Goethe, „Faust“, Teil 1: Ist ein alternatives, besseres Ende möglich?(Mat5400)

Worum es hier geht:

Wie bei jedem anderen literarischen Werk auch, kann man beim 1. Teil von Goethes Faust die Frage nach ein em alternativen Ende stellen.

Unsere Hypothese dazu:

Es ist mit Sicherheit kein Ende möglich, das

  1. Für die Beziehung von Faust und Gretchen ein Happy End bedeuten würde
  2. Fausts Drang nach Welterkenntnis beenden würde

Begründung:

  1. Die ganze Beziehung Fausts zu Gretchen ist das Ergebnis des Zaubertranks, der in der Hexenküche verabreicht wurde. Der führt dann dazu, dass Faust in jedem Mädchen die schönste Frau der Welt sieht und sie haben will. Die entsprechende Textstelle (entnommen:
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Dramen/Faust.+Eine+Trag%C3%B6die/Faust.+Der+Trag%C3%B6die+erster+Teil/Hexenk%C3%BCche


    • Lass mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!
      Das Frauenbild war gar zu schön!


    • Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
      Nun bald leibhaftig vor dir sehn.
      Leise.
      Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
      Bald Helenen in jedem Weibe.
  2. Vorher wird aber noch etwas anderes deutlich. Da macht nämlich Mephisto zwei Dinge deutlich:
    • Er bietet dem nach tiefster Welterkenntnis dürstenden Faust doch tatsächlich „edlen Müßiggang“ an.
    • Außerdem den Trieb des „Cupido“, also den Sexualtrieb.
    • MEPHISTOPHELES: Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.
    • […]
    • MEPHISTOPHELES zu Faust:
      Komm nur geschwind und lass dich führen;
      Du musst notwendig transpirieren,
      Damit die Kraft durch Inn- und Äußres dringt.
      Den edlen Müßiggang lehr‘ ich hernach dich schätzen,
      Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,
      Wie sich Cupido regt und hin und wider springt.“
  3. Damit sind mehrere Dinge deutlich, die zu einem tragischen Ende führen müssen:
    • Mephisto hat gar nicht verstanden, was Faust wirklich will – das wurde schon in einer früheren Szene deutlich.
      • Er bietet ihm nur flasche Vergnügungen an.in seiner Sicht „Teuflisches“ an,
      • Faust aber will tiefste Erkenntnis – und auch innigste Verbindung zur gesamten Menschheit (fast schon ein romantisches Sehnsuchts-Gefühl).
    • Außerdem sorgt der Zaubertrank für intensivste Pseudo-Liebeslust, die sich dann auf Gretchen erstreckt.
    • Außerdem wird der Sexualtrieb des Professors maximal angeheizt.
    • Das führt zur Verführung Gretchens,
    • Das zu ihrer Schwangerschaft
    • Die zur Ermordung des Kindes
    • Und das wiederum zu Todesurteil und Hinrichtung.
  4. Allenfalls hätte Mephistos Plan, auch Gretchen zu retten, funktionieren können. Aber selbst in ihrem Wahnsinn hat die junge Frau so viel Verstand, dass sie lieber sterben will, als mit diesem dunklen Gesellen weiter zu leben.
  5. Außerdem: Was hätte das für eine Dreierbeziehung werden sollen. Die Unterschiede zwischen Faust und Gretchen waren viel zu groß – nicht nur im Hinblick auf die Bildung, sondern auch im Hinblick auf religiöse Gebundenheit und ein entsprechendes Gewissen.

Wichtige Textstelle, die Mephistos falsches Spiel mit Faust deutlich macht

In der Szene „Studierzimmer“ (1) heißt es, zitiert nach:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Dramen/Faust.+Eine+Trag%C3%B6die/Faust.+Der+Trag%C3%B6die+erster+Teil/Studierzimmer+%5B1%5D

MEPHISTOPHELES in Fausts langem Kleide.

Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,

Des Menschen allerhöchste Kraft,

Laß nur in Blend- und Zauberwerken

Dich von dem Lügengeist bestärken,

So hab‘ ich dich schon unbedingt –

Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,

Der ungebändigt immer vorwärts dringt,

Und dessen übereiltes Streben

Der Erde Freuden überspringt.

Den schlepp‘ ich durch das wilde Leben,

Durch flache Unbedeutenheit,

Er soll mir zappeln, starren, kleben,

Und seiner Unersättlichkeit

Soll Speis‘ und Trank vor gier’gen Lippen schweben;

Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,

Und hätt‘ er sich auch nicht dem Teufel übergeben,

Er müsste doch zugrunde gehen

Das steht in völligem Widerspruch zu dem, was Faust vorher geäußert hat:

FAUST.

Du hörest ja, von Freud‘ ist nicht die Rede.

Dem Taumel weih‘ ich mich, dem schmerzlichsten Genuss,

Verliebtem Hass, erquickendem Verdruß.

Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,

Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,

Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,

Will ich in meinem innern Selbst genießen,

Mit meinem Geist das Höchst‘ und Tiefste greifen,

Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,

Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,

Und, wie sie selbst, am End‘ auch ich zerscheitern.

Berücksichtigung des göttlichen Gesamtplans

Was das Scheitern von Faust angeht – einmal aus der Sicht von Mephisto, einmal aus der eigenen romantischen Perspektive der Figur, so muss man natürlich den „Prolog im Himmel“ mit heranziehen.

  • Dort wird deutlich, dass Faust vom „Herrn“ als auf dem richtigen Weg gesehen wird,
  • der durch dunkle Wege hindurch muss,
  • um am Ende doch das richtige Ziel zu erreichen.
  • Das passt dann zum 2. Teil des Faust, wo dieser am Ende ja gerade von einer überirdischen Liebe, die mit Gretchen zusammenhängt, aus den Klauen des Teufels gerissen und nach oben gezogen wird.
  • Hierzu empfehlen wir das Video:
    Inhalt mit Schlüsselzitaten zu Goethes „Faust“ mit Ausblick auf Faust II
    https://www.youtube.com/watch?v=JgCcyTA5pMU

Weitere Infos, Tipps und Materialien