Lars Krüsand, „Der Außenseiter“ – Kurzgeschichte über einen glücklichen Moment (Mat390)

Worum es hier geht:

Literatur ist etwas Schönes – aber noch schöner wird es, wenn man mit ihr auch etwas anfangen kann.

Die Kurzgeschichte „Der Außenseiter“ von Lars Krüsand, wirft ein hilfreiches Licht auf Menschen, die am Rande einer Gruppe stehen, ihr aber viel bieten könnten.

Es muss nur zu dem glücklichen Moment kommen, dass darüber mal geredet wird. Das ist in dieser Kurzgeschichte der Fall.

Der Text der Kurzgeschichte

Lars Krüsand

Der Außenseiter

Es war wieder mal soweit. Die meisten in der Klasse waren der Meinung, man sollte mal wieder richtig was zusammen machen. Jetzt würde es also wieder losgehen. Man würde ihn fragen, ob er vielleicht doch noch mitmachen wollte. Insgesamt hatten sie akzeptiert, dass er lieber für sich war. Auch in den Pausen suchte er sich fast immer ganz schnell ein ruhiges Plätzchen, wo er nachdenken oder sich auch in Ruhe etwas notieren konnte. Wenn die andern vorbeikamen und ihn ansprachen, unterbrach er sofort das, was er gerade machte, und war auch schnell mit ihnen im Gespräch. Er hatte überhaupt nichts gegen die anderen, war auch hilfsbereit, er konnte nur mit vielem nichts anfangen, was den andern wichtig war.

„Hi Lars, wie sieht es denn aus? Wir wollen am Freitagabend Inas Geburtstag feiern und sind alle eingeladen. Das wird bestimmt richtig lustig und wäre auch was für dich.“ Er sah auf , Tim stand vor ihm. Der lächelte freundlich, aber so war er eigentlich immer. er akzeptierte einfach, dass andere Menschen so waren, wie sie waren, und verteidigte sie auch mal, wenn das zum Beispiel bei neuen Schülern nötig war. „Ich überlege es mir“, sagte er und schon war da das zweite Problem. Er war nicht nur gerne für sich, sondern wollte auch andere nicht vor den Kopf stoßen. Deshalb ließ er solche Dinge bis zum Schluss offen. Das gab natürlich einige Probleme. Immerhin musste man ja schließlich schon wissen, wie viele Leute mitmachten. Aber auch daran hatte man sich in seinem Falle gewöhnt und nahm es hin. Auch Tim reichte das anscheinend für den Augenblick, er schien es auch eilig zu haben. Jedenfalls verabschiedete er sich schnell und verschwand.

Dann kann dieser Freitag und er überlegte ziemlich lange, was er tun sollte. Er hatte auch ein bisschen Angst, denn in der Zeitung war letztens ein langes Gespräch mit einem Psychologen abgedruckt worden, das ihn ziemlich mitgenommen hatte. Menschen, die zurückgezogen lebten, würden im Laufe der Zeit immer seltsamer und gingen schließlich gar nicht mehr aus dem Haus, Seitdem hatte er angefangen, in seinem Tagebuch genau zu notieren, wie oft er unabhängig von Schule und dringenden Besorgungen rausgegangen war und was er mit wem unternommen hatte. Seine Eltern waren bei solchen Fragen keine große Hilfe. Ihnen reichte es, dass ihr einziger Sohn keine Probleme machte und ganz nebenbei auch noch das Haus bewachte, wenn sie beruflich oder privat unterwegs waren.

Irgendwann gegen Abend hatte sich die Sache mit Inas Geburtstag von selbst entschieden. Keine Entscheidung war in solchen Fällen schließlich auch eine Entscheidung.  Er würde also zu Hause bleiben. seine Eltern waren wieder ausgegangen, er hatte seine Ruhe und konnte tun und lassen, was er wollte.

