Lernvideo Theatergeschichte von Aristoteles bis heute (Mat1564)

Dokumentation zum Lernvideo: „Geschichte des Theaters von Artistoteles bis zur Gegenwart.

Das Video ist auf Youtube zu finden unter:
https://youtu.be/EF-1ahhnmiM

Hier schon mal das Gesamtschaubild.

Auf die einzelnen Elemente werden wir noch genauer eingehen.

 

 

Stufe 1: Aristoteles und seine Rechtfertigung der Tragödie

  1. Wir beginnen ganz unten links mit Aristoteles, einem griechischen Philosophen des vierten Jahrhunderts v. Chr., der sich mit seinem Kollegen Platon über dessen Vorwurf gestritten hat, dass die Dichter eigentlich nur lügen würden und die Wahrheit eigentlich bei den Philosophen liege.
    Dazu eine kleine Ergänzung: Auf der Seite
    https://textaussage.de/luegen-die-dichter-wirklich-nach-plato
    wird genauer auf das eingegangen, was Plato sich hat zu den Dichtern einfallen lassen.
  2. Dem stellte er die Behauptung entgegen, die Dichtung und besonders die Tragödie sei zwar Fiktion, habe aber durchaus eine moralische Wirkung.
  3. Die Illusion, die auf der Bühne geboten werde, führe bei den Zuschauern zur sogenannten Katharsis.
    1. Darunter verstand man die Reinigung der Leidenschaften, d.h. auf gut deutsch: Die Zuschauer gingen nach Meinung von Aristoteles und seinen Nachfolgern gewissermaßen moralisch gereinigt aus dem Theater wieder heraus.
    2. Wichtig war, dass der Zuschauer das Gefühl hatte, dass das, was auf der Bühne passiert, direkt etwas mit seinem Leben zu tun hat.
    3. Angestrebt wurde das durch die sogenannten drei Einheiten
      1. des Ort, d.h. es gab keine großen Ortswechsel.
      2. der Zeit, d.h. alles fand wie im Leben an einem Tag zwischen dem Morgen und dem Abend statt.
      3. und der Handlung: Es gab keine Nebenhandlungen.
    4. Außerdem sollte die Wirkung noch dadurch verstärkt werden, dass das Fehlverhalten von Menschen besonders am Beispiel von hoch stehenden Leuten dargestellt wurde, was eine entsprechende „Fallhöhe“ produziert.
      Nach dem Motto: Wenn dem das schon passiert, wie wird es erst mir ergehen.

Stufe 2: Shakespeare – Gottsched – Lessing

  1. Spannend wird es dann für uns eigentlich erst wieder in der Neuzeit. Dort gibt es nämlich mit Shakespeare um 1600 in England ein Theatergenie, der sich an keine Regeln zu halten scheint, sondern das Menschlich-Allzumenschliche in all seinen Facetten überaus wirksam auf die Bühne bringt. Eine gewisse Fallhöhe gibt es bei Shakespeare schon noch, wie man etwa bei King Lear sehen kann, der den falschen Töchtern vertraut und bald einsam über die Heide irrt.
    Goethe wird später bei Shakespeare die sogenannten „Fetzenszenen“ loben, die er gerne in seinem „Götz von Berlichingen“ übernimmt. Überhaupt hat er eine hohe Meinung von dieser urwüchsigen Theaterkraft, die er in seiner berühmten „Rede zum Schäkespears Tag“ aus dem Jahre 1771 lobt.
  2. Im völligen Kontrast zu Shakespeare steht das sogenannte „Regeldrama“ der französischen Klassik um 1700, das sich eng an die Vorgaben des Aristoteles anlehnte. Die wichtigsten Autoren dieses vom Adel und Hof sehr geschätzten Theaters waren Corneille und Racine.
  3. In Deutschland setzte sich vor allem Gottsched im „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Teutschen“ (1730) für diese Art des Theaters ein. Berühmt geworden ist eine Art Gebrauchsanweisung zur Herstellung eines guten Dramas nach Gottschedfür die Herstellung eines Theaterstücks:
    „Der Poet wählet sich einen moralischen Lehrsatz, den er seinen Zuschauern auf eine sinnliche Art einprägen will. Dazu ersinnt er sich eine allgemeine Fabel, daraus die Wahrheit eines Satzes erhellet. Hiernächst sucht er in der Historie solche berühmte Leute, denen etwas ähnliches begegnet ist: und von diesen entlehnet er die Namen, für die Personen seiner Fabel, um derselben also ein Ansehen zu geben. Er erdenket sodann alle Umstände dazu, um die Hauptfabel recht wahrscheinlich zu machen, und das werden die Zwischenfabeln, oder Episodia nach neuer Art, genannt. Dieses theilt er dann in fünf Stücke ein, die ohngefähr gleich groß sind, und ordnet sie so, daß natürlicher Weise das letztere aus dem vorhergehenden fließet; bekümmert sich aber weiter nicht, ob alles in der Historie wirklich so vorgegangen, oder ob alle Nebenpersonen wirklich so, und nicht anders geheißen haben.“
  4. Es war dann Lessing, der in seiner „Hamburgischen Dramaturgie“ (1767) für ein Theater eintrat, das stärker an der Wirklichkeit und den Interessen des aufsteigenden Bürgertums orientiert war. Damit wurde vor allem die Ständeklausel aufgegeben. Mehr Wert wurde auf Gefühle und Individualität gelegt. Im Zentrum stand das „Mitleid“, also die Fähigkeit, mit den Figuren auf der Bühne und ihrem Schicksal mitzufühlen. Daraus sollten sich positive moralische Einstellungen ergeben, was den Ideen des Aristoteles wohl mehr gerecht wird als die überholten drei Einheiten.

Schiller, Goethe – das Theater der Weimarer Klassik

  1. Schiller war begeistert von der Französischen Revolution – bis sie in Terror umschlug. Seine Erklärung: Die Menschen sind noch nicht reif für die Gestaltung solcher Veränderungen. Vor diesem Hintergrund entwickelte er eine Theorie, die das Theater als moralische Anstalt ansah:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Schaub%C3%BChne_als_eine_moralische_Anstalt_betrachtet
    Damit war er nicht weit von Aristoteles und seiner Katharsis-Idee entfernt, auch wenn Schiller daraus ein sehr viel komplexeres System machte – und sich nicht nur eigentlich vor den Vorwürfen des Kollegen Plato schützen wollte 😉
  2. Goethe war im Gegensatz zu Schiller eigentlich kein klassischer Dramendichter. Im „Faust“ präsentierte er ein Menschheits- und Weltdrama, das sich vor allem im ersten Teil noch mehr an Shakespeare orientierte. Im zweiten Teil dann wurde schon das Fünf-Akte-Schema des klassischen Dramas eingehalten – aber es musste zumindest noch ein gutes Ende haben. Etwas anderes hielt der empfindsame Goethe nicht aus.
    „Iphigenie auf Tauris“ verkörpert vor allem das Ideal des „Edel sei der Mensch / hilfreich und gut“. Goethe selbst empfand die Protagonistin als „verteufelt human“.
    Der Inbegriff des klassischen Dramas ist aber aber Goethes „Tasso“.
    Näheres dazu hier:
    https://www.schnell-durchblicken2.de/hilfreiche-mp3-dateien

Das Theater des 20. Jahrhunderts

  1. Brecht ist dann im 20. Jahrhundert derjenige, der den stärksten Gegensatz zum klassischen Theater präsentiert. Das drückt schon die Bezeichnung „episches Theater“ aus. Gemeint ist, dass der Zuschauer nicht gefühlsmäßig in die Handlung hineingezogen wird wie bei Aristoteles und Schiller, sondern er soll Distanz behalten. Das geschieht durch Elemente der Verfremdung, zum Beispiel eingeschobene Songs, die die Handlung kritisch kommentieren usw.
    Typisch ist das Parabelstück „Der gute Mensch von Sezuan“, in dem am Schicksal einer Prostituierten gezeigt wird, dass man selbst mit göttlicher Hilfe nicht gut sein kann. Vielmehr müssen die Verhältnisse geändert werden. Das ist ganz im Sinne des Kommunismus, der für Brecht eine große Rolle spielte: Der Mensch ist von Natur aus gut – und wenn er schlecht ist, liegt es an den Verhältnissen.
  2. Dürrenmatt setzt einen anderen Akzent. Er geht vom Existenzialismus aus. Der Mensch hat nur sich selbst und muss mit einer chaotischen Welt klarkommen, die von Zufällen regiert wird. Am besten wird das deutlich an dem Stück „Die Physiker“, in der ein Wissenschaftler vergeblich versucht, die Menschheit vor den Folgen seiner Entdeckungen zu bewahren.
    Dürrenmatt begnügt sich, Probleme zu zeigen, aber die Lösung den Menschen zu überlassen.
  3. Das „Postdramatische“ (oder auch postmoderne) Theater ist dann eins, das weitgehend auf eine Handlung mit klaren Figuren verzichtet. Auch gibt es keine lineare Zeitabfolge. Es werden häufig Bilder präsentiert, die man auch austauschen könnte. Das würde den Begriff des „Postdramatischen“ erklären, die Abwendung von allen Versuchen, mit dem Theater ein Ziel zu verfolgen.
    Außerdem ist der Mensch geprägt von Sinnverlust, Ohnmacht und Fremdbestimmung. Das wäre dann eher „postmodern“, was den Verzicht bedeutet auf alle Versuche der Moderne, die Welt etwa im Sinne von mehr Gerechtigkeit (Brecht) oder Selbstverantwortung (Dürrenmatt) weiterzuentwickeln.
    Zu fragen ist, warum man sich so etwas ansehen soll, wenn man es entweder doch schon täglich selbst erfährt oder aber vielleicht für sich selbst noch eine Sinn-Schutzzonte bewahrt hat, zum Beispiel die Liebe oder das Eintreten für Menschenrechte o.ä.
    Das ist sicher ein schönes Thema für ein Gespräch nach einem entsprechenden Theaterstück.

Weiterführende Hinweise