Sascha Kokot, „Das Grollen in den Träumen“ oder: Wieviel mute ich den Lesern zu? (Mat5295)

Worum es hier geht:

Wir gehen hier auf das Gedicht „Das Grollen in den Träumen“ von Sascha Kokot ein, das in seinen zwei Strophen interessante Unterschiede zeigt.

Während die Strophe 1 für viele Schülis wohl unzumutbar ist, weil sich zu viele Verständnisschwierigkeiten auftürmen, kann die 2. Strophe durchaus für eine Klausur verwendet werden – und zeigt dann auch viel Ausagekraft. Allerdings begnügt sich der Schluss mit etwas fragwürdigen Ansätzen.

Zu finden ist das Gedicht unter dieser Web-Adresse.

https://titel-kulturmagazin.net/2019/10/27/lyrik-sascha-kokot-zwei-gedichte/

Anmerkungen zur 1. Strophe

  • Zeile 1
    • Das lyrische Ich befindet sich mit anderen zusammen vor einer kahlen Fläche, wohl in Island.
    • Was man unter „Sandur“ versteht, haben wir ChatGPT gefragt und dort eine ausreichende Antwort erhalten:
      „ist ein isländisches Wort und bezieht sich auf eine flache, karge Ebene aus Sand und Kies, die oft von Gletscherflüssen geformt wird. Der Ausdruck „im tiefen Frost“ deutet darauf hin, dass es sehr kalt ist.“
      Free Research Preview. ChatGPT may produce inaccurate information about people, places, or facts. ChatGPT May 12 Version
  • Zeile 2
    • Dort gibt es aber zumindest eine Straße, auf für die Gegend typischem schwarzen Schotter.
  • Zeile 3 und 4:
    • Es wird dann genauer das Aussehen vor dem Hintergrund ines Gletschers beschrieben.eines Gletschers beschrieben.
  • Zeile 5-7:
    • In den nächsten drei Zeilen geht es wohl um Pferde, die man jetzt nicht in ihre Gehege bringen kann, in denen sie vor dem Wintereinbruch geschützt wären.
    • Das mit dem Wintereinbruch bezieht das lyrische Ich zwar nur auf sich und seine Gruppe. Es bleibt auch unklar, was diese Kaltblüter für das Überleben im Winter leisten, aber offensichtlich gehören Tier und Mensch hier eng zueinander.
  • Zeile 8-10:
    • Nicht ganz klar sind auch die nächsten Zeilen, wenn von den letzten Nachbarn die Rede ist.
    • Ebenfalls unklar bleibt, welche Bedeutung die Anweisungen auf Kurzwelle haben.
    • Auf jeden Fall ist klar, dass am Ende das Hindernis nicht mehr vorhanden ist.
  • Zeile 11 und 12
    • In den nächsten Zeilen verstärkt sich dann der Ärger des Lesers, weil er das Gefühl hat, dass das lyrische Ich sich eigentlich gar nicht an ihn wendet.
    • Man fragt sic, warum es solche offensichtlich andeutungsarmen Äußerungen nicht einfach für sich selbst behält oder seinem Tagebuch anvertraut.
    • Leider gibt es ja auch Gedichte, in denen der Autor vor allem seine Informationsüberlegenheit dem Leser demonstrieren möchte.
    • Bedauerlich ist, dass in der Regel so etwas nicht kritisch thematisiert wird. Stattdessen möchte man sein eigenes Unverständnis nicht offenbaren. Der Autor kommt gegebenenfalls mit einer selbstgemachten Spielwiese davon.
    • Auch bleibt die Frage offen, warum der Dichter seine neuen Erkenntnisse über die Kommunikationstechnik der Tiere (Anweisungen auf Kurzwelle) nicht schon längst fachkundigen Biologen übermittelt hat.
    • Natürlich kann ein Dichter schreiben, was er will und auch seiner Fantasie freien Lauf lassen. Allerdings müssten solche Gedichte in der Schule mit einer Triggerwarnung versehen werden. Die müsste dann deutlich machen, dass hier nicht normale Analyse verlangt ist, sondern mitschaffende Kreativität.
      • Aber Vorsicht:
      • Es gibt ja noch eine zweite Strophe und die löst vielleicht das Rätsel auf.
      • Es bleibt allerdings die Frage an den Dichter, ob er überhaupt mit seinen Texten normale Menschen erreichen will oder sich nur an staunende oder sich wissend gebende Angehörige seiner poetischen Blase richtet.
  • Zeile 13-15
    • Im gleichen Stil geht es weiter.
    • Eine befürchtete Sturmflut macht sich immer gut.
    • Warum das lyrische Ich seine Gruppe mit Jährlingen vergleicht, bleibt unklar.
    • Vielleicht aber – und das ist das Schöne an einem Ärger, der weiteres Nachdenken nicht verhindert  – wird hier das Geschehen auch aus der Perspektive der Tiere betrachtet.

Anmerkungen zur 2. Strophe

  • Zeile 1-6
    • Die ersten sechs Zeilen der zweiten Strophe machen die zwei Dinge deutlich:
      • Zum einen wird klar, dass es sich nicht um den Blick der Tiere handelt, sondern wohl eines Menschen auf die Tiere.
      • Dann wird deutlich, dass dieses Gedicht offensichtlich die Verkleinerung der Lebensräume der Tiere anprangert.
  • Zeilen 7-10
    • Die nächsten Zeilen beschreiben das Verhalten der Tiere vor diesem Hintergrund.
  • Zeilen 11-13
    • Übergang auf ein Hintergrundgeräusch, das offensichtlich etwas Bedrohliches ankündigen soll
    • Das schwillt aber vor allen Dingen in seinen Träumen an.

Zusammenfassung / Aussage

  1. Insgesamt wird klar, dass das Gedicht zwei zentrale Aussagen hat.
    1. Zum einen die Einschränkungen der Lebensmöglichkeiten für die Tiere
    2. Am Ende wird aber auch deutlich, dass sich daraus eine Gefahr für alle Lebewesen ergibt.
    3.  Als Leser fragt man sich, was die erste Strophe eigentlich zu diesen zentralen Aussagen beiträgt oder ob man sie nicht besser weglassen könnte. So auch in einer Klausur geschehen, die den Schülis viel Analyse-Rätselraten erspart hat.
    4.  Insgesamt bleibt der Eindruck,
      1. dass dieses Gedicht sich in der 1. Strophe unnötig rätselhaft präsentiert
      2. und in der 2. Strophe nicht über sehr allgemeine Andeutungen hinauskommt, die ein wenig wohlfeil klingen. Das heißt: Ein bisschen mehr Gedanken-Vorarbeit wäre hilfreich gewesen:
        1. Wieso ist das, was für Island beschrieben wird, auch für uns ein Problem?
        2. Was hat das unterschwellige Grollen mit den Problemen der Tiere zu tun?
        3. Soll das Gedicht überhaupt ernst genommen werden, wenn hier dem lyrischen Ich und möglicherweise auch dem Autor vorwiegend Träume anschwellen? Hier hinein passt auch der Titel und die damit verbundene Frage, ob der Deutschunterricht der Ort zur Aufklärung von Träumen ist.
        4. Ist das wirklich etwas für die Schule?
        5. Oder sollte man das nicht eher denen überlassen, die über höhere Weihen verfügen – z.B. der Wissenschaft oder allgemein des Kulturbetriebs.
        6. Für uns allerdings liefert das Gedicht zwei schöne Beispiele, zum einen für eine etwas provozierende, wenn auch richtungslos wirkende Rätselhaftigkeit, zum anderen eine Aussage, die so minimalisiert erscheint, dass man als Leser nur an ihr wachsen kann.

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