Einfach gezeigt: So knackt man ein Gedicht, Beispiel: Eichendorff, „Wanderschaft“ (Mat5846 )

Worum es hier geht:

Wir wollen zeigen, wie auch jemand, der bisher schlechte Erfahrungen mit Gedichten gemacht hat, ein Gedicht in einer Klausur „knacken“ und entsprechend Punkte abgreifen kann.

Als Aufgabe stellen wir uns vor:

  1. Analysieren Sie das Gedicht von Eichendorff, indem Sie
    1. in einer Einleitung Gattung, Titel und Verfasser nennen sowie das Thema bestimmen.
    2. die Strophen inhaltlich kurz zusammenfassen,
    3. die Signale des Textes zu Aussagen bündeln
    4. und zeigen, wie diese durch literarische Mittel unterstützt werden.
  2. Zeigen Sie auf, inwiefern und inwieweit das Gedicht der Epoche der Romantik zugeordnet werden kann.

Wanderlied

(1)
Vom Grund bis zu den Gipfeln,
So weit man sehen kann,
Jetzt blüht‘s in allen Wipfeln,
Nun geht das Wandern an:

  • In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich eine frühlingsähnliche Situation, die eine Art Startsignal für allgemeines Wanders bedeutet.
  • In Richtung Aufgabe 2 hält man schon mal fest:
    • (wilde) Natur
    • Aufblühen
    • Wandern als zentrales Motiv

(2)
Die Quellen von den Klüften,
Die Ström‘ auf grünem Plan,
Die Lerchen hoch zu Lüften,
Der Dichter frisch voran.

  • Die zweite Strophe nennt dann noch einige Details, die zu dieser aufblühenden Natur gehören.
  • Interessant ist die Verbindung der Lerchen mit dem Dichter. Beide verbindet möglicherweise der Gesang.
  • Stichwörter zu Aufgabe 2:
    • Gesang, Dichter, Poesie

(3)
Und die im Tal verderben
In trüber Sorgen Hast,
Er möcht‘ sie alle werben
Zu dieser Wanderschaft.

  • In der dritten Strophe wendet sich das lyrische Ich denen zu, die noch nicht von der Wanderlust erfasst worden ist und die er dazu bewegen möchte.
  • Die schätzt er so ein, dass sie im Tal regelrecht „verderben“ und getrieben sind von „Sorgen“.
  • Stichwörter zu Aufgabe 2:
    Gegensatz zwischen Wandermenschen und „verderbenden“ Tal- und Sorgenmenschen.
    Typisch für die Romantik.

(4)
Und von den Bergen nieder
Erschallt sein Lied ins Tal,
Und die zerstreuten Brüder
Faßt Heimweh allzumal.

  • In dieser Strophe geht es offensichtlich um den Dichter, der also nicht mit dem lyrischen Ich gleichgesetzt werden kann. Denn er wird eher distanziert beschrieben.
  • Er wird verbunden mit einem „Lied“, das in das eben angesprochene Tal hineinwirbt.
  • Offensichtlich ist er erfolgreich, denn die „zerstreuten Brüder“ bekommen Heimweh.
  • Aufgabe 2
    • Aufgabe der Poesie
    • Phänomen Heimweh – vielleicht nach einem transzendentalen Zuhause,
    • wäre typisch für den katholischen Eichendorff (das muss man natürlich nicht wissen)

(5)
Da wird die Welt so munter
Und nimmt die Reiseschuh,
Sein Liebchen mitten drunter,
Die nickt ihm heimlich zu.

  • Diese Strophe präsentiert eine Art (vorläufiges) Happy End.
  • Denn das Lied des Dichters hat anscheinend die ganze Welt ermuntert, nun auch auf Reisen zu gehen.
  • Dazu kommt noch die Belohnung, dass auch sein „Liebchen“ dabei ist.
  • Dass sie nur „heimlich“ ihm zunickt, zeigt eine sich anbahnende Beziehung, die noch nicht öffentlich gemacht werden kann.
  • Aufgabe 3
    Die gibt es gar nicht, aber man kann sich ja notieren, dass dieses Gedicht insgesamt einen sehr optimistischen Ton anschlägt und wenig realistisch ist.

Und über Felsenwände
Und auf dem grünen Plan
Das wirrt und jauchzt ohn‘ Ende  —
Nun geht das Wandern an!

