Dürrenmatts Vorstellung des Buchs von Robert Jungk: „Heller als tausend Sonnen“ (Mat4044)

Zur Bedeutung des Textes

  • Das 1956 veröffentlichte Buch „Heller als tausend Sonnen“ von Robert Jungk beschreibt den Konflikt der Atomwissenschaftler zwischen Neugier/Forschung und politisch-gesellschaftlich-moralischer Verantwortung.
  • Friedrich Dürrenmatt hat sich für sein Theaterstück „Die Physiker“ stark davon anregen lassen.
  • Interessant ist, dass Dürrenmatt für eine Zeitung eine Rezension bzw. Buchbesprechung zu der Neuerscheinung geschrieben hat.
  • Zu finden ist der Text zum Beispiel in:
    Alexander Ritter, Friedrich Dürrenmatt. Die Physiker. Erläuterungen und Dokumente, Reclam: Stuttgart 1991, S. 86-91

Die wichtigsten Punkte, auf die Dürrenmatt in seiner Buchbesprechung eingeht

  1.  Dürrenmatt hebt am Anfang hervor, was Jungk als Journalist herausgebracht hat: ein „spannendes“, ein „wichtiges“ Buch. Er kennzeichnet es zugleich düster als „Chronik vom Untergang der Welt“.
  2. Dann gibt er einen Überblick über die Entwicklung in der Atomphysik und hebt besonders hervor: „im Sommer 1939 hätten noch zwölf Menschen durch gemeinsame Verabredung“ den Bau der Atombombe „verhindern können“. Aber „die deutschen Physiker lassen die Nazis nicht auf die Idee kommen.“
    • Was hier auffällt, ist, dass Dürrenmatt hier einzelnen Menschen enorme Machtmöglichkeiten zuspricht, was den 21 Punkten zu den Physikern widerspricht.
    • Ebenso wird hier nicht berücksichtigt, dass dann andere Wissenschaftler die Bombe erfunden hätten. Implizit gibt er das ja auch zu: Die deutschen Physiker haben verzichtet, die Amerikaner haben es dann gemacht.
    • Für die Zeit nach 1945 ist dann auch von dem „irrsinnigen Versuch, die Atombombe geheimzuhalten“, die Rede. Man hat hier schon den Eindruck, dass Dürrenmatt hier Inhalt wiedergibt, ohne dass er schon den Stand der Arbeit an den Physikern erreicht hat.
  3. Auch im weiteren Verlauf sieht Dürrenmatt in der Nachfolge Jungks das Problem vor allem darin, dass die Physiker nicht zusammengehalten haben. Dann plötzlich heißt es: „Das Problem der Atomkraft […] kann nur international gelöst werden. Durch Einigkeit der Wissenschaftler.“
    • Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit hier etwas angenommen wird, was selten oder gar nicht in menschlichen Gemeinschaften funktioniert, vor allem, wenn entweder finanzielle Interessen oder auch staatlicher Druck mit im Spiel sind.
  4. Nicht jeder wird gerne hören, wenn Dürrenmatt dann sagt: „Wenn wir die Atombombe überstehen, werden wir die Atomkraft einmal nötig haben.“ Dabei vergleicht er sie sogar mit der früher entwickelten Elektrizität.
  5. Nach der Uneinigkeit der Physiker sieht Dürrenmatt dann vor allem den Fehler der Politik, die neue Erkenntnis für eine furchtbare Waffe zu nutzen.
    • Das ist natürlich äußerst oberflächlich gedacht und geschrieben. Wer auch nur ein bisschen weiß, wie weit die Japaner vor der Atombombe noch von einer Kapitulation entfernt waren und wie sehr sie bereit waren, wirklich unter Einsatz ihres Lebens zu kämpfen, der muss zumindest einräumen, dass weitere und noch größere Opferzahlen in Ostasien für ihn keine Rolle spielen.
    • Stattdessen heißt es lapidar: „der Abwurf der Bomben auf Japan, ja auch der Bau der Wasserstoffbombe hätten vermieden werden können.“ Was den zweiten Punkt angeht, wird kein bisschen berücksichtigt, dass die Sowjetunion nach 1945 ein großes Übergewicht an konventionellen militärischen Mitteln hatte, weshalb die NATO meinte, die atomare Karte zur Abschreckung zu brauchen. Man kann hier anderer Meinung sein – nur ist es für einen Schriftsteller, der sicher von dem Testfall des Koreakrieges wusste, schon notwendig, auch in einer Rezension zumindest ein bisschen kritisch zu sein.
    • Regelrecht banal ist es, wenn Dürrenmatt schreibt: „Im Grunde wußte niemand, was er tun sollte. Was ‚technisch süß‘ war, verführte die meisten…“
    • All das darf man natürlich Dürrenmatt nicht vorwerfen – es zeigt nur wieder einmal, dass Schriftsteller in historischen oder politischen Fragen keine größere Kompetenz haben als Nicht-Schriftsteller.

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