Schnell durchblicken bei der Kurzgeschichte „Zugvögel“ von Elisabeth Steinkellner und Anregungen (Mat7184 )

Worum es hier geht:

  • Das Interessante und auch Herausfordernde an der Kurzgeschichte „Zugvögel“ von Elisabeth Steinkellner ist, dass sie nicht einfach zu verstehen ist.
  • Das beginnt schon mit der ungewöhnlichen ich/du Perspektive.
  • Von daher ist es besonders wichtig, auf die Signale zu achten, die etwas Licht auf das Geschehen werfen.

Wir erläutern die Erzählschritte und geben jeweils den Anfang des Abschnitts an.

Teil 1: Situation und oberflächlicher Smalltalk

  •  [ab „Zuckerwatte“, sagst du,“]
    • Das entscheidende Signal in diesem Abschnitt ist der Nebensatz: „als du klein warst“. Der macht nämlich deutlich, dass es zwischen dem Ich und dem Du einen Altersunterschied gibt.
    • Das führt zu der Deutungshypothese, dass es sich um den Vater handelt.
    • Das führt zu der zweiten Hypothese, dass es hier eine Situation ist, wo Vater und Kind sich an frühere gemeinsame Zeiten zurückerinnern.
    • Deutlich wird auch, dass der Vater eine überlegene Position einnimmt, denn er erklärt etwas und tut es auch noch auf fantasievolle Art und Weise falsch.
    • Offensichtlich versteht das Kind das und man merkt deutlich, dass sich hier etwas geändert hat in der Beziehung der beiden.
    • Sie nehmen frühere Zeiten noch mal spielerisch auf, können aber bereits beide darüber lachen.

 

  • [ab „Wir gehen an dem kleinen Teich vorbei“]
    • Im nächsten Schritt wird dann das Erklären etwas ernsthafter und macht deutlich, dass es immer noch einen Wissensunterschied zwischen den beiden Personen gibt.
    • Wieder zeigt der Vater durch das Lachen eine Position, die das Kind irritiert, mit der es aber leben kann.
    • Das spricht dafür, dass es sich inzwischen auch weiterentwickelt hat und sich nicht mehr in totaler Abhängigkeit von dem Vater befindet.
  • [ab „  Bereits zum dritten Mal „]
  • Dieser Abschnitt lässt die Vermutung aufkommen, dass der Vater ein viel beschäftigter Mann ist, der wenig Zeit hat.
  • An der Bemerkung des Kindes merkt man, wie abgezählt, also berechnet die Zeit ist, die dieser Vater für sein Kind hat.
  • Es ist ein gut gewähltes sprachliches Mittel, dass das Kind hier den Begriff des Einschiebens verwendet, denn der macht die Beziehung zwischen den beiden sehr deutlich.
  • [ab „‘Was macht die Schule?‘“]
    • Es kommt jetzt zu zwei Standardfragen und Elternteilen, die eher nach Pflichtprogramm aussehen.
    • Dementsprechend sind auch die Antworten sehr kurz und eigentlich nichts sagend.

Teil 2: Ausbruch aus dem Smalltalk

  • [ab „Dann nehme ich all meinen Mut „]
    • In diesem Abschnitt verliert das Gespräch seine Oberflächlichkeit und wendet sich dem zu, was zumindest das Kind bewegt.
    • Es möchte seinen Vater häufiger sehen als nur einmal im Monat und dann nur für 1 abgemessene Stunde.

 

  • [ab „Kurz verlangsamst du den Gang „]
    • Die Reaktion des Vaters deutet bereits an, dass jetzt auch ein Problem für ihn auf dem Tisch ist.
    • Dementsprechend gibt es bei ihm zunächst eine Übersprungshandlung (Griff zur Krawatte), die seine berufliche Situation verdeutlicht.
    • Dann eine Antwort, die paraverbal ausgestaltet ist. Was der Vater sagen muss, kommt nämlich nur unterbrochen heraus.
    • Am Ende dann die Information, die das Kind angesichts seiner Bedürfnisse und seiner Bitte als Schlag in den Magen verstehen muss.

