Kafka, „Entlarvung eines Bauernfängers“ – tatsächlich mal mit Happy End (Mat8151)

Worum es hier geht:

Präsentiert wird hier eine der wenigen Parabeln Kafkas, die ein positives Ende haben – in diesem Falle sogar ein regelrechtes Happy End.

Zu finden ist die Geschichte u.a. hier:

  • Der Titel bedeutet, dass in der Geschichte ein sogenannter Bauernfänger entlarvt, also unschädlich gemacht wird.
    Unter einem Bauernfänger versteht man landläufig jemanden, der mit irgendwelchen Tricks versucht, Leute für sich und seine Interessen zu gewinnen und gegebenenfalls auch zu betrügen.
    Für den Begriff wurde die damals gängige Vorstellung verwendet, Bauern seien irgendwie anfälliger für solche Leute. (Typische These)
    Übersehen wurde, dass es auch die Vorstellung von „Bauernschläue“ gibt. (Typische Antithese)
    Zu erklären ist der Widerspruch wohl damit, dass Bauern eben sehr an ihre Scholle und ggf. ihr Dorf gebunden waren. Ihnen fehlte jede Weltläufigkeit – und deshalb konnten sie sich manche Schlechtigkeit einfach nicht vorstellen, die die große Welt dann zu ihnen brachte.
    (Typische Synthese 😉
  • Die Geschichte beginnt mit einer Ausgangssituation, bei der ich Erzähler eigentlich eine Einladung hat folgen wollen. Er ist dann aber aufgehalten und abgelenkt worden durch einen Mann, der sich ihm einfach angeschlossen und ihn dann „zwei Stunden lang in den Gassen herumgezogen“ hat.
  • Im nächsten Erzählschritt versucht der Ich-Erzähler dann diesen Mann vor dem angestrebten Haus los zu werden. Dieser reagiert darauf aber mit deutlichem Missfallen.
  • Es folgt eine Passage, in der der Ich-Erzähler deutlich macht, wie sehr ihm diese Verzögerung missfällt. Anschließend beschreibt er ausführlich die Gedanken und Eindrücke, die ihn dabei negativ beschäftigen.
  • Das Ganze endet damit, dass der Ich Erzähler plötzlich beschämt erkennt, dass er einem Bauernfänger zum Opfer gefallen ist.
  • Ausführlich – und auf typische Weise Kafkas sehr fantasievoll – wird dann diese besondere Art von Bauernfänger beschrieben.
  • Den Schluss der Geschichte bildet dann – für Kafka eher ungewöhnlich – das, was im Titel „Entlarvung“ genannt wird.
  • Alles endet dann damit, dass der Ich-Erzähler, „aufatmend und lang gestreckt“ sein eigentliches Ziel erreicht und das als „schöne Überraschung“ bezeichnet.
  • Typisch an dieser Geschichte im Hinblick auf Kafkas Parabel ist, dass auch hier ein überraschendes Problem geschildert wird. Das besteht darin, dass man von seinem eigentlichen Ziel abgehalten wird. Der Bauernfänger steht hier in der Parabel wohl für all das, was einem sich als Hindernis in den Weg stellt, ja sogar vom Ziel regelrecht wegzieht.
  • Ungewöhnlich für Kafka ist, dass der Ich-Erzähler dann aber das Problem erkennt, souverän beseitigt und tatsächlich sein Ziel erreicht.

Interessantes Biografie-Zitat dazu

Im 100. Todesjahr Kafkas hat der bekannte und überaus interessante Verfasser von Biografien Rüdiger Safranski auch seine sehr originelle Sicht auf den Prager Schriftsteller veröffentlicht.

Als Quelle der Kindle-Ausgabe wird angegeben:
––
Kafka: Um sein Leben schreiben von Rüdiger Safranski
https://amzn.eu/dNE4RIe

Hier das Zitat, das sich mit dem „Bauernfänger“ beschäftigt – von uns wie immer zergliedert und kommentiert:

  • „Es handelt sich dabei um ein frühes Gegenstück zur berühmten Parabel »Vor dem Gesetz«.
  • Dort lässt ein Mann vom Lande sich den Einlass ins Gesetz vom Türhüter versperren, obwohl der Eingang doch für ihn bestimmt ist.
  • In der »Bauernfänger«-Geschichte versucht ein Türhüter den Protagonisten davon abzuhalten, in eine Gesellschaft zu gehen, zu der er eingeladen ist.
  • Solche Bauernfänger, heißt es in dieser Geschichte, umgeben sich anlockend und bedrohlich mit einer Aura der Macht, die aber doch nur eine Anmaßung sei, nur ein täuschender ‚Anblick einer Unnachgiebigkeit‘.
    • Dies ist natürlich der Schlüssel-Satz – In der Bauernfänger-Geschichte wird angedeutet, dass es sich nur um Schein handelt und damit Spielräume bleiben für menschliche Autonomie.
  • Der einschüchternde Bann muss gebrochen werden. ‚Erkannt! Sagte ich und klopfte ihm‘ (dem Bauernfänger) ‚noch leicht auf die Schulter. Dann eilte ich die Treppe hinauf .. Aufatmend und langgestreckt betrat ich den Saal.‘
    • Hier die Konsequenz, die Safranski daraus zieht.
  • Offenbar ein vorweggenommener, impliziter Kommentar zur späteren Parabel »Vor dem Gesetz«, der dazu ermuntert, sich nicht einschüchtern zu lassen von den Reden der verbietenden, hindernden Macht. Vielleicht sind sie doch nur – Bauernfängerei.“

Weitere Infos, Tipps und Materialien