Fragen und Antworten zum Thema „Sprache und Politik“ (Mat5964)

Worum es hier geht:

Auf einer Seite der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es einen Artikel von Vazrik Bazil, den man sehr gut verwenden kann, wenn es um das Thema „Sprache und Politik“ geht.

Er ist hier zu finden.

Wir zeigen, wie man ihn nutzen kann, um sich auf das Thema und mögliche Fragen dazu vorbereiten kann.

Darüber hinaus bauen wir auch weitere Aspekte und Überlegungen mit ein – das beginnt schon bei Frage 2.

Bitte etwas Geduld – wir sitzen dran.

  1. Was muss man unterscheiden, wenn es um das Thema „Sprache und Politik“ geht?
    • Zu Beginn des Artikels wird unterschieden zwischen der politischen Sprache und der Sprache von Politikern.
    • Die Sprache der Politiker enthält vor allem Floskeln, mit denen man in einer ganz bestimmten Situation Aufmerksamkeit und Zustimmung erreichen möchte
    • Die politische Sprache geht darüber hinaus. Gemeint ist eine Verwendung von Sprache, die die eigene Position möglichst überzeugend und – wenn das nicht immer geht – dann eben auch überredend stärkt beziehungsweise durchsetzt.
      (Zum Unterschied zwischen überreden und überzeugen siehe die nächste Frage)
    • Es gibt natürlich Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Sichtweisen. Wenn man aber nur an die Politiker denkt, übersieht man, dass alle, die etwas erreichen oder durchsetzen wollen, letztlich politisch sprechen.
    • Politik ist ja bekanntermaßen die Kunst des Möglichen. Und in diesem Zusammenhang setzen natürlich auch Lehrkräfte entsprechende Mittel ein. Schließlich wollen sie etwas erreichen.
  2. Worin besteht der Unterschied zwischen überreden und überzeugen?
    • Das Ideal ist das „Überzeugen“. Man hat so starke Argumente und kann Gegenteiliges so gut entkräften, dass am Ende jemand das, was man gesagt hat, übernimmt.
    • Einfaches Beispiel:
      These: „Eine positive Einstellung gegenüber Menschen allgemein, hat große Vorteile.“
      Gegenthese: „Aber es gibt auch Menschen, bei denen man sehr vorsichtig sein muss.“
      Synthese: Also wählen wir eine Kombination aus grundsätzlicher Vorsicht und Absicherung, verhalten uns aber möglichst positiv. Damit erreichen wir beim Gegenüber am ehesten auch eine positive Einstellung bzw. Reaktion.
    • Es dürfte klar sein, dass man auf diesem Wege wohl die meisten Menschen überzeugen kann. Man vertritt eine Position, nimmt die Einwände und Bedenken der Gegenseite auf, und kommt dann zur Übereinstimmung.
  3. In welche Ebenen kann man politische Sprache unterteilen?
    • Vazrik Bazil das offizielle Vokabular der Institutionen, wie es durch die Verfassung und einzelne Gesetze vorgegeben ist.
      • Fraktionen
      • Ausschüsse
      • Präsidium des Bundestags
        usw.
    • Dann gibt es die Fachsprache der einzelnen „Ressorts“ (Fachgebiete, Ministerien). Das wird vor allem sichtbar in Gesetzesvorlagen oder auch Regierungserklärungen.
      Interessant könnten Beispiele zur Bildungspolitik sein. Aktuell wäre das:
      https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw12-de-regierungserklaerung-bildung-547602

      • Digitalisierung
      • Ganztagsbetreuung
      • BAföG
        usw.
    • Standardfloskeln:
      Gemeint ist damit eine Reihe von Wendungen, die den Politikern zugeordnet werden (wenn sie auch woanders auch verwendet werden)
      https://sz-magazin.sueddeutsche.de/politik/wer-mich-kennt-84288

