Peter Bichsel, „San Salvador“ – Anregungen für den Unterricht
Bichsels Kurzgeschichte „San Salvador“ zeigt einen Mann zwischen Verharren und Träumen. Am Ende entscheidet nicht er, sondern „es“ – irgendetwas zwischen mangelnder Entschlusskraft bzw. Zielklarheit und mehr oder weniger bewussten Bindungen. Wir stellen die Kurzgeschichte kurz vor und konzentrieren uns dann vor allem auf Einsatzmöglichkeiten im Unterricht – bis hin zu kreativen Veränderungen.
Kurz-Info zu Thema und Inhalt
Ein Mann schafft es nicht, der traurigen Wirklichkeit in seinen Traum zu entfliehen.
Inhaltsangabe:
Die Geschichte beginnt damit, dass ein Mann seinen neuen Füller ausprobiert und dabei ganz nebenbei beim probeweisen Schreiben verrät, was ihn innerlich umtreibt. Er fühlt sich in der Kälte nicht wohl und möchte gerne nach Südamerika.
Er malt sich auch schon aus, wie seine Frau auf sein plötzliches Verschwinden reagieren würde. Er tut allerdings nichts, um sein Vorhaben umzusetzen, sondern vertreibt sich einfach die Zeit und wartet auf seine Frau.
Als sie dann kommt, erkundigt sie sich zunächst nach den Kindern und verhält sich ansonsten, wie er es aus alter Gewohnheit erwartet.
Offen bleibt, ob ihn das eher nervt oder beruhigt.
Als Leser hat man aber auf jeden Fall das Gefühl, dass hier entweder falsche Träume geträumt werden – oder aber der Mut fehlt, seinen Träumen zu folgen.
Bedeutung der Geschichte: -> Was zeigt die Geschichte?
Die Geschichte zeig t einen Menschen zwischen Gewohnheit und der Sehnsu cht nach Veränderung
Anmerkungen zum Schaubild:
Beginnen wir mir der linken Seite: Dort sind einige Dinge aufgeführt, die die Bindung des Mannes an sein jetziges Leben zeigen. Rechts finden sich dementsprechend Wünsche, Träume, die ihn von zu Hause fortführen würden. Die Füllfeder tut das zumindest ansatzweise, denn sie bringt ihn dazu, sein Innerstes zumindest ansatzweise zu offenbaren.
Ganz unten steht das, was ihn möglicherweise festhält: Seine Frau nervt ihn möglicherweise, sie ist ihm aber auch vertraut. Jedenfalls wird ein entsprechendes Element am Ende nicht negativ kommentiert. Dazu kommen und passen die Kinder, die er vorher komplett ausgeblendet hatte, die aber auch eine zusätzliche Bindung darstellen.
In der Mitte der Mann, der alle drei Teile in sich trägt und fast wie der römische Kriegsgott Janus in beide Richtungen blickt.
Über allem das Fremdwort „Ambiguität“, das auch junge Menschen ruhig kennen sollten – das entsprechende Gefühl haben sie auf jeden Fall immer wieder, nämlich die Unentschiedenheit. Im strengen Sinne des Wortes ist das eine unterschiedliche Auslegbarkeit von Wörtern oder Textstellen, wie wir es hier am Ende mit den Haaren und den Kindern vorliegen haben.
Aber es gibt auch das psychologische Fachwort „Ambiguitätstoleranz“, das besagt, dass man eine unklare Situation aushalten kann. Man denke etwa an das Gänseblümchen-Orakel, bei dem abgezählt wurde: „Er liebt mich – er liebt mich nicht – er liebt mich“ usw.
Hier liegt nun möglicherweise der Fall vor, dass es sich gar nicht um Toleranz handelt, sondern um eine Unentschlossenheit, die sich dann von selbst erledigt.
Inwiefern und inwieweit handelt es sich um eine Kurzgeschichte?.
Es gibt einen typischen direkten Einstieg und ein offenes Ende. Was den Ausriss aus dem Leben angeht, hat man entweder eine verpasste Gelegenheit oder aber eher falsche, unrealistische Träume. Intereressanterweise tauchen erst ganz am Ende die Kinder im Gespräch auf – und damit natürlich auch eine zusätzliche Ebene von Verantwortung.
Insgesamt tendiert die Geschichte eher in Richtung Unentschlossenheit, ein noch hohes Maß an Vertrautheit und einen Verantwortungshorizont, der einen Ausbruch zumindest fragwürdig machen würde.
Anmerkungen zum Einsatz als Klassenarbeit.
Die Geschichte ist gut als Klassenarbeit einsetzbar. Interessant ist vor allem die Einschätzung des im Titel genannten Fluchtvorhabens.
Erweitert werden könnte sie durch kreative Aufgaben – etwa die Frage, was denn nun aus dem Traum wird.
Ideen zum Einsatz im Unterricht
Oben schon angesprochen wurde die Idee, die Geschichte weiterzuschreiben – zum Beispiel könnte der Mann jeden Tag einen anderen unrealistischen Traum haben – bis ihn vielleicht mal jemand darauf aufmerksam macht.
Möglich wäre aber auch eine ganz andere Art von Veränderung, nämlich eine SMS der Frau, in der sie ihm mitteilt, dass sie ihn verlässt – und er sich jetzt endlich mal um die Kinder kümmern könnte, statt immer nur irgendwelchen Hirngespinsten nachzuhängen.
Oder aber der Mann will wirklich gehen, hat schon die Haustür in der Hand, als oben ein Kind nach ihm ruft und ihn an diese Verantwortung erinnert.*
Hinweis auf ein Gedicht mit ähnlicher Thematik
Erich Kästner hat ein Gedicht verfasst mit dem Titel: , „Der geregelte Zeitgenosse“. Da geht es um einen Mann, der scheinbar alles geordnet hat und vorbildlich zumindest für die materielle Sicherheit seiner Familie sorgt. Irgendwann fühlt er sich dann von Mauern umgeben und möchte gerne ausbrechen, bleibt aber – aus Angst vor seiner Frau.
https://textaussage.de/uebung-muendlicher-vortrag-erich-kaestner-der-geregelte-zeitgenosse