Klausur zum Roman „Heimsuchung“ – Frage des Humors und des Jahrhundertromans (Mat8630-khj)

Worum es hier geht:

Präsentiert wird eine Klausur, in der es um Ausschnitte aus dem Kapitel „Die Frau des Architekten“ geht. Eine besondere Rolle spielt die Frage des Humors und die Beziehung des Ehepaares. Dazu kommt als zweite Aufgabe eine Erörterung der Frage, ob die Bezeichnung „Jahrhundertroman“ angemessen ist.

Aufgabenstellung

  1. Analysieren Sie die folgenden Ausschnitte aus dem Kapitel „Die Frau des Architekten“, indem Sie
    1. die Ausschnitte in den Gesamtzusammenhang des Romans einordnen,
    2. herausarbeiten, was hier erzählerisch präsentiert wird
    3. und welche Aussagen man dem entnehmen kann.
    4. Zeigen Sie schließlich noch auf, mit welchen sprachlichen u.a. Mitteln die Aussagen unterstützt werden.
  2. Nehmen Sie ausgehend von diesen Textausschnitten Stellung zu der These, es handele sich bei „Heimsuchung“ um einen Jahrhundertroman.

Text der Klausur – Auszüge aus dem Kapitel „Die Frau des Architekten“

Hier zunächst ein Screenshot

und eine Druckvorlage

Mat8630-khj Klausur Heimsuchung Humor Jahrhundertroman

Humor ist, wenn man trotzdem lacht, sagt sie an irgendeinem der Sommerabende in irgendeinem der letzten zwanzig Jahre, während sie aus den Scheren das Mark saugt, eben hat ein mit ihnen befreundeter Filmregisseur davon erzählt, wie schwer es für die Maskenabteilung sei, arische Schauspieler für die Rollen des lästigen jüdischen Schiebers Ipplmeier und dessen Gesellen als Semiten zu schminken. Bei den Probeaufnahmen jedenfalls sahen sie aus wie waschechte, sagt der Regisseur und seufzt, ihr Mann sagt: Wir heißen euch hoffen, und sie sagt: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, sagt sie an irgendeinem anderen der Sommerabende in irgendeinem anderen der letzten zwanzig Jahre und bricht einem Krebs den Panzer, als ihr Mann Freunden davon erzählt, daß er in den Westen fahren und von seinem privaten Geld Schrauben kaufen muß für die junge Republik, weil ausdrücklich von ihm verlangt würde, das Plan-Soll einzuhalten und das Gebäude, an dem er gerade baut, zum dritten Jahrestag fertigzustellen. In der ganzen Ostzone gibt es keine Schrauben, das ist doch unglaublich, sagt er, und sie sagt:

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. An irgendeinem Sommerabend in irgendeinem der letzten zwanzig Jahre erzählt ihr Mann einem der Gäste, wie am Ende des Krieges die Russen den Garten zur Pferdekoppel umfunktioniert hatten, wie alles zertrampelt war, wie er damals sogar den Gärtner hat weinen sehen, das alles sagt er, und seine Frau sagt nichts, sie wischt sich gerade die Hände an einer Serviette ab, und der Freund, der ja nur das beurteilen kann, was gesagt wurde, bezieht sich darauf, indem er seinerseits sagt: Humor ist, wenn man trotzdem lacht, und während er das sagt, angelt er sich einen weiteren Krebs aus dem Topf. Hätte es nicht diese eine Nacht gegeben, diese eine Nacht in dem von ihrem Mann eigens für sie entworfenen begehbaren Schrank, würde sie vielleicht noch immer glauben, daß ihr Mann ihr damals, als er ihr den Kaufvertrag für die Unterschrift hinschob, ein Stück Ewigkeit gekauft hat, und daß diese Ewigkeit an keiner Stelle ein Loch hat.

[…]

Und dabei rinnt nun schon seit etwa sechs Jahren durch das Loch, das der Russe gegen Ende des Krieges in ihre Ewigkeit gebohrt hat, die Zeit fortwährend aus. Nur, weil es eine schwere Zeit ist, tritt so etwas wie ein historisches Trägheitsmoment ein, nur, weil die Zeit so schwer ist, daß sie sich sogar mit dem Davonlaufen Zeit lassen muß, sitzt die Frau des Architekten auch sechs Jahre nach dem Krieg noch auf ihrer Terrasse, sitzt da vor einem mit rotgekochten Krebsen gefüllten Topf, serviert, selbst am lautesten lachend, ihren Freunden die sicheren Pointen, und blickt auf den inzwischen Volkseigentum gewordenen See. […]

 

Bald wird sie in einer Zweizimmerwohnung in Westberlin leben, und später in einem Altersheim in der Nähe des Bahnhofs Zoo. Von der Flucht in den Westen bis zum Ende ihres Lebens wird sie alles, was man in Notzeiten dringend braucht, also Büroklammern, Schießgummis, Briefmarken, Zettel und Bleistifte, immer in ihrer Handtasche griffbereit halten. Und in ihrem Testament wird sie das Grundstück am See und das bis in alle Ewigkeit nach Kampfer und Pfefferminz duftende Haus, das, rein rechtlich gesehen, immer noch ihr gehört, wenn es auch in einem Land liegt, das sie, ohne Gefahr, verhaftet zu werden, nicht mehr betreten kann, ihren Nichten vererben, und den Frauen ihrer Neffen. Jedenfalls keinem Mann.

aus: Jenny Erpenbeck, Heimsuchung. Roman, Eichborn AG, Frankfurt am Main 2007, S. 71-76

Hinweise zur Lösung der Aufgaben gibt es hier:

https://textaussage.de/loesungshinweise-zur-klausur-zum-roman-heimsuchung-frage-des-humors-und-des

Weitere Infos, Tipps und Materialien

Infos, Tipps und Materialien zum Roman „Heimsuchung“ von Jenny Erpenbeck
https://schnell-durchblicken.de/themenseite-heimsuchung

Themenseite – Teil 1: Infos, Tipps und Materialien zum Einstieg:
Dazu sind vor allem die Videos hilfreich, die wir auf dieser Seite präsentieren.
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-tipps-und-hilfen-zum-einstieg

Themenseite – Teil 2: Materialien zu den Figuren mit ihren Themen
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-figuren-mit-ihren-themen

Themenseite – Teil 3: Materialien zu verschiedenen Aspekten der Interpration
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-aspekte-der-interpretation

Themenseite – Teil 4: Vorbereitung von Klausuren und Prüfungen
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-vorbereitung-klausuren

Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos

Youtube-Playlist zum Roman „Heimsuchung“
https://www.youtube.com/playlist?list=PLNeMBo_UQLv3HeM299xejKEGxQIEM_eEY