Büchner, „Woyzeck“ – Bedeutung der Szene 17 (Marie und die Bibel)

Worum es hier geht:

Wir stellen hier die Szene in Büchners Dramenfragment „Woyzeck“ vor, in der das Innere von Marie in ihrem Kampf um Emanzipation am besten deutlich wird.

Näheres dazu:
„Woyzeck“: Marie auf dem Weg zur Emanzipation? Systematische Antwort. Gut für Klausuren u. Prüfungen
Videolink
https://youtu.be/HeIjcsnYsiM

Dokumentation
https://schnell-durchblicken.de/buechner-woyzeck-marie-und-die-frage-der-emanzipation

Marie. Der Narr.

  • MARIE blättert in der Bibel. »Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden« – Herrgott! Herrgott! Sieh mich nicht an. Blättert weiter.
    • Marie gehört in eine Zeit, in der die Bibel noch Bedeutung hatte und man immer wieder zu ihr griff – um Anregungen oder auch Hilfen zu bekommen.
    • Man merkt deutlich, wie sehr das hier nach hinten losgeht – denn Marie vergleicht sich mit Jesus – und kann sich nur als Sünderin begreifen.
  • »Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch begriffen und stellten sie in’s Mittel dar. – Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.«
    • Dann der Test – die frommen Leute präsentieren Jesus eine Frau, die nach damaligen Vorstellungen ein Maximum an Schuld auf sich geladen hatte.
    • Dann die gute Nachricht: Jesus scheint sie zu „entschuldigen“.
    • Dann für Marie die schlechte Nachricht: Dies ist mit der Forderung verbunden, in Zukunft nicht mehr zu sündigen.
  • Schlägt die Hände zusammen. Herrgott! Herrgott! Ich kann nicht. Herrgott gib mir nur soviel, daß ich beten kann. […]
    • Die Reaktion von Marie macht deutlich, dass sie ihr eigentliches Problem erkennt:
    • Sie braucht das, was als Sünde gesehen wird, um sich „emanzipieren“ zu können.
    • Sie wendet sich zumindest an Gott mit der Bitte, gewissermaßen Kontakt zu ihm halten zu können. Sie gibt also nicht auf.
  • MARIE. Der Franz ist nit gekomm, gestern nicht, heut nicht, es wird heiß hier. Sie macht das Fenster auf.
    • Hier wird deutlich, dass Marie eigentlich ein anderes Verhalten des Partners braucht.
    • Dementsprechend wird ihr heiß – als Zeichen für zunehmendes Unwohlsein.
  • »Und trat hinein zu seinen Füßen und weinete und fing an seine Füße zu netzen mit Tränen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen und küsste seine Füße und salbte sie mit Salben.« Schlägt sich auf die Brust. Alles tot! Heiland, Heiland ich möchte dir die Füße salben.
    • Marie versetzt sich in die Situation und das Verhalten der „Sünderin“ in der Bibel.
    • Dann stellt sie zwei Dinge fest:
      • Zum einen, dass alles „tot“ ist – also hoffnungslos.
      • Aber auch hier gibt sie nicht auf – das passt zum Beten – sie will den Kontakt zu einer besseren Welt nicht aufgeben.
Quelle (in der Rechtschreibung von uns angepasst)
Georg Büchner: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1–2, Band 1, Reinbek 1967–1971, bzw. München 21974, S. 180-181.

Weitere Infos, Tipps und Materialien