Der Streit zwischen Heine und Börne über das Verhältnis von Literatur und Politik (Mat5172)

Worum es hier geht:

  • Heinrich Heine und Ludwig Börne gehören beide zu den Schriftstellern des sogenannten „Vormärz“, d.h. sie standen den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in Deutschland vor 1848 skeptisch gegenüber.
  • Allerdings sah das in einem wesentlichen Punkt bei ihnen unterschiedlich aus:
  • Börne hatte sehr viel radikalere Ansichten und ordnete die Literatur bzw. die Kunst ihnen unter.
    Das wird heute auch als „engagierte Literatur“ bezeichnet.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Engagierte_Literatur

    • Sehr gut dargestellt wird der Streit zu Beginn des Börne-Kapitels in Marcel Reich-Ranickis Werk „Die Anwälte der Literatur, wo Börne als Heines „Verbündeter und Antipode, sein heimlicher, sein feindlicher Bruder“.
    • „Für Heine war die Poesie doch wichtiger als alles andere. Für Börne war die Freiheit kostbarer als alle Kunst.“
    • „Heine war ein Dichter, den  die Fragen der Politik schmerzten und irritierten. Börne war ein Politiker, den die Möglichkeiten des Worts, der Sprache erregten und faszinierten.“ Sie verloren aber seine Aufmerksamkeit, wenn er mit ihnen sein Ziel erreicht hatte oder meinte, erreicht zu haben.
  • Börne hatte „Heines Integrität radikal in fragegestellt gestellt“, „ihn der ‚Charakterschwäche‘ und des ‚käuflichen Opportunismus‘ bezichtigt“.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Heine#Romantische_Schule_und_Kontroverse_mit_Ludwig_B%C3%B6rne
  • Heine antwortete darauf mit einer Denkschrift, in der er dem ehemaligen Freund politisch motivierte Einseitigkeit vorwarf.
  • Der eben erwähnte Wikipedia-Artikel hebt dazu folgende Punkte (in kursiver Schrift) hervor, die wir kurz erklären und kommentieren (in nicht-kursiver Schrift):
    • Börne erschien diese Haltung opportunistisch.
      • Gemeint ist damit, dass es ihm nur um seinen Vorteil ging – und er deshalb darauf verzichtete, die Mächtigen zu sehr zu kritisieren.
    • Er warf Heine mehrfach Gesinnungsmangel vor und forderte, ein Dichter habe im Freiheitskampf klar Position zu beziehen.
      • Gemeint ist damit, dass Heine nicht die richtige, d.h. eine ausreichend revolutionäre Einstellung auch in seinen Werken zeigte.
    • Mit dem Streit darüber, ob und wieweit ein Schriftsteller parteilich sein dürfe, nahmen Heine und Börne spätere Debatten über politische Moral in der Literatur vorweg.
      Ähnliche Auseinandersetzungen gab es im 20. Jahrhundert beispielsweise zwischen Heinrich und Thomas Mann, Gottfried Benn und Johannes R. Becher, […] Georg Lukács und Theodor W. Adorno, Jean-Paul Sartre und Claude Simon.
      Daher hält Hans Magnus Enzensberger den Streit zwischen Heine und Börne für die „folgenreichste Kontroverse der deutschen Literaturgeschichte“.

      • Hier wird deutlich, dass der Heine-Börne-Streit ein Grundproblem der Literatur zeigt. Kunst wird ja zunächst einmal als autonomer Bereich verstanden. Was passiert mit ihr, wenn gewissermaßen politische Positionen nur künstlerisch präsentiert werden?
      • Interessant sind die Hinweise auf weitere vergleichbare Auseinandersetzungen.

Weitere Infos, Tipps und Materialien