      • „Wir gehen davon aus …“
      • „Die Menschen da draußen …“
      • „Wer mich kennt, weiß …“
  4. Was ist „Deutungshoheit“ und welche Methoden gibt es, um sie zu erreichen?
    • „Deutungshoheit“ bedeutet, dass man im Hinblick auf ein bestimmtes Thema die Sprache und damit die Einschätzungen bestimmen kann. Das wirkt sich dann auch aus auf die Zustimmungsraten. Die meisten Menschen wollen nämlich bei der Mehrheit dabei sein. Und wenn alle früher mal positiv von der „Atomkraft“ sprachen, sprechen sie heute eher von der „Kernkraft“, weil das unschuldiger klingt.
    • Methode 1 = Benennen (Labeling): z.B.
      • „Arbeitsagentur“ statt „Arbeitsamt“ oder sogar „Jobcenter“
    • Methode 2 = Begriffe besetzen
      • Neben dem oben schon genannten Atombegriff verweist der Verfasser auf das Wort „Schwangerschaftsunterbrechung“, was den Eindruck erweckt, als könne die Schwangerschaft nach der Unterbrechung wieder fortgesetzt werden. Damit sollte das, was bei einer künstlichen Beendigung der Schwangerschaft passiert, nämlich das Absterben des Embryos, ausgeklammert werden.
    • Methode 3 = „Beschönigen“ – einfach einen Sachverhalt weniger schlimm oder problematisch aussehen zu lassen.
      • Hier kann man sehr gut auf „heimgehen“ als schönerer Begriff für „sterben“ verweisen. Damit wird dann auch deutlich, dass diese Methode ganz menschlich ist und nicht den Politikern allein vorbehalten ist.
      • Beispiel aus der Politik: „Kollateralschaden“ als beschönigender Begriff, dass bei dem Angriff auf ein militärisches Ziel auch zum Beispiel Zivilisten umgekommen sind.
  5. Wieso spielt die Rhetorik eine große Rolle in der politischen Sprache?
    • Rhetorik ist seit der Antike die Kunst der Rede. Es geht also um ein Sprechen vor Publikum, bei dem man für sich bzw. sein Anliegen etwas Positives erreichen will.
    • Im Alltag kennt man die „Plädoyers„, in denen vor Gericht Staatsanwaltschaft und Verteidigung versuchen, ihre Sicht im Hinblick auf Verurteilung und Sprache durchzusetzen.
    • Ein wichtiges Element ist das sogenannte „Framing„. Der Begriff ist ja seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit bekannt, seitdem sich wohl ein Öffentlich-rechtlicher Sender von Fachleuten hat helfen lassen, die eigene Sicht der Dinge auch sprachlich wirkmächtig zu machen.
      Näheres dazu findet man hier (und natürlich auch anderswo)
      https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-gutachten-der-ard-anleitung-zum-framing-100.html
      Auf der Seite
      https://de.wikipedia.org/wiki/ARD#Verwendung_von_Deutungsrastern_zur_Meinungssteuerung_(Framing)
      findet man auch auf Wikipedia Basisinformationen zu dem Vorgang und der Problematik.
      Praktische Beispiele:

      • „Verantwortungsgemeinschaft“ statt „Homo-Ehe“
      • „Regelbasierte Außenpolitik“ statt „Völkerrecht“
        Kritiker behaupten, dass im ersten Falle die Festlegungen willkürlich bzw. interessengesteuert festgelegt werden. Im zweiten Falle geht es um internationales Recht, das auf klar definierte Weise zustandegekommen ist.
  6. Nenne mindestens ein Beispiel, das zeigt, dass die Bedeutung von Wörtern und damit auch die Möglichkeiten ihrer Nutzung sich im Laufe der Zeit ändern.
    Weib und Frau
    Vaterland
    Ehe
  7. Nenne mindestens ein Beispiel, das zeigt, dass auch der Raum und damit die Kultur, die dort gegeben ist, Auswirkungen hat auf die Bedeutung und die Möglichkeiten der Nutzung von Wörtern.
    • Familie: hat in anderen Kulturräumen immer noch eine größere Bedeutung als in manchen westlich orientierten Kulturen
    • Es dürfte bekanntw sein, dass die „Ehre“ in anderen kulturellen Kontexten eine größere Rolle spielt als in einer Kultur, die verständislos auf frühere „Ehrenhändel“ herabblickt.
    • Der Sonntag ist für alle Menschen, die in christlich geprägten Gesellschaften aufgewachsen sind, ein Feiertag. In anderen Kulturen ist es der Freitag oder der Samstag.
  8. Wieso spielen kulturelle Zusammenhänge – vermittelt über die Sprache – eine große Rolle, die man bei der Kommunikation beachten muss.
    • Der Artikel nennt hier „Halt, Sicherheit und Anerkennung“
  9. Was versteht man unter „Zeitgeist“ und welche Bedeutung hat er für die Politik und die in ihr verwendete Sprache?
    • Mit „Zeitgeist“ ist hier der Geist, die allgemeine Einstellung gemeint, die in einer bestimmten Zeit für die meisten Menschen bestimmend ist.
    • In der letzten Zeit hat der Begriff „Diversität“ seine neutrale Rolle verloren und ist eindeutig positiv besetzt.
    • „Rechts“ war früher ein ganz normaler Teil des politischen Spektrums (ganz gleich, wie man persönlich dazu stand), heute dient er der Ausgrenzung bestimmter Anschauungen und Verhaltensweisen. Dementsprechend können oder auch müssen Politiker damit arbeiten, es zumindest beachten.
  10. Was sind Killerphrasen und welche Bedeutung haben sie?
    • Es gibt bestimmte Wendungen, die eingesetzt werden, um die andere Seite aus dem Spiel zu nehmen. Es geht dann nicht mehr darum, sich auszutauschen, sondern die andere Seite im wahrsten Sinne des Wortes „fertigzumachen“. Sie soll dann aufgeben.
    • Typische Beispiele sind:
        1. Angriff auf ein Element der Argumentation
          1. „Das ist Unsinn, was Sie da erzählen.“
            Auch das ist eine Behauptung, die unsachlich ist. Denn sie geht aufs Ganze und ist beleidigend, statt genau zu zeigen, wo der angebliche Fehler der anderen Seite liegt.
          2. Sie haben halt keine Ahnung von der Sache.
            Damit gibt man sich selbst einen höheren Stellenwert in der Beurteilung.
            Und man deutet an, dass es keinen Sinn macht, auf die Bemerkungen der anderen Seite einzugehen.
        2. Allgemeine Infragestellung der anderen Seite
          1. „Das verstehen Sie einfach nicht.“
            Das ist noch schlimmer, weil es die Intelligenz des anderen in Frage stellt.
          2. „Seien Sie doch nicht so naiv.“
            Das geht in die gleiche Richtung, vor allem ist es noch ein Angriff auf die andere Person, der unterstellt wird, sie habe nicht genügend Verstand oder setze ihn nicht genug ein.
        3. Unterstellungen
          1. Sie wollen doch nur Ihre Parteifreunde schützen.
          2. Sie vertreten hier die Interessen der Rüstungsindustrie
          3. Sie wollen mich und mein Anliegen hier fertigmachen. Aber das wird Ihnen nicht gelingen.
            Geschickter Appell an das Mitleid des Publikums.
        4. Konzentration auf einen Einzelfall  – Ausblendung der Gesamtsituation
          1. Bleiben wir einfach mal bei dem konkreten Fall ..
            Man spricht in der Wissenschaft hier von einer nur „anekdotischen“ Bedeutung eines Falles. Er steht nicht sicher für eine relevante Zahl von Fällen.
        5. Verbunden mit Moralisierung
          1. Haben Sie denn überhaupt kein Mitleid mit einem Kind, das …
  11. Missbrauch der Moderatorenposition
    1. „Das gehört hier nicht zur Sache.“
    2. „Können Sie nicht mal ein neues Argument einbringen?“
    3. Ich denke, das ist jetzt geklärt. Wir haben noch andere Punkte zu besprechen.
  12. Irgendetwas sagen – und dann behaupten: Ich habe es Ihnen doch erklärt. 
    Eine der raffiniertesten Versuchungen für alle, die das Sagen haben.
    Man sagt irgendwas, was möglichst auf die gestellte Frage gar nicht oder nur am Rande eingeht.
    Wenn man dann lange genug irgendetwas geredet hat, kann man eine Nachfrage auskontern – am besten mit einem herablassend-genervt wirkenden Gesicht:
    „Aber ich habe es Ihnen doch gerade erklärt.“
    Was in dem Fall nicht stimmt – aber die meisten Zuhörer haben keine Lust, die lange Nicht-Erklärung noch mal zu hören.
  13. Eine spezielle Variante davon ist das Ausweichen auf Randaspekte oder die Erklärung von Grundsätzlichem, das hier eigentlich nicht interessant ist:
    „Wir beziehen uns hier auf unsere Erklärung vom …, in der wir die Einzelheiten schon aufgeführt haben. Das möchte ich hier nicht wiederholen.
    Das Entscheidende dabei war, dass alle Untersuchungen ergeben haben, dass die Schuld nicht bei uns liegt.
  14. Einfach falsche Behauptungen aufstellen, die in der Situation nicht geprüft werden können.
    „Ein australischer Professor hat schon vor Jahren festgestellt.“
    Wenn dann nicht nach dem Namen gefragt wird, hat man gewonnen.
    Und wenn gefragt wird:
    Der Name tut hier nichts zur Sache, es geht um die Sache.
  15. Übertreibungen sind auch eine gute Möglichkeit, die eigene Sache zu betonen
    „Wenn diese industriefeindliche Politik so fortgesetzt wird, wird bald nichts mehr in Deutschland produziert.“
  16. Wir setzen das noch fort.

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