Kurz vor 8:00 Uhr abends klingelte plötzlich. An der Tür stand Tim. Erst war Lars ein bisschen sauer. Fingen Sie jetzt schon an ihn abends abzuholen, das ging ja wohl entschieden zu weit. Dann aber sah er den Schmutz an Tims Händen und sein Schulterzucken in Richtung Fahrrad, das mit Platten auf dem Bürgersteig stand. Das war natürlich etwas anders. „Komm rein, da vorne rechts ist die Gästetoilette, da kannst du dir die Hände waschen.“ Während Tim hinter der Tür verschwand, überlegte Lars, wie er ihm helfen konnte. Einen Fahrradschlauch konnte er zwar nicht reparieren, aber sie hatten einige Fahrräder in der Garage stehen. Über die Frage, welches man nehmen sollte, musste er dann aber gar nicht mehr lange nachdenken. Tim kam nämlich zurück und hatte seine Panne anscheinend fast vergessen.

„Was machst du eigentlich an solch einem Abend. wo wir alle unterwegs sind?“

„Ach, ich sitze an meinen Gedichten …“

„Wie, du schreibst Gedichte?“

„Nein, nicht wirklich. Wenn ich ein schönes Gedicht finde, das schon etwas älter ist, dann versuche ich es umzuschreiben, dass es mir nicht nur von der Idee her gefällt. Manches drücken wir heute einfach anders aus.“

„Darf ich mal sehen?“

Damit hatte Lars kein Problem. Er wusste ja, dass Tim ziemlich tolerant war und auch niemanden gerne verletzte.

Kurze Zeit später saßen sie zusammen und Lars war gespannt, was Tim sagen würde, nachdem er sich ein paar Beispiele durchgelesen hatte.

„Das ist ja unglaublich, was du aus diesen Gedichten machst, die wir in der Schule besprochen haben. Warum liest du die nicht zur Abwechslung mal im Deutschunterricht vor?“

„Ach, weißt du, ich bin nicht davon ausgegangen, dass ihr euch dafür interessiert. Ich wollte auch nicht noch mehr zu einem Außenseiter werden: Erstens nicht auf Feten gehen und dann auch noch Gedichte schreiben.“

Tim überlegte einige Zeit, dann meinte er plötzlich:

„Du, da kann ich dir, glaube ich, helfen. Ich betreibe doch nebenbei Webseiten zu Themen der Astronomie. Ich hoffe ja immer noch, dass ich eines Tages einen neuen Planeten entdecke.“

Jetzt war Lars erst mal platt. Er war also nicht der einzige, der, ohne dass es die Klasse wusste, etwas Besonderes machte. Aber erst mal ging es jetzt um die Frage der Gedichte.

„Was haben die denn mit Astronomie zu tun,“ fragte er Tim vorsichtig. Der lächelte: „Gar nichts, aber ich weiß inzwischen, wie man Webseiten so gestaltet, dass nicht jeder sofort weiß, wer dahinter steckt. Da könnte man doch eine einrichten, auf der wir deine Gedichte unterbringen und dann melden wir uns einfach im Deutschunterricht und verweisen darauf. Mal sehen, wann den anderen auffällt, dass auf der Seite immer gerade die Gedichte zu finden sind, die wir gerade im Unterricht besprechen.“

Aufgaben:

  1. Woran erkennt man gleich am Anfang, dass es sich um eine Kurzgeschichte handelt?
  2. Wie ist die Geschichte aufgebaut? Teile sie in passende Sinnabschnitte ein.
  3. Wie könnte man den Inhalt kurz zusammenfassen? Am besten führst du einfach den Satz fort: „In der Geschichte geht es um einen Jungen, der …“
  4. Inwieweit ist der Schluss offen? Wie könnte die Geschichte weitergehen? Am einfachsten ist es, wenn du die Hinweise, die es dazu in der Geschichte schon gibt, nutzt.
  5. Wieso kann man diese Geschichte so verstehen, dass sie den „Ausriss aus einem Leben“ darstellt. Gilt das sowohl für Lars als auch für Tim?
  6. Überlege, welche anderen „Außenseiter“ es gibt, die auch heimlich etwas machen, das für die Gemeinschaft (Klasse, Verein u.ä.) interessant könnte.

Die Lösungen der Aufgabe sind hier zu finden:
https://textaussage.de/kruesand-aussenseiter-vorschlaege-zur-loesung-der-aufgaben

Hier zunächst eine kurze Vorschau, darunter die PDF-Datei zum Download.

Download
Lars Krüsand, „Der Außenseiter“
Textvorlage mit Aufgaben

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