Georg Heym, „Die Stadt“ (Mat4014)

Georg Heym, „Die Stadt“


Georg Heym

Die Stadt

01: Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein
02: Zerreißet vor des Mondes Untergang.
03: Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang
04: Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.

05: Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,
06: Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.
07: Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein
08: Eintönig kommt heraus in Stille matt.

09: Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,
10: Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,
11: Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.

12: Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,
13: Die drohn im Weiten mit gezückter Hand
14: Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.


Nun unsere Lösung, die nur eine Möglichkeit darstellt:
Ziel ist, das Gedicht schnell zu verstehen, damit man entscheiden kann, ob man sich noch näher damit beschäftigen möchte.


Unsere fünf entscheidenden Verständnispunkte
VP1: Der Bezugspunkt im Titel ist ganz klar die Stadt – und zwar sehr allgemein, zugleich aber auch bestimmt.
VP2: Zunächst die beiden Quartette (Vierzeiler) des Sonetts, so nennt man ein solches Gedicht-Gebilde aus 14 Zeilen.
VP3: Die Tageszeit und die freundliche Atmosphäre erinnern an schöne Romantik. Das ändert sich in der zweiten Strophe, wo von Menschenmassen die Rede ist, die nur stumpf vor sich hin leben, in völliger Eintönigkeit.
VP4: Das erste Terzett (dreizeilige Strophe) geht dann genauer auf die Eintönigkeit ein und bezieht sie auf das ganze Leben. Alles zwischen Geburt und Tod ist nur ein „Einerlei“ und geht „dumpf vorbei“.
VP5: Die letzte Strophe geht dann noch einmal auf die Nachtsituation ein, sieht sie jetzt aber negativ vor dem Hintergrund eines drohenden Infernos.

Klausurbedeutung: @@@@@
(Die Anzahl der @-Zeichen macht unsere Einschätzung der Klausurbedeutung sichtbar – wie die Sternchen bei Hotel-Bewertungen!)

Hoch, da verschiedene Elemente des Expressionismus verbunden werden.

Anregungen:
Ist die Massengesellschaft wirklich nur „stumpf“? Wie wird das heute empfunden – etwa wenn morgens Hunderte Schüler an ihrer Schule ankommen?
Was die negative Sicht auf den Ablauf des Lebens angeht: Gibt es nicht doch Highlights im Leben?

Prüfung der Sonett-Regel

Quartett (1.-8. Vers)

Die beiden Quartette führen das Thema ein und entfalten es: Die nächtliche Stadt wird beschrieben, ihre Atmosphäre wirkt düster, bedrohlich und anonym.

  • Erstes Quartett (Vers 1-4): D
  • Zweites Quartett (Verse 5-8) : D

→ Hier wird eine Atmosphäre der Trostlosigkeit und Entfremdung aufgebaut. Die Quartette präsentieren somit eine Situation, in der Anonymität und Monotonie dominie

Terzette (9.-1

Die Sätze reflektieren die Konsequenzen der beschriebenen Zustände und führen die offiziellen Bilder weiter. Es findet eine Steigerung der Bedrohlichkeit statt, die in einer düsteren Bildsp

  • Erstes Terzett (Vers 9-11): Sterben
  • Zweites Terzett (Vers 12-14) : E

→ Die Terzette verstärken die Bedrohung und führen den in den Quartetten etablierten Zustand der Entfremdung zu e

Fazit:

Die klassische Funktion der Quartette und Terzette im Sonett ist hier weitgehend erfüllt. Die Quartette präsentieren die Atmosphäre der Stadt und ihre trostlose Eintönigkeit. Die Terzette reflektieren dies und verstärken die Eindrücke hin zu einer existenziellen Bedrohung, die in dunklen Symbolen wie Feuer und Fackeln ihren Ausdruck findet. Eine klare Wendung (Volta) ist nicht erkennbar, jedoch eine deutliche Steigerung der Bildhaftigkeit

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