Nikos Kazantzakis, „Die Blinden und der Elefant“ – eine kurze Parabel, über die man lange nachdenken kann (Mat8550)

Worum es hier geht

Präsentiert wird eine Parabel, die viel aussagt über unser Bild von anderen Menschen, ja sogar der Welt überhaupt.

Inhaltsangabe

  • In der Geschichte geht es um Blinde, die in einem Dort in der Wüste leben.
  • Eines Tages sehen sie einen Elefanten, der im Gefolge eines Königs vorbeikommt.
  • Da sie schon viel von solch einem Tier gehört haben, möchten sie das Tier näher kennenlernen – das geht bei ihnen als Blinden natürlich nur durch Betasten.
  • Einige von den Blinden fragen nach und bekommen auch die Erlaubnis. Jeder von ihnen das, was er gewissermaßen mit den Händen wahrnehmen kann.
  • Anschließend werden sie von den anderen Blinden gefragt – und jeder beschreibt das, was er ertastet hat.
  • Das Besondere ist nun, dass jeder von ihnen mit etwas Fantasie den Teil des Elefanten beschreibt, den er wahrgenommen hat: Das geht vom Rüssel als einem Schlauch über die Beine als bekleidete Säulen, zwei andere stritten sich, ob das Ohr eine Mauer oder ein Teppich ist, der sich sogasr bewegt.
  • Der letzte, der auf dem Elefanten hat reiten dürfen, spricht von einem Berg, der sich bewegt.

Aussage der Geschichte

  • Damit endet die Geschichte:
    Sie macht deutlich, dass die Blinden nur einen Teil der Wirklichkeit mit ihren eingeschränkten Sinnen erkennen können, was dann auch zu Missverständnissen führen kann.

Deutung der Geschichte – als Parabel

  • Man merkt deutlich, dass das eine Geschichte ist, die etwas an einem Beispiel deutlich machen soll.
  • Als Deutungshypothese kann man annehmen, dass hier den Menschen eine Lehre erteilt werden soll, wie es für eine Parabel typisch ist.
  • Diese Lehre würde dann lauten: Man erkennt immer nur einen Teil der Wirklichkeit und deutet ihn dann auf seine Weise. Das muss nicht mit der echten Wirklichkeit übereinstimmen.
  • Das kann jetzt jeder auf das übertragen, was er selbst meint erkannt zu haben.
  • Kleiner Tipp: Zum Beispiel könnte man die Parabel darauf übertragen, ob man einen anderen Menschen komplett erkennen kann.
  • Es könnte doch sein, dass die Geschichte uns lehrt, etwas vorsichtiger mit unseren Vorstellungen von anderen Menschen umzugehen. Das merkt man spätestens dann, wenn man eine andere Seite bei ihnen kennenlernt und im positiven Sinne „ent-täuscht“ wird.

„Intertextualität“ – woran diese Geschichte einen erinnern kann

  • An dieser Stelle kann man an den Dichter Max Frisch erinnern, der uns davor gewarnt hat, uns von anderen Menschen ein zu festes Bild zu machen. Das hat er dann auch in seinem Theaterstück „Andorra“ verarbeitet.
  • Man kann aber noch viel weitergehen und an das sogenannte Höhlengleichnis des alten griechischen Philosophen Plato erinnern: Der glaubt, dass wir alle gefesselt unterirdisch festsitzen – und nur die Schatten der Dinge an der Wand vor uns sehen. Das würde für uns Menschen bedeuten, dass wir überhaupt nicht die wirkliche Realität erkennen. Davon hat jeder eine Ahnung, der schon mal erlebt hat, dass ein Hund die Wirklichkeit über die Nase ganz anders wahrnimmt als wir Menschen – und eine bestimmte Strahlung ist nur mit einem Geigerzähler erkennbar.
  • Plato geht noch etwas weiter: Er lässt einen der Gefangenen freikommen. Der sieht dann das, was die anderen nicht sehen können in 3D und in Farbe. Als er zurückkehrt und den anderen mit leuchtenden Augen davon erzählt, bringen sie ihn sogar um. Sie wollen ihre gewohnte Sichtweise nicht aufgeben.
  • Das wiederum erinnert an Immanuel Kant, der die Frage: „Was ist Aufklärung“ so beantwortet hat, dass man sich selbst um die richtige Erkenntnis bemühen muss, nicht von anderen übernehmen darf – und dass es neben der Anstrengung dafür auch Mut braucht.
    Und viele Menschen möchten diesen Aufwand nicht treiben – und wer sie mit einer abweichenden Sicht auf die Dinge vielleicht zu sehr nervt oder für die Mächtigen eine Gefahr wird, kann auch Probleme bekommen oder sogar umkommen.

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