  • Am Ende dann ein Bild allgemeiner Harmonie von Natur und Menschheit, verbunden durch das Wandern.

Der Weg zur optimalen Lösung:

  1. Einleitung und Thema stellt man erst zurück, denn dafür muss man das Gedicht verstanden haben.
    Am besten macht man sich einen Erinnerungszettel, damit man das am Ende nicht vergisst.
  2. Dann fasst man den Inhalt der Strophen zusammen – siehe oben jeweils unter der Strophe. Dabei versucht man, das Gedicht schon zu verstehen.
  3. Die Aussagen eines Gedichtes kann man am besten formulieren, indem man einfach den Satz fortsetzt:
    Das Gedicht zeigt (und dann möglichst mehrere Fortsetzungen bringt)
    (Wir haben hier alles aufgeführt, was uns eingefallen ist. Das muss man als Schüli nicht alles haben. Aber wenn man nicht zu sehen bekommt, was möglich ist, baut man seine eigenen Fähigkeiten nicht aus – und das wollen wir ja hier erreichen.)

    1. die Bedeutung der Natur als Anregerin für Lebendigkeit
    2. und vor allem das Wanders als zentrales Kennzeichen der Romantik
    3. die Bedeutung des Dichters oder allgemein der Poesie: Sie macht nicht nur das Leben schöner, sondern ist auch in der Lage, Menschen positiv in Bewegung zu setzen – im romantischen Sinne
    4. insgesamt ein sehr optimistisches Bild einer romantischen Wandergemeinschaft,
    5. die durch „Heimweh“ verbunden ist. Das steht hier wohl für den Schlüsselbegriff „Sehnsucht“ der Romantik.
  4. Bei den literarischen Mitteln sollte man darauf achten, was insgesamt die Aussagen unterstreicht. Was hat der Dichter sich einfallen lassen, um sein Gedicht möglichst und seine Aussagen gut überkommen zu lassen.
    Also nicht nur Checklisten abarbeiten, das muss man wahrscheinlich tun, weil man für alles, was man an Fachbegriffen gefunden hat, Punkte gibt. Zumindest sollte man die einzelnen „Funde“ aber mit der Wirkung auf die Aussagen beziehen.

    1. Unterstreichung der Größe und Weiträumigkeite der Natur durch die Alliteration:
      „Grund“, „Gipfeln“
    2. Wiederholung von sinngleichen Wörtern zu Beginn der Zeilen:
      („Jetzt“ / „Nun“) unterstreicht den Zeitpunkt und seine Bedeutung
      Dazu Parallelismus im Satzbau
    3. Paralleler, reihender Satzbau in der Strophe 2 – unterstreicht, dass alles in Bewegung kommt.
    4. Gegensatz von Tal und Bergen
    5. Zentrale Begriffe: „zerstreut“ = Gegensatz zu gewünschter Gemeinschaft und „Heimweh“ für Sehnsucht.
    6. Ringschluss: „Nun geht das Wandern an.“
    7. Verbindung von „wirrt“ und „jauchz“, also Durcheinander und Freude bzw. Jubel.
  5. Nachträglich Klärung des Themas = die zugrundeliegende Frage, auf die die Aussagen eine Antwort geben
    Kompletter Einleitungssatz:
    „Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um um das Gedicht ‚Wanderlied‘ von Joseph von Eichendorff, das die Frage klärt, wie ein allgemeiner Aufbruch der Menschen in die Natur hinein erreicht werden kann und wie der dann aussieht.“
  6. Aufgabe 2:
    Es handelt sich um ein recht typisches Gedicht der Romantik, weil

    1. die Natur und besonders das Wandern eine große Rolle spielen
    2. und das mit Gesang, d.h. Poesie, verbunden wird.
    3. Deutlich wird auch der Gegensatz zwischen der unglücklichen Normalwelt der Menschen und der romantischen Wanderwelt.
    4. Nicht unbedingt typisch für die Romantik ist der zum Teil übertrieben wirkende Optimismus, den das Gedicht ausstrahlt. In der Realität wird das nicht immer so allgemein und einvernehmlich ablaufen.

Hinweise zum Text

Das Gedicht ist u.a. hier zu finden.

