menschen angeht.
Kreativer Umgang mit dem Gedicht
- Nicht immer muss man analysieren und interpretieren – man kann auch künstlerisch mit einem Gedicht umgehen.
- Zum Beispiel überlegen, wie man zentrale Wörter des Gedichtes so optisch anordnet, dass sie eine Art Bildgedicht ergeben.
- Dazu braucht man erst mal die Idee eines Bildes – das könnte hier zum Beispiel ein Eisberg sein.
- Dann ist man bei der Frage, was man oben sieht – und das wären eben die Menschen, die wie Auswanderer ihre Heimat freiwillig verlassen, um ein besseres Leben zu erreichen.
- Demgegenüber die Vertriebenen, die ein in der Regel erst mal besseres Leben aufgeben mussten, um woanders überhaupt überleben zu können.
Ein anderes Gedicht von Brecht zum gleichen Thema
„Sonett in der Emigration“
https://textaussage.de/brecht-sonett-in-der-emigration