Worum es hier geht:
Im Folgenden wollen wir mal zeigen, wie man durch „Studieren“, also emsiges Bemühen, und „Buchstabieren“, also Zerlegen und dann wieder Zusammensetzen die Sehnsucht nach Verstehen zufriedenstellen kann.
Wir präsentieren also eine Interpretation so, wie das Gedicht es vorschlägt 😉
Mascha Kalékos Gedicht „Unsinn und Sinn“ ist u.a. hier zu finden.
So haben wir das Gedicht „studiert“
Anmerkungen zu Strophe 1
- Die erste Strophe beschreibt offensichtlich das, was im Titel als „Unsinn“ angesehen wird.
- Der besteht in einer zu intensiven oder zu ausdauernden Suche nach Sinn, also nach großen Zusammenhängen, nach Bedeutung, nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, wie Goethes Faust es ausdrückt.
http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Dramen/Faust.+Eine+Trag%C3%B6die/Faust.+Der+Trag%C3%B6die+erster+Teil/Nacht - Nicht dem Sinn, wohl aber diesem falschen Suchen wird ein anderer Weg gegenübergestellt, der offensichtlich nach Meinung des Gedichtes größere Chancen auf Erfüllung der Sehnsucht enthält. Es geht um eine Art romantische Grundeinstellung gegenüber der Welt und dem Leben: Gesang und Träume.
- Dieser vermeintliche „Unsinn“ kann „Sinn“ enthüllen, also freigeben.
Anmerkungen zu Strophe 2
- Die zweite Strophe legt dann gewissermaßen den Rückwärtsgang ein. Überraschenderweise ist plötzlich nicht mehr vom romantischen Weg der Sinnsuche die Rede, sondern um das „Studieren“, also die rationale Auseinandersetzung mit etwas. Hier wird gewissermaßen die falsche Seite in der berühmten Gegenüberstellung von Novalis angesprochen:
https://www.gedichte-lyrik-online.de/wenn-nicht-mehr-zahlen-und-figuren.html - Auf jeden Fall wird das „Studieren“ dem instinktiven Erfassen positiv gegenübergestellt.
- Das wird am Ende mit persönlichen Zielen gleichgesetzt, die man nur nicht „buchstabieren“, also sich richtig klarmachen kann.
Versuch, die Aussage des gesamten Gedichtes zu erfassen
- Diese zweite Strophe erscheint im Vergleich zur ersten nicht so klar und leicht nachvollziehbar.
- Versuchen wir es mal in eigenen Worten zu sagen:
Wenn dein Instinkt dir etwas sagt und es durchaus das Richtige ist,
dann überprüf es trotzdem noch genauer, blende also den Verstand nicht aus.
Das macht wohl nur Sinn, wenn man die zweite Zeile nur im Sinn einer subjektiven Gewissheit versteht. Irgendwie bleibt dann doch eine Rest-Unsicherheit, die nach „Studieren“ verlangt. - Am Ende dann doch die Bestätigung, dass es so etwas wie innere Gewissheit gibt, die man nur nicht „buchstabieren“ kann, also klar, in Teile zerlegt, systematisch aufgebaut deutlich machen.
Offensichtlich macht das Gedicht deutlich, dass es so etwas wie instinktive Gewissheit gibt, die man trotzdem „studieren“ soll und das geht nur durch „buchstabieren“, also zerlegen, analysieren.
Ziel ist aber wohl nicht die kritische Überprüfung, sondern das noch stärkere Sich-darüber-klar-Werden. So dass man es am Ende auch ausdrücken und anderen vermitteln kann.
Versuch der Veranschaulichung
- Das ist mal wieder so ein Text, bei dem man sich ein Beispiel wünscht.
Wir versuchen mal, die Klarheit, die wir durch „Studieren“ dieses Gedichtes meinen gewonnen zu haben, jetzt auch zu „buchstabieren“ oder besser noch in ein lebendiges Bild oder eine Erzählung zu fassen:- Man sieht einen Menschen und findet ihn faszinierend – und das bleibt auch so.
- Man kann diesen Menschen auch nicht gleich „buchstabieren“, also beschreiben, was genau einen fasziniert.
- Das Gedicht empfiehlt nun, nicht aufzugeben, sondern zu versuchen, vom Gefühl zu einer Gewissheit zu kommen.
- Bleibt die Frage nach dem Zusammenhang der ersten und zweiten Strophe:
Bei Sinnfragen sollte man statt langem Suchen sich lieber schönen Erfahrungen widmen – und seien sie auch „nur“ fiktiv.
Beim Wollen aber lohnt es sich nach sicherem Instinkt noch weiter zu studieren – und das gilt nicht nur für die Liebe, sondern auch z.B. für den Berufswunsch: Es ist eine gute Ausgangsbasis und sollte nicht nur satirisch runtergemacht werden, wenn jemand „was mit Medien“ machen möchte.
Es kommt nur darauf an, dass man das für sich ausbuchstabiert und dann klarere Konturen gewinnt.
Kreativer Impuls
- Das Gedicht versteckt seine Aussage zunächst ein bisschen, was auch mit fehlender Anschaulichkeit zu tun hat.
- Am Ende hat man aber doch das Gefühl, es verstanden zu haben.
- Allerdings wird einem dann auch deutlich, dass ein Element fehlt:
- Zum „Buchstabieren“, also zum klaren Begreifen dessen, was man instinktiv sich wünscht, braucht man allerdings auch ein bisschen Glück und vielleicht die richtigen Freunde oder Ratgeber.
Aus dem Gedicht eine Kurzgeschichte machen
Ein paar Anregungen:
- Man geht aus von dem Punkt, wo man Klarheit hat. Jemand liest z.B. eine Stellenanzeige, die ihm plötzlich klarmacht: Das ist es, wovon ich immer geträumt habe.
- Dann der Rückblick auf die lange Auseinandersetzung mit der Frage, was man werden will oder soll. Dabei gab es immer eine – allerdings unbestimmte – Sehnsucht, etwas „mit Medien zu machen“.
- Da gab es viel Widerstand – zwischen Sorgen und sogar Spott, weil das ja einem Klischee zu entsprechen scheint.
- Jetzt also die Klarheit
- Dann aber auch die selbstkritische Frage, ob man den Anforderungen wirklich gewachsen ist.
- Damit hätte man dann den offenen Schluss.
- Wenn man ihn ansatzweise positiv gestalten will, könnte das darauf hinauslaufen, dass man sich an eigene Bemühungen erinnert, die Mut machen können.
Dazu gibt es in unserer Liste der Kurzgeschichten zum Thema „Arbeitswelt“ ein schönes Beispiel:
Mark Zwollich, Die Entscheidung
Die Kurzgeschichte macht deutlich, dass es nicht darauf ankommt, wieviel Angst man vor einer Aufgabe hat.
Wichtig ist, dass man jemanden findet, der einem hilft, den richtigen Blick für die eigenen Fähigkeiten zu bekommen.
Gezeigt wird das am Beispiel eines Referendars, der sich den Anforderungen der Lehrerausbildung nicht gewachsen fühlt, aber eigentlich schon alles richtig macht und kann.
https://textaussage.de/mark-zwollich-die-entscheidung