Wir verwenden aber den Titel, der in der folgenden Sammlung der Gedichte Eichendorffs genannt wird:

Joseph von Eichendorff, Sämtliche Gedichte, Herausgegeben Von Hartwig Schultz, Deutscher Klassiker Verlag, 2. Auflage, 2006, S. 745ff – ISBN: 978-3-618-68012-3

Auswertung mit Vorschlägen für die Analyse des nächsten Gedichtes

  1. Sich erst mal locker machen – ein Gedicht ist keine Geheimwaffe der Lehrkraft, um Schülis zu vernichten, sondern eigentlich der Versuch eines Dichters, mit einem Gedicht bei uns etwas auszulösen.
  2. Einleitung kann man meist so runterschreiben, weil alles schon da steht. Thema zurückstellen!
  3. Dann Platz lassen für die Beschreibung der äußeren Form, das kostet nur Zeit und bringt nicht viel. Aber nicht vergessen.
  4. Die Beschreibung des Inhalts nutzen, um sich klarzuwerden, was da vom lyrischen Ich „rausgehauen“ wird.
  5. Dabei ggf. sich schon Notizen machen zu den literarischen Mitteln und ggf. zu Aufgabe 2.
  6. Die Signale des Inhalts bündeln zu Aussagen.
  7. Dann schauen, an welchen Stellen dem Dichter etwas eingefallen ist, um sich bei Literaturfreunden „einzuschleimen“. Wir sagen das mal so deutlich, damit man sich die Situation des Dichters vorstellt – der will, dass sein Gedicht ein Kunstwerk wird und da muss man sich was einfallen lassen. Alles, was vom normalen Sprachgebrauch mehr oder weniger abweicht, ist ein literarisches Mittel.
    Wichtig ist, die Mittel immer mit der Aussageabsicht zu verbinden, also ihre Wirkung zu beschreiben.
  8. Am Ende dann das Thema als Frage formulieren, zu der die Aussagen Antworten darstellen.
  9. Äußere Form:
    1. Strophenform, auf Sonett achten = häufige Sonderform aus zwei Vierzeilern und zwei Dreizeilern
      hier: 6 Strophen mit jeweils vier Zeilen
    2. Reim – die Versschlüsse passen meistens dazu
      Kreuzreim
      Verschlüsse entsprechend weiblich, männlich, weiblich, männlich
    3. Rhythmus
      Hier mit den mehrsilbigen Wörtern beginnen und dort erst mal die betonten Silben markieren
      „Vom Grund bis zu den Gipfeln“
      „Soweit man sehen kann
      Dann erkennt man das Alternierende, stetiger Wechsel zwischen unbetonter und betonter Silbe
      _!_!_!_
      _!_!_!
      dreihebiger Jambus
  10. Am Ende sollte man noch schauen, ob man nicht was Kritisches oder vielleicht sogar etwas Kreatives anmerken kann – denn dafür ist Kunst da – sie entsteht ja erst komplett im Auge des Betrachters/Lesers.
    Am besten klärt man das als Zusatzpunkte-Möglichkeit vor der Klausur mit der Lehrkraft ab.

    1. Kritik:
      Übertrieben optimistisch, auch ein bisschen herablassend-arrogant gegenüber den Talmenschen
    2. Kreativität:
      1. Man könnte ein Gegengedicht schreiben, bei dem die ganze Wanderbande Räubern in die Hände fällt und dann auch noch einem Unwetter.
      2. Oder besser: Ein Träumer ist zu Hause geblieben und hat seinen Roman fertiggeschrieben, den er am Tag drauf einem Verleger teuer verkauft.
        Der hat nichts erlebt, aber sich viel in seiner Fantasie ausgedacht.

Wir fragen ChatGPT, ob es mit diesen Hinweisen was anfangen kann:

Kennst du ein Gedicht, möglichst von Eichendorff, das die folgenden Elemente enthält? pantheistisches Weltbild, die beseelte Natur, die Polarität, der Schritt des Genies

Antwort von ChatGPT:
Ein Gedicht von Joseph von Eichendorff, das einige der von Ihnen genannten Elemente wie das pantheistische Weltbild und die beseelte Natur enthält, ist „Mondnacht“. Dieses Gedicht drückt die Verbundenheit des Dichters mit der Natur und dem Kosmos aus. Es betont die mystische Erfahrung der Natur und die Polarität zwischen der irdischen Welt und der Welt des Genies, die im Mondlicht zusammenkommen.

Hier ist „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff:

Es war, als hätt‘ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt‘.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis‘ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Ich hoffe, dieses Gedicht entspricht Ihren Anforderungen und spricht das von Ihnen gewünschte Thema an.

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