Die Bedeutung des schwarzen Panthers in Dürrenmatts Theaterstück „Der Besuch der alten Dame“

Der Panther als zentrales Symbol

Wer sich auch nur ein bisschen mit Dürrenmatts Theaterstück „Der Besuch der alten Dame beschäftigt, stößt über kurz oder lang auf die Frage, welche Bedeutung der schwarze Panther hat, der zumindest im Hintergrund eine Rolle spielt.

Vorteil eines E-Books

Wenn man das klären will, braucht man natürlich alle Textstellen, die sich darauf beziehen. Hier kommen die Vorteile eines E-Books voll zum Tragen.  Dort braucht man nur einfach „Panther“ als Suchbegriff eingeben und schon werden einem insgesamt 15 Textstellen genannt. Ein kurzes Tippen und schon hat man auch den entsprechenden Kontext.

Check der Textstellen

Schauen wir uns das ganze mal an:

  1. Seite 26: in einem Gespräch mit Ill verweist die alte Dame darauf, dass sie ihren ehemaligen Geliebten früher „mein schwarzer Panther“ genannt hat. Das stand für sie sicherlich als Symbol für Stärke, vielleicht auch Wildheit. Es steht zu vermuten, dass das junge Mädchen sich diese Eigenschaften von ihrem Freund gewünscht hat.
  2. Seite 33: in einem Gespräch der wichtigen Leute in der Stadt erwähnt der Pfarrer, dass die alte Dame in einem Käfig einen Panther  mitgebracht hat. Direkt danach wird auch ein Sarg erwähnt. Vor dem Hintergrund der gesamten Entwicklung kann man als Zuschauer oder Leser bereits hier vermuten, was der Grund für den überraschenden Besuch der Frau in der Stadt ist. Offensichtlich will sie auf eine besondere Art und Weise ihre unglückliche Liebesgeschichte verarbeiten. Angedeutet werden bereits die damit verbundenen potentiell  tödlichen Folgen für Ill.
  3. Seite 60/61: Im zweiten Akt taucht der Panther im Hintergrund auf. Die alte Dame hört ihn fauchen und ihrem erstaunten Gatten beschreibt sie das Tier als „großes, böses Kätzchen mit funkelnden Augen“.
  4. Seite 66:  Interessant ist, dass der Polizist im Gespräch mit dem inzwischen besorgten  Ill vom Panther als einem „Schoßhündchen“ spricht, der fortgelaufen sei und den er nun jagen müsse. Ill hat inzwischen die Parallelen erkannt und erklärt ganz offen: „Mich jagt ihr, mich.“ Verständlicherweise geht Ill an dieser Stelle nicht auf eine weitere Parallele ein, nämlich das Fortlaufen. Zu seinem Schicksal wird es ja, dass er die von ihm schwanger gewordene Claire damals im Stich gelassen hat. Das bedeutet nichts anderes, als dass er vor seiner Verantwortung davongelaufen ist.
  5. Seite 67:  Zu Beginn des Gesprächs mit dem Bürgermeister ist Ill offensichtlich irritiert, dass der mit einem Revolver hantiert. Als Antwort bekommt er: „Der Panther der Frau Zachanassian ist los. Er klettert in der Kathedrale herum. Da muss man sich bewaffnen“.
    Damit wird für den Zuschauer beziehungsweise Leser symbolisch klargemacht, dass die Instanzen der Stadt, die eigentlich für seinen Schutz zuständig sind, sich gegen ihn stellen.
  6. Seite 69: Ebenso ist sicherlich von symbolische Bedeutung, dass die beiden Blinden – und damit frühere Opfer der alten Dame – auf den Panther Bezug nehmen. Sie haben ihn tatsächlich schon vor dem Beginn des Dramas auf eine besondere und für sie sehr folgenreiche Art und Weise „knurren gehört.“
  7. Seite 73:  Durch das Gewehr, das der Pfarrer sich umgehängt hat, wird wiederum symbolisch deutlich gemacht, dass auch diese weitere Autorität sich gegen Ill gestellt hat und sich an der allgemeinen Jagd beteiligt. Dass der Panther erstaunlicherweise mehrfach mit der Kathedrale in Verbindung gebracht wird, kann darauf hindeuten, dass zum einen Ill gegen die moralischen Gesetze der Kirche verstoßen hat. Zum anderen kann man das auch so verstehen, dass jetzt in einer zweiten Stufe auch das Recht auf Leben und damit die Gesetze der Menschlichkeit in Gefahr sind.
  8. Seite 76: Hier erkundigt sich die alte Dame scheinheilig nach dem Grund für die allgemeine Schießerei. Als Antwort bekommt sie vom Butler die Information, dass der Panther „tot vor Ils Laden“ liegt. Es erinnert schon fast an einen Mafiafilm, wenn das angedachte Opfer schon mal eine Tierleiche vor die Tür gelegt bekommt..
  9. Seite 77:  Für den satirischen Charakter des Stücks spricht, dass direkt im Anschluss danach der Lehrer den Tod des Panthers zum Anlass für die Feststellung nimmt:
    „Die Tierwelt wird ärmer, wo Menschen hausen, die übersehen keineswegs dieses tragische Dilemma.“
    Hier wird zum einen deutlich, dass die Menschen sich moralisch inzwischen unter das Niveau der Tierwelt begeben haben. Zum anderen wird das „Dilemma“ – wie später im Schlussteil – nicht ehrlich gedeutet, Sondern nur zum Anlass genommen, einen Choral einzustimmen, sich also in Festlichkeit zu flüchten.
  10. Seite 77:  Es bleibt Ill überlassen, auf die Wahrheit hinzuweisen:
    „Auf meinen Tod übt ihr dieses Lied, auf meinen Tod!“
  11. Seite 77:  Scheinbar überflüssigerweise verweisen die beiden Blinden noch mal darauf, dass der schwarze Panther tot ist. Hier muss man allerdings den Kontext berücksichtigen: Kurz vorher sprechen sich Claire und Ill nämlich aus. Letzterer lässt das Gewehr sinken, verzichtet also auf jeden weiteren Versuch von Selbstschutz, akzeptiert sein Schicksal, weil er seine Schuld eingesehen hat.
  12. Seite 131: Es ist wohl ein Ausdruck nicht nur von Befriedigung, sondern vielleicht auch von Achtung, wenn Claire angesichts des toten Ill feststellt:
    „Er ist wieder so, wie er war, vor langer Zeit, der schwarze Panther.“
    Die anschließende Aufforderung: „Deck ihn zu!“ macht dann aber auch deutlich, dass es sich hier zwar um den Abschluss ihres Leidens handeln soll, dieser Abschluss aber nur durch eine neue Untat erreicht worden ist.

Zusammenfassung

Insgesamt steht das Symbol des schwarzen Panthers

  • Für romantische Beziehungsträume der Vergangenheit (Stärke und Wildheit)
  • Für die Gefangenschaft in einem falschen Leben, das Ill lange geführt hat
  • Aber auch für den Ausbruch aus moralischer Normalität und Verantwortung
  • Schließlich die Sühnung einer alten Untat durch eine Kombination von Erpressung und Massenegoismus einerseits sowie die Anerkennung eigener Schuld und Bereitschaft zur Selbstaufopferung andererseits
  • Schließlich auch für auf Seiten der alten Dame den Versuch, die schmerzhafte Vergangenheit zumindest zuzudecken.

Weiterführende Hinweise