 

  • [ab „Mein Mund ist plötzlich ganz trocken „]
    • Dementsprechend ist auch die Körperreaktion.
    • Der Vater bleibt erstaunlicherweise hilflos.
    • Das macht die Diskrepanz (den großen Unterschied) deutlich zwischen seiner wohl anzunehmenden beruflichen Professionalität und seinem Umgang mit privaten Problemen.

 

  • [ab „Ich grabe meine Fäuste „]
    • Das Kind ist jetzt so traurig, dass der Vater das mitbekommt.
    • Er weicht dann in Perspektiven aus, die wohl eher seiner Entlastung dienen als der Befriedigung der Bedürfnisse seines Kindes.
    • Dementsprechend misslingt auch sein Versuch, damit sein Kind aufzumuntern.

Teil 3: Schlussteil: Trennung

 

  • [ab „Ich sehe zu Boden „]
    • Den Niedergang der Beziehung zwischen Vater und Kind wird dann dadurch deutlich, dass das Kind nur noch weg will und das auch umsetzt.
    • Der Vater läuft dem Kind hinterher und versucht zu retten, was nicht zu retten ist.
    • Was er dabei sprachlich vermittelte, ist eine wohl nicht wirklich ernst gemeinte Perspektive
    • Dementsprechend kommt der Hammer: Möglicherweise ist dem Vater gar nicht klar, was er tut, wenn er seinen Trostversuch mit etwas verbindet, was vorher ja als unmöglich von ihm bezeichnet worden ist.
      (Dass Stockenten gar nicht in den Süden fliegen.)
  • [ab „Ich beschleunige meine Schritte „]
    • Der Schluss der Geschichte verläuft dann entsprechend:
    • Das Kind entfernt sich noch schneller vom Vater
    • und denkt nur noch mal kritisch darüber nach, was ihm eben vorgeschlagen worden ist.

Die Geschichte zeigt …

  1. … die sicherlich häufig vorkommende Situation: Ein Trennungskind muss erleben, wie sich ein Elternteil – und meistens ist es der Vater – noch weiter von ihm entfernt.
  2. Das ist hier besonders tragisch, weil es direkt im Gegensatz zu den vorher geäußerten Bedürfnissen des Kindes steht.
  3. Außerdem wird deutlich, dass solche knappen Hin-und-wieder-Pflichtgespräche auch dazu neigen, sehr oberflächlich abzulaufen.
  4. Das wird hier besonders deutlich, als das Kind dann auf die Ebene seiner wirklichen Gefühle und Bedürfnisse wechselt.
  5. Deutlich wird, dass seine Situation und sein Verhalten dem Vater durchaus schwer fallen.
  6. Es bleibt aber offen, ob dahinter wirklich Vatergefühle stecken oder nur solche, die mit der unangenehmen Kommunikationssituation. Zusammen Hängen.
  7. Deutlich wird insgesamt ein asymmetrisches Beziehungsverhältnis zwischen den beiden, das aber teilweise durch die Entwicklung des Kindes gemindert worden ist.
  8. Es ist am Ende auch das Kind, dass die Situation versteht und für sich seine Konsequenzen daraus zieht.
  9. Der traurige Höhepunkt dieser Geschichte ist das sehr unglückliche Angebot des Vaters, das mit einem Vergleich verbunden wird, der vorher von ihm selbst als nicht real bezeichnet worden ist.
  10. Insgesamt kann man feststellen, dass das Kind hier die überlegene Person ist, während der Vater sehr schwach wirkt. Er hat wohl nicht mehr als seine berufliche Position.

 

Kreative Möglichkeiten:

  • Man könnte den Vater hinterher mit jemandem telefonieren lassen, dem er sein Leid oder auch seine Frustration klagen kann. Dafür müsste man gegebenenfalls passende weitere Elemente hinzu erfinden – zum Beispiel eine andere Frau, mit der er zusammenzieht. Das dürfte wahrscheinlicher sein als rein berufliche Verpflichtungen. Denn es liegt ja offensichtlich schon eine Scheidungssituation vor.
  • Die andere Möglichkeit ist, dass das Kind auf dem Nachhauseweg einen Freund oder eine Freundin trifft und es dort zu einem Gespräch darüber kommt.

Weitere Infos, Tipps